Das sagt der Dressurausbilder zu scheuenden Pferden
Manche Pferde sind sensibler als andere. Die einen sind eher introvertiert, andere eher explosiv. Man kann eine solche Veranlagung nicht komplett ändern. Doch eine gute Ausbildung kann Pferde schulen, besser mit Veränderungen klarzukommen. Viele Pferde werden reizarm gehalten: Keine lauten Stimmen, keine Musik – die Pferde werden praktisch überbeschützt von ihren Besitzern, wie Kinder, die Helikoptereltern haben. Und dann sollen sie auf einem Turnier cool bleiben. Zudem kommt es darauf an, wie in der Ausbildung mit dem Scheuen umgegangen wird. Oft passiert folgendes: Der Reiter streichelt das scheuende Pferd, redet beruhigend auf es ein und lässt es stehen, bis es ruhig ist. Das Pferd lernt dadurch aber, dass es fürs Erschrecken mit einem Nachgeben des Zügels und einer Pause gelobt wird. Besser ist es, in einer solchen Situation den Kontakt am Zügel zu halten, das Pferd zu beschäftigen, es zu stellen und zu biegen und erst dann nachzugeben, sobald es ruhiger ist und wieder zuhört. Jeder kennt die berühmte Schreck-Ecke in der Halle, die gemieden wird, anstatt bewusst dort zu arbeiten, bis das Pferd sich entspannen kann. Oder das Schreck-Eck als Trainingsende zu nutzen, damit das Pferd feststellt, dass die schreckliche Ecke toll ist. Solche kleinen Diskussionen sollen nicht zu einer großen Konfrontation ausarten, aber sie machen das Pferd stressresistenter und zeigen ihm, dass es seinem souveränen Reiter vertrauen und sich auf ihn verlassen kann, wie ein Vater, der sein Kind beschützt, wenn es Angst hat.

Nuno Avelar, Bundestrainer des deutschen Working-Equitation-Kaders, reitet Dressur bis Grand Prix.
Das sagt der Horseman zum Fluchtmodus beim Pferd
Jedes Pferd hat eine eigene Persönlichkeit, die von mehreren Faktoren bestimmt wird: Der erste Faktor ist das angeborene Verhalten. Manche Pferde kommen sensibler zur Welt als andere, was auch mit der Zucht zusammenhängt. Ein Pferd, das für Cutting oder Stierkampf gezüchtet wurde, muss sehr reaktiv sein. Ein Kaltblüter hingegen soll ruhig auf dem Feld arbeiten und sich nicht so schnell erschrecken. Diese Pferde reagieren meistens schon von Natur aus nicht so stark auf Veränderungen. Wie extrem dieses angeborene Verhalten ist, hängt vom so genannten Spirit Level ab – also wie stark das Verhalten ausgeprägt ist. Der nächste Faktor ist die Umgebung, in der das Pferd lebt: Steht es in einem großen Stall mit Trubel, ist es an Veränderungen gewöhnt. Lebt es dagegen reizarm, ist es keine Veränderungen gewohnt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das erlernte Verhalten – entweder von anderen Pferden oder von uns Menschen. Diesen Faktor können wir durch Training beeinflussen. Wir können dem Pferd helfen, mehr "emotionale Fitness” zu erlangen. Das bedeutet, dass das Pferd gelassen auf Reize reagiert und nicht in den Fluchtmodus schaltet. Das Pferd soll lernen, uns zu fragen, bevor es scheut. Das gelingt, wenn es eine gute Führung durch seinen Menschen hat. Es übergibt ihm die Verantwortung und kann sich entspannen. Ist das Pferd von Natur aus sensibel, können wir es auch auf uns sensibel machen. Bleiben wir cool, bleibt auch das Pferd cool.

Joshua Burke, lizensierter 3-Sterne-Parelli-Instruktor, macht Pferde mental fit für den Alltag.
Das sagt der Pferdetrainer zu schreckhaften Pferden
Pferde sehen die Welt anders als wir Menschen. Farben können sie weniger gut unterscheiden, dafür erkennen sie leichter Bewegungen, was als Fluchttier enorm wichtig ist. So nehmen sie Veränderungen in ihrer Umgebung schnell wahr. Es bereitet Pferden immer Sorge, wenn sich ihre gewohnte Umgebung verändert. Denn das könnte eine Gefahr für ihre Sicherheit bedeuten.Wie stark das Pferd darauf reagiert und letztendlich scheut, hängt von seinem Charakter ab. Ich habe drei Vollblut-Stuten, die völlig unterschiedlich auf Veränderungen reagieren: Annabell Lee bleibt cool, Boa scheut und schaut genau, beruhigt sich aber schnell. Merci flippt völlig aus und braucht sehr lange, bis sie sich wieder beruhigt. Übrigens kann auch falsches Training Pferde ängstigen – etwa, wenn gut gemeintes und übertriebenes Gelassenheitstraining die Pferde reizüberflutet und ihnen noch mehr Angst macht, statt sie zu desensibilisieren. Grundsätzlich beschäftigen sich Pferde weniger mit der Außenwelt und sonstigen Reizen, wenn sie einen Job haben und ihrem Menschen zuhören.

Michael Geitner, Erfinder der Trainingskonzepte "Be strict", Dual-Aktivierung und Equikinetic.