Reiten früher vs. heute: Der Pferdesport im Wandel der Zeit

War früher alles besser?
Der Pferdesport im Wandel der Zeit

ArtikeldatumVeröffentlicht am 10.10.2025
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Reiner Klimke mit Ahlerich in der Einzelwertung der Dressur 1984 bei den Olympischen Sommerspielen.
Foto: Michael Ochs Archives/ gettyimages

Langes Bein und tiefer Sitz: Wie sich der Reitersitz verändert hat

Sitzen wir noch wie vor 30, 40, 50 oder gar 100 Jahren auf dem Pferd? Klares Nein: Früher waren die Bügel kürzer geschnallt und die Sättel flacher. Dadurch waren die Beine stärker angewinkelt. Der Winkel zwischen Oberkörper-Lot und Reiteroberschenkel war kleiner als bei den Dressurreitern von heute. Häufig sieht man bei den Dressurstars der aktuellen Stunde, dass das Bein gestreckter, länger ist. Vermeintlich, um "tiefer" im Sattel sitzen zu können.

Stimmt aber gar nicht: Sind die Bügel zu lang, können wir mit den Absätzen nicht nach unten federn. Die Fußgelenke werden fest, wir fallen leichter ins Hohlkreuz und können nicht mehr richtig einwirken. Ein angewinkeltes Knie ist wichtig, erklärt Michael Putz, der frühere Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster: "Nur damit kann ich mein Pferd am Schenkel haben. Und nur mit einem schenkelgehorsamen Pferd kann ich alles reiten."

In der Reitvorschrift des preußischen Heeres (H. Dv. 12) stand das übrigens auch schon: "Nur aus einem richtigen Sitz können richtige Hilfen gegeben werden.” Dass die Beschreibung dieses Sitzes auch biomechanisch korrekt ist, wurde von modernen Bewegungslehrern wie Eckart Meyners bestätigt.

August 1936: Viebig auf dem Pferd Gimpel bei der Dressurarbeit.
Topical Press Agency/ gettyimages

Der erste Schritt (zurück) zum guten Sitz ist also die richtige Bügellänge. Der zweite: ein Sattel, der einen guten Sitz zulässt. Das gelang bei modernen Modellen eine Zeitlang kaum.

"Mein erster Sattel war ein Vielseitigkeitssattel mit Schwerpunkt Dressur und viel flacher als die heutigen Sättel", erinnert sich Ausbilderin Dr. Britta Schöffmann. Erst später kamen typische Dressurmodelle mit tieferer Sitzfläche auf. Dazu gesellten sich seit der Jahrtausendwende dicke Pauschen vor und hinter dem Oberschenkel. "In so einem Sattel reitet man aber, als ob man mit Hilfszügeln verschnürt wäre. Dabei muss der Reitersitz flexibel sein", sagt die Ausbilderin. Michael Putz sieht das genauso: "Alles, was mich im Sattel fixiert, macht mich unbeweglich und fest. Und alles, was den Reiter an der Beweglichkeit hindert, hindert auch das Pferd daran, loszulassen." Aktuell geht der Trend wieder weg von großen Pauschen; oder wir können sie dank Klettverschluss entfernen.

Wie es heute ums Tierwohl bestellt ist

"Happy athlete”? Wohl eher ein "unhappy athlete”, wenn man so manche Bilder aus dem heutigen Spitzensport sieht: eng aufgerollte Pferdehälse, blaue Zungen, Sporen im Fell oder Pferde mit abgestumpftem Blick. Bei solchen Aufnahmen ist keine Spur von zufriedenen vierbeinigen Spitzensportlern zu sehen, die sich internationale wie nationale Verbände als Ziel auf die Fahnen geschrieben haben. Auch die Rollkur ist noch nicht überall ausgestorben. Ist es also heute ums Tierwohl schlechter bestellt als vor 30, 40 oder 50 Jahren?

Eine Nahaufnahme auf den Kopf eines Dressurpferdes mit engem Hals und angezogener Kandare.
Alex Grimm/ gettyimages

Vielleicht fällt es uns heute nur krasser auf, meint Britta Schöffmann: "Tierquälerei und übertriebenen Ehrgeiz gab es auch früher schon. Ebenso wie Reiter, die nur hinter verschlossenen Hallentüren trainieren.” Aber heute sind tierquälerische Aufnahmen mit einem Klick im Netz.

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