Bringt heute ein Sattler einen Laptop zur Sattelanprobe mit, wundert sich keiner mehr. Denn die Passform eines Sattels kann man nicht mehr nur mit bloßen Händen beurteilen, sondern auch anhand
verschiedener Messgeräte oder am PC.
Ziel ist jeweils der ideale Sattel fürs Pferd. Welche Methode führt am ehesten dorthin? Eine statische oder dynamische Sattelmessung? Oder womöglich keine von beiden? Um das herauszu–finden, bat CAVALLO drei Experten zum Praxisvergleich an drei Pferden. Anemone Lamparter von der Sattelklinik aus Münsingen/Baden-Württemberg war als Sattlerin vor Ort. Christoph Rieser aus Obersteinebach im Westerwald beurteilte die Sättel mit Hilfe seines Messgeräts "Topograph Pro" statisch. Frank Obenaus aus Berlin von der Firma T&T medilogic Medizintechnik untersuchte die Passform der Sättel mittels einer Messmatte in Bewegung unter dem Reiter. Widersprechen oder ergänzen sich die drei Methoden?















Ohne Sattler ist Anpassung nicht möglich
In einem sind sich alle drei Experten einig: Ohne das Fachwissen eines Sattlers ist eine Sattelanpassung weder mit der Medilogic-Matte noch mit dem Topograph Pro möglich. "Denn eine rein dynamische Messung gibt keine Auskunft darüber, ob das Pferd Muskeln aufgebaut hat. Das zeigt dafür der Topograph", erklärt Christoph Rieser.
Die Druckmessung dagegen bezieht die Belastung des Reiters mit ein und gibt ein Druckbild in der Bewegung ab. "Die Druckverteilung ist bei der Sattelanpassung sehr wichtig", sagt Frank Obenaus. Die Möglichkeit fehlt beim Topograph Pro, er gibt ein Standbild des Rückens wieder. Anemone Lamparter ist wichtig, dass die Messgeräte von Sattlern benutzt werden. "Es bringt zum Beispiel nichts, wenn jemand mit einer Messmatte Sättel verkauft, den Sattel aber nicht umbauen kann", sagt die Sattlerin. "Wer das Pferd vermisst, muss in der Lage sein, den Sattel entsprechend anzupassen."
Pferde verändern sich zudem immer wieder. Durch Krankheiten etwa bilden sich Muskeln zurück, und das Pferd muss erst wieder über längere Zeit auftrainiert werden. In solchen Fällen ist das Fachwissen des Sattlers gefragt. "Manchmal ist zum Beispiel ein halbes Jahr Bodenarbeit angesagt, weil die Rückenmuskulatur noch zu schwach ist", so Lamparter. "Oder der Sattler muss anfangs mit Korrekturpads arbeiten, weil der Sattel vom Druck her nicht optimal passt. Erst wenn sich das Pferd muskulär weiterentwickelt hat, passt der Sattel ohne Hilfsmittel." Statische oder dynamische Mess-Systeme können in solchen Fällen die Arbeit des Sattlers unterstützen.
Das zeigt, dass die beiden Systeme keine Konkurrenten sein sollten, sondern sich ergänzen. Sie dienen beide der Kontrolle, ob der Sattel passt. "Jede Messung beachtet nur einen Aspekt: entweder Druck oder Passform", sagt Christoph Rieser. "Für den idealen Sattel bräuchte man beide Systeme sowie einen Sattler. Der sorgt dafür, dass der Sattel an den Pferderücken angepasst wird."





















