Was taugt der revolutionäre Sattelbaum?
Freischwingender REV-Sattel von Stübben im Test

Er schwingt frei, dämpft Stöße und soll auf eine Vielzahl an Pferden passen: der REV-Sattel von Stübben. Tatsächlich scheint der Sattel eine kleine Revolution zu sein und überzeugte im Test.

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Foto: Thomas Hartig
In diesem Artikel:
  • Der REV-Sattel im Test
  • Wie ist der REV-Sattel aufgebaut?
  • Für wen ist der REV-Sattel am besten geeignet?
  • Wieviel kostet der REV-Sattel?
  • Testpferd 1: wenig Widerrist, kurze Sattellage
  • Testpferd 2: normaler Widerrist, lange Sattellage
  • Testpferd 3: Breiter Rücken, starke Schultern
  • Das Reitgefühl: Was sagt die Reiterin?
  • So testet CAVALLO
  • Test-Fazit zum REV-Sattel

Trägt er seinen Namen zu Recht? Darf man von einer Revolution sprechen? Die Rede ist von einem neuen Sattelbaum, der auf fast alle Pferde passen soll: der REV-Sattel von Stübben.

Erfunden hat ihn vor fast 20 Jahren ein irischer Student. Martin Ryan studierte Produktdesign, war Hobbyreiter und wollte für seine Diplomarbeit den Sattel neu erfinden. Sein Traum: Pferd und Reiter mehr Komfort bieten. Er tüftelte viele Jahre. Das Ergebnis: ein freischwingender Sattelbaum in Form eines liegenden U. Oben sitzt der Reiter, der untere Teil liegt auf dem Pferd.

Unsere Highlights
CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
Der Sattel sieht von außen relativ gewöhnlich aus.

In Irland verkaufte er die futuristisch aussehenden Sättel unter dem Namen "Bua Saddle". Nun kooperiert Martin Ryan mit Stübben und verbesserte mit der Sattlerei aus Kempen/NRW sein Konzept. Erhältlich ist der "REV-Sattel by Martin Ryan" bei den Pferdesporthäusern Loesdau und Equiva. Bei Equiva kann man über ein Anfrage-Formular einen Testritt vereinbaren.

Der REV-Sattel im Test

Der deutsche Markt ist skeptisch: Der Sattel sieht anders aus und federt noch dazu. CAVALLO wäre nicht CAVALLO, wenn wir den Sattel ohne Test vorstellen würden. Die Frage, ob er wirklich auf unterschiedliche Pferde passt, interessiert uns brennend.

Wir haben ihn "out of the box" auf drei unterschiedlichen Pferden probiert. Im Sattel sitzt beim Termin Ulrike Störzbach, Ausbildungsleiterin des Barockreitzentrums in Heimsheim/Baden-Württemberg. Dana Ekin, Pferdephysiotherapeutin von Team Satteltester, beurteilt den Sitz des Sattels sowie die Druckverteilung auf dem Pferderücken.

Wie ist der REV-Sattel aufgebaut?

Doch zuerst erklärt Benno Hinteregger von Stübben die Technik, die im Sattel steckt anhand des blanken Sattelbaums. Beim ersten Anblick ist klar, warum der Baum für Pferd und Reiter komfortabler sein könnte: Er ist aus Glasfaserthermoplastik, extrem leicht, federt und ist flexibel. Setzt sich der Reiter in den Sattel, neigt sich die Sitzfläche Richtung Pferd. Zeitgleich weitet sich durch das flexible Material der Sattelbaum am Vorderzwiesel und macht den Muskeln Platz.

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
Die Aufhängung für die Steigbügel erlaubt zwei Positionen. Vorne für Springen, weiter hinten für Dressur und Trekking.

Die Sitzfläche am Baum und der abnehmbare Ledersitz sind gepolstert. Praktisch: Die Sattelblätter (Dressur, Springen, Trekking) lassen sich per Druckknopf tauschen. Durch seine Drei-Punkt-V-Fixierung soll der Sattel beim Gurten gleichmäßig aufliegen. Die Kammerweite kann der Reiter selbst durch verschiedene Ortweitenkeile einstellen. Sie werden angeschraubt, die Löcher dazu sind vorgebohrt. Die Sattelkissen mit Sattelwolle sind leicht zu öffnen und können vor Ort individuell angepasst werden.

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
Ein dickes Polster auf dem Sitz sorgt für Komfort. Gut zu erkennen, wie der Sattelbaum hinten in den Kissen steckt.

Für wen ist der REV-Sattel am besten geeignet?

"Wer das erste Mal im Sattel sitzt, wird den Unterschied vor allem beim Leichttraben merken", sagt Benno Hinteregger. "Denn die Sitzfläche bewegt sich mit dem Reiter mit. Die Federung kann man aber mit einem Inbusschlüssel einstellen." Das ungewohnte Reitgefühl schreckt viele Reiter ab. Es braucht ein, zwei Ritte, um sich auf den Sattel einzustellen. "Viele haben zudem Sorge, dass sie zu weit vom Pferd wegsitzen. Dabei neigt sich die Sitzfläche zur Auflagefläche, sobald der Reiter im Sattel sitzt", so Hinteregger.

"Die Sitzhilfen werden allerdings durch den Sattelbaum leicht abgefedert. Sie kommen aber an." Benno Hinteregger empfiehlt den Sattel daher Reitern, die viel ins Gelände gehen oder Distanzreitern. Kein Problem mit den Hilfen hat laut Hinteregger die Vielseitigkeitsreiterin Julia Mestern: "Sie reitet seit mehreren Monaten auf verschiedenen Pferden in allen Disziplinen mit dem REV-Sattel."

Wieviel kostet der REV-Sattel?

Mit rund 3 000 Euro pro Sattel inklusive Sattelblättern bleibt der Preisschock aus. Ein Paar extra Sattelblätter kosten 650 Euro. Für rund 3 650 Euro erhält man also zwei Sättel in einem. Und könnte ihn auf verschiedenen Pferden nutzen.

Testpferd 1: wenig Widerrist, kurze Sattellage

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
1. Pferd: ansteigende Rückenlinie, wenig Widerrist, kurze Sattellage.

Das erste Pferd im Test ist ein spanischer Wallach: ansteigende Rückenlinie, wenig Widerrist und eine kurze Sattellage von 38 Zentimetern. "Das macht das Satteln schwer", so Dana Ekin. "Ist die Auflagefläche zu lang, drücken die Kissen in die Lendenwirbel." Als der REV-Sattel auf dem Rücken liegt, staunt Dana Ekin: "Er liegt genau richtig und im Schwerpunkt."

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Team Satteltester
Die Messung im Galopp linker Hand zeigt, wie gleichmäßig der Sattel aufliegt. Gut zu sehen: Die Reiterin sitzt eher außen.

Als sie die Messung am Bildschirm verfolgt, staunt sie noch mehr. "Ich bin begeistert. Normale Sättel haben selten so ein gleichmäßiges Druckbild." Auch im Trab sieht sie keine großen Spitzen. "Sonst bilden sich immer die Sitzbeinhöcker des Reiters ab", sagt Dana Ekin. "Durch die schwingende Sitzfläche fällt das weg." Auch im Galopp zeigt der Sattel ein recht ebenmäßiges Bild. Auf dem Bildschirm tauchen immer wieder rote Stellen auf. Drückt der Sattel etwa doch? "Nein. Rot heißt in dem Fall nur mehr Druck als an einer anderen Stelle, nicht zu viel Druck", erklärt Dana Ekin.

Testpferd 2: normaler Widerrist, lange Sattellage

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
2. Pferd: normal ausgeprägter Widerrist, lange Sattellage, rechts stärker bemuskelt als links.

Auch beim zweiten Pferd ist Dana Ekin positiv überrascht. Der Schimmel hat einen normal ausgeprägten Widerrist. "Seine Sattellage ist herausfordernd", sagt Dana Ekin. "Im Bereich des Trapezmuskels ist er rechts deutlich schlechter bemuskelt als links." Laut Druckbild lässt der Sattel den Widerrist frei, er liegt relativ gleichmäßig auf und hält die Auflagefläche ein. Gut zu sehen: Der Sattel gewährt die nötige Schulterfreiheit. Erneut stellt Dana Ekin fest: "Normalerweise zeigen sich in den Druckbildern Unterschiede in den Gangarten. Bei diesem Sattel nicht."

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Team Satteltester
Die Wirbelsäule ist frei, der Sattel liegt gleichmäßig auf (Trab rechts).

Testpferd 3: Breiter Rücken, starke Schultern

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
3. Pferd: kräftige Statur, breiter Rücken, stark ausgeprägter Schulterbereich.

Das dritte Pferd ist ein Fjord-Wallach mit sehr breitem Rücken und stark ausgeprägtem Schulterbereich. "Das erfordert eine deutlich breitere Kammer im Vergleich zu den ersten beiden Pferden", sagt Dana Ekin. Tatsächlich: Auf den Rücken gelegt sieht man, dass der Sattel vorne breiter sein dürfte.

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Team Satteltester
Der Widerrist liegt frei, das Druckbild ist recht gleichmäßig (Galopp rechte Hand).

Die Druckmessung zeigt etwas anderes: "Durch die Konstruktion des Sattelbaums wird der Winkel vorne weiter, so dass der Sattel passt", sagt Dana Ekin. Was sich durch alle Messungen zieht, ist eine minimale Brückenbildung auf der linken Seite. Der Grund: "In der Mitte ist zu wenig Sattelwolle, hier müsste der Sattler für ein perfektes Ergebnis Wolle auffüllen", sagt Dana Ekin. Ihr Fazit: "Der Sattel hält, was er verspricht. Er verteilt den Druck mit wenigen Druckspitzen und liefert gleichförmige Druckbilder. Für einen perfekten Sitz sollte ihn ein Sattler aber noch anpassen."

Das Reitgefühl: Was sagt die Reiterin?

"Ich sitze definitiv höher, aber nicht weg vom Pferd. Zudem lässt der Sattel mir sehr viel Bewegungsfreiheit", berichtet Ulrike Störzbach. "Das ungewohnte Reitgefühl durch die Federung legt sich schnell." Dass der Sattel federt, gefällt Ulrike Störzbach sogar besonders gut: "Ich bin an der Bandscheibe operiert. Da kommt mir das sehr entgegen."

In Sachen Hilfengebung merkt sie keinen Unterschied: "Alles klappt wie immer." und: "Ich wurde an der Bandscheibe operiert. Die Federung des REV-Sattels ist für mich optimal." Ulrike Störzbach ist Trainer B – Reiten (FN) und leitet das Barockreitzentrum in Heimsheim/Baden-Württemberg.

Allem Anschein nach trägt der revolutionäre Sattel seinen Namen zu Recht.

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
Alle Pferde konnten unter dem Sattel ihre Schulter frei bewegen.

So testet CAVALLO

256 Mess-Sensoren stecken in der Messmatte von Team Satteltester. Die Matte wird wie eine Satteldecke direkt auf den Pferderücken gelegt. Obendrauf kommt die übliche Satteldecke des Pferds. In kleinen Taschen an der Messmatte stecken Netzteil und die Auswertelektronik. Mittels Datenfunk werden die Druckdaten live auf den Rechner übertragen und sichtbar gemacht.

CAVALLO Der REV-Sattel von Stübben
Thomas Hartig
Per Funk gelangen die Daten der Messmatte auf den Rechner und werden bildlich dargestellt. Auch der Reitersitz lässt sich so analysieren.

Dana Ekin von Team Satteltester aus dem schwäbischen Wildberg leitete den Test.

Test-Fazit zum REV-Sattel

"Ein Sattel, der auf verschiedene Pferde passt? Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich es nicht glauben. Ohne, dass ein Sattler den Sattel auf das jeweilige Pferd angepasst hat, lieferte der REV-Sattel teilweise bessere Druckbilder als manch ein angepasster Sattel. Ich musste sofort an all die Schulpferde denken, die jeden Tag hopsende Reiter auf ihren Rücken dulden. Dieser Sattel wäre eine echte Erleichterung für sie. Der REV-Sattel ist zudem eine Alternative für alle, die aufgrund von Rückenproblemen gerne mehr Komfort im Sattel hätten. Auch das Thema fehlende Schulterfreiheit scheint mit dem Sattel passé zu sein. Denn das ist bei vielen Sätteln ein großes Problem. Es war wirklich erstaunlich, wie schön die Pferde unter dem Sattel ihre Schulter frei bewegen konnten."

Kristina Hofer, CAVALLO-Redakteurin

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Erscheinungsdatum 17.05.2023