Plötzlich war sie da, sagt FN-Trainerin Claudia Butry. Diese Unsicherheit auf und mit dem Pferd. Eine Angst, die sie sich nicht erklären konnte bei ihren Reit-Schülerinnen um die 50, die alle schon lange reiten. Die Unbefangenheit war verschwunden, der Mut und das Vertrauen, dass schon immer alles gutgehen wird, auch beim schnellen Ritt übers Stoppelfeld, dem Sprung über ein Hindernis. Die Gewissheit, dass man immer wieder aufsteigen kann, wenn man runterfällt.
Die Herausforderung beim Reiten im Alter
Claudia Butry, die selbst seit 40 Jahren reitet, seit 20 Jahren selbständig ist als Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners und Neuroathletiktrainerin, erlebte es mit ihren Kundinnen, aber auch bei sich selbst: Man ist eigentlich sattelfest, aber plötzlich ist der Körper nicht mehr so geschmeidig auf dem Pferd, die Gelenke schmerzen, dazu spielt die Psyche verrückt, und man ist unsicher, ob man seinen geliebten Sport körperlich und mental noch bewältigen kann. "Viele meiner Kundinnen sind zwischen 40 und 60”, sagt Claudia Butry, "ich begleite sie schon viele Jahre, aber dann scheint fast von einem Tag auf den anderen die Belastbarkeit zu sinken, der Wille, sich neuen reiterlichen Aufgaben zu stellen. Es hängt sicher auch damit zusammen, dass unser Hormonhaushalt genau jetzt verrückt spielt, wir in den sogenannten Wechseljahren stecken.” Das Reiten im Alter hält somit viele Herausforderungen für die meisten Frauen bereit.
Reiten mit Ü 50: Wenn der Körper sich verändert
Neun Millionen Frauen befinden sich in Deutschland gerade in dieser Phase ihres Lebens. Für die älteren Reiterinnen unter den neun Millionen kommt dazu, dass sie sich neben all dem noch um ein Pferd kümmern, es pflegen, reiten, fördern wollen. Und plötzlich an vormals unbekannten Grenzen stehen, damit hadern, dass ihr Körper scheinbar in Windeseile an Kraft verliert, sie mental gleichzeitig häufig mit Reizbarkeit, Ungeduld oder großer Traurigkeit umgehen müssen und trotzdem natürlich dem Partner Pferd fair und gerecht begegnen wollen.
Am Ende steht bei einigen sogar der Verkauf des geliebten Pferds, wie die Bereiterin und Ausbilderin Franziska Schulz-Beelitz es einige Male erlebt hat. "Frauen, die ich zusammen mit ihren Pferden jahrelang begleitet und bis in die höheren Klassen trainiert habe, kommen plötzlich an einen Punkt der Erschöpfung und des Hinterfragens: Will und kann ich das überhaupt noch. Bis sie schließlich sagen, okay, ich bin mein ganzes Leben lang geritten, jetzt mag ich nicht mehr.”
Sprechstunde für ältere Reiterinnen
Einige von denen, die mit dem Reiten rund um die 50 vor allem wegen körperlicher Probleme hadern, landen in der Reiterinnen-Sprechstunde des Athleticums am Universitätsklinikum in Eppendorf. Diese bundesweit einzigartige Anlaufstelle für Reiter wird von Dr. med. Julia Schmidt geführt, die selbst aktive Reiterin bis Klasse S ist. Die Orthopädin, Unfallchirurgin, Ärztin für Manuelle Medizin und Sportmedizin berät Profis, aber auch ambitionierte Freizeitreiter. "Die Patienten, die zu mir kommen, haben neben Verletzungen und chronischen Beschwerden auch Performanceprobleme, zum Beispiel mit der Hüfte, dem balancierten Sitz, Hilfengebung, unruhigen Händen. Ich kläre ab, ob es sich um orthopädische Ursachen handelt, frage aber auch Ernährungsweise, soziale Umstände und andere Einflussgrößen ab.”
Bei Patientinnen ab Mitte 40 fragt sie nach Symptomen wie Gewichtszunahme, unerklärliche Muskelschmerzen, morgendlicher Steife in den Gelenken, Hitzewallungen, die für die Perimenopause sprechen. "Viele wissen nicht, dass ihre Schwierigkeiten auf dem Pferd auch damit zu tun haben können”, beobachtet die Ärztin. Julia Schmidt arbeitet deshalb eng mit Gynäkologen zusammen, rät aber auch zur Knochendichtemessung, denn der zunehmende Östrogenmangel begünstigt Osteoporose. "Gerade bei älteren Reiterinnen müssen wir das erhöhte Risiko für Knochenbrüche beachten. Manchmal reicht dann schon ein niedriges Trauma mit dem Pferd und der Knochen bricht.” Doch es gibt ebenso viele positive Aspekte.

Viele Frauen ziehen ihre Energie aus dem Zusammensein mit Pferden.
Wie beeinflussen die Wechseljahre das Reiten?
Als Wechseljahre wird die Zeit des Hormonwechsels bezeichnet. Sie wird in drei Phasen eingeteilt: die Perimenopause, die Zeit vor der letzten Blutung, die Menopause, die letzte Blutung an sich und die Postmenopause. Bereits in der Perimenopause produzieren die Eierstöcke weniger Östrogen, die Hormone turnen auf und ab. Diese Veränderung startet bereits zwischen 45 und 50 Jahren, bei manchen Frauen schon erheblich früher.
Alleine diese Einteilung in die drei Begriffe kennen viele Frauen nicht, denn die sogenannten Wechseljahre, das war sehr lange etwas, über das verschämt geschwiegen wurde. Sichtbar für die anderen Menschen zum einen sind meist nur Hitzewallungen und Schweißausbrüche; alles andere, was diese Zeit begleitet wie Gelenk- oder Bindegewebsschmerzen, Morgensteifigkeit, Stimmungsschwankungen, Schlafprobleme, Vergesslichkeit, Nebel im Kopf, Gewichtszunahme, Herz-Kreislauf-Probleme, behielt man eher für sich – oder konnte es den Wechseljahren nicht zuordnen, zumal es von Ärzten durchaus bis heute heruntergespielt wird nach dem Motto "Da müssen Sie jetzt durch”.
Die Phase der Wechseljahre, die zehn bis 15 Jahre dauern kann, verändert Körper und Psyche und bringt ganz neue Herausforderungen mit sich. Die meisten Frauen sind in dieser Zeit noch mitten im täglichen Chaos von Kind, Job, Haushalt. Dazu muss man sich oft auch um die Eltern kümmern, die alt werden, Unterstützung brauchen. Schlechter Schlaf, schlechte Laune, keine Lust mehr zum Pferd zu fahren, das schiebt man zuerst noch auf all diese Umstände, bis die typischen Symptome hinzukommen. Irgendwann erkennt man, oft erst nach einer längeren Zeit des Leidens, dass man sich in der Perimenopause, also der Zeit vor dem wirklich allerletzten Eisprung befindet, mit ihren vielen Nebenwirkungen und Veränderungen.
Auch Reiterinnen betrifft das Thema im Alter, weiß Claudia Butry, FN-Trainerin: "Es verändert sich etwas. Ich habe bei einigen meiner Kundinnen eine neue Hilflosigkeit gesehen, auch eine plötzliche Ungerechtigkeit gegenüber dem Pferd, aber es wird nicht offen darüber gesprochen. Aber wir sollten es tun. Denn nicht mehr mit auf den Ausritt zu gehen oder sogar Angst vor der Galopparbeit, das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass viele der Reiterinnen über 50 einfach älter und vernünftiger werden.”
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