Sattelanpassung durch Sattlerin
Anemone Lamparter aus Münsingen in Baden-Württemberg nimmt sich für die Sattelkontrolle oder -anprobe sehr viel Zeit. Sie sieht sich das Pferd erst ohne Sattel im Stand an. Dabei betrachtet sie nicht nur die Sattellage, sondern tastet das Pferd am ganzen Körper ab. So erkennt sie Verspannungen, falsch ausgeprägte oder zurückgebildete Muskeln – mögliche Gründe für einen unpassenden Sattel. Sie stellt dem Reiter viele Fragen: Tritt das Pferd unter den Schwerpunkt? Läuft es über den Rücken? Driftet es seitlich über die Schulter weg?
Nach der ersten Analyse begutachtet Anemone Lamparter den Sattel. Sie tastet die Polsterung der Sattelkissen ab und prüft die SitzŸfläche. Danach legt sie den Sattel auf den Pferderücken. Ohne Unterlage, um ihn besser beurteilen zu können. Sie betrachtet unter anderem die Lage des Sattels, Widerristfreiheit, Kammerweite und Wirbelsäulenfreiheit. Ebenso die Größe des Sattels, die Aufhängung der Steigbügel und die Gurtung.
"Ein sehr wichtiges Indiz, ob der Sattel passt, ist allerdings die Reaktion des Pferds", sagt Anemone Lamparter. Schnappt es beim Satteln oder legt es die Ohren an, wenn der Reiter den Gurt anzieht, deutet das auf einen unpassenden Sattel oder Sattelgurt hin. Ebenso Probleme beim Reiten, etwa in Stellung und Biegung oder wenn das Pferd den Rücken wegdrückt. Deswegen betrachtet Anemone Lamparter als letzten Prüfpunkt den Reiter im Sattel im Stand und in der Bewegung. Sitzt er womöglich mehr auf einer Seite?
Passt der Schwerpunkt des Sattels für Pferd und Reiter? "Für all das braucht ein Sattelanpassung nach Maß durch die Sattlerin Sattler fundierte Kenntnisse der Anatomie und Biomechanik des Pferds", sagt Anemone Lamparter. Und es macht deutlich, dass eine Sattelanprobe länger als eine Stunde dauert.





















Sattelmessung – Topograph Pro Equiscan
Die elf beweglichen Arme und 98 Gelenke des Messgeräts "Topograph Pro" von Christoph Rieser produzieren ein Abbild des Pferderückens. Sie legen sich wie eine Krake aufs Fell, Christoph Rieser muss nur noch per Schraubenzieher die Gelenke fixieren. Ergänzt wird die Messung durch eine Foto-Dokumentation aus neun verschiedenen Perspektiven, mit und ohne Messgerät. Auch die Widerristhöhe sowie den Rumpfumfang des Pferds ermittelt Christoph Rieser. Die Vermessung mit dem Topograph Pro dauert rund eine Stunde.
Um den Topograph richtig zu positionieren, zeichnet er mit Kreide die Stelle des Schulterblattknorpels ein. Dort liegt die zweite Querrippe des Topographs. Das Pferd muss nun still, auf ebenem Boden sowie auf allen vier Beinen stehen. Ein Klebeband auf der Wirbelsäule verhindert, dass die Längsrippe verrutscht. "Anschließend streiche ich die einzelnen Rippen glatt, so dass sie auf dem Fell liegen", erklärt Christoph Rieser.
Mit einem kleinen Schraubenzieher stellt er die Gelenke fest. "Ich fange bei der Längsrippe über der Wirbelsäule an. Dann geht es von den vorderen zu den hinteren Rippen." Zum Schluss setzt Christoph Rieser mit einem Magnet die Libelle auf die Längsrippe. Sie enthält eine winzige Wasserwaage und dient der Orientierung. Sind an allen Gelenken rote Punkte zu erkennen, ist der Topograph Pro fixiert und kann vom Pferderücken genommen werden. An den Gelenken sitzt jeweils eine kleine Zahlenskala. Diese Werte trägt Rieser in ein Datenblatt ein und hält damit die Rückenform schriftlich fest.
Anschließend legt er ihn in den umgedrehten Sattel ein. Jetzt ist das Fachwissen eines Sattlers gefragt, der beurteilt, ob der Sattel an den richtigen Stellen aufliegt, zu eng ist oder Bewegungsfreiheit bietet.





















Medilogic – Sattelmessung in Bewegung
Mit dem mobilen Mess-System von Medilogic aus Berlin können Sattler die Passform des Sattels in Bewegung unter dem Reiter prüfen. Dazu wird die schwarze Messmatte wie eine Satteldecke unter den Sattel gelegt. Die Hülle ist anatomisch geformt und aus Leder. "Dadurch liegt sie sehr gut auf dem Pferd, es bilden sich keine Falten unter dem Sattel, und das Leder sorgt für Formstabilität", sagt Frank Obenaus. In der Schutzhülle steckt die streifenförmige Sensormatte, deren Schlitze für Beweglichkeit sorgen.
Die einzelnen Streifen sind miteinander verbunden. "Die 446 Sensoren liegen über die gesamte Fläche der Matte verteilt. Bis hin zur Mittelnaht", erklärt Frank Obenaus. "So können wir im Bereich des Sattelkanals messen, denn auch wenn dort kein Druck sein sollte, blitzen auf dem Bildschirm manchmal Druckpunkte auf." Durch die Größe der Matte kann Medilogic auch die Druckverteilung von ausladenden Westernsätteln messen.
Per Funk werden nun die Daten auf den Rechner übertragen. "Die Reichweite beträgt bis zu 100 Meter." Eine spezielle Software wertet die empfangenen Daten aus, und auf dem Bildschirm sind sofort Druckbilder zu sehen. "Die Druckbilder ausschließlich am PC live zu beobachten, reicht meiner Meinung nach nicht aus", sagt Obenaus. Der Fokus liegt sonst zu sehr auf den Maximalwerten. Besser ist es, die einzelnen Bilder nach der Messung in Zeitlupe anzuschauen und die Durchschnittsbilder zu bewerten. Das liefert eine Aussage über die realistische Druckverteilung des Sattels. Eine zeitgleiche Videoaufnahme erleichtert die Interpretation der Bilder. So wird klar, in welcher Bewegung oder Lektion der Sattel drückt. Allerdings kann nur ein erfahrener Sattler den Sattel vom Druck her optimieren.





















Knackpunkt Pferdeschulter
Wenn der Sattel Schulter und Widerrist in die Zange nimmt, wird das Problem durch Mess-Systeme deutlicher sichtbar. Reitsportsattlerin Anemone Lamparter aus Münsingen/Baden-Württemberg begutachtet erst das Pferd ohne Sattel. Dabei gleitet ihr Blick prüfend über das Fell, ihre Hände ertasten verspannte Muskeln oder verstopfte Talgdrüsen. Sie erkennt die Problemzone der kleinen Araber-Appaloosa-Stute schnell. "Ihre Sattellage ist sehr kurz, die Gurtlage recht weit vorne."
Anemone Lamparter fällt auf, dass der Rücken der Stute links mehr abfällt. "Ein Grund könnte sein, dass das Pferd auf dieser Seite stärker belastet wird, wahrscheinlich durch den Reiter." Das bestätigt der Blick auf den Sattel. Sattlerin Anemone Lamparter fährt mit den Händen über die Sattelauflage, kontrolliert die Polster und prüft die Sitzfläche.
"Die Polsterung hat sich nach oben verschoben. In der Sitzfläche sehe ich zwar keine deutlichen Sitzspuren, spüre aber links eine deutlichere Kuhle als rechts", sagt die Sattelexpertin. Der Sattel ist vorne sehr schmal, die Breite des Wirbelkanals jedoch in Ordnung. Der Schwung des Sattelbaums passt ihrer Meinung nach nicht mehr zum Körperbau des Pferds. "Der Sattelbaum ist zu gerade, das heißt, er folgt der Rückenform nicht optimal." Das kann zu punktuellem Druck im Rücken führen. Aufgrund der Gurtlage des Pferds vermutet Anemone Lamparter, dass der Sattel in der Bewegung nach vorne rutscht. "Das wäre für die Stute nicht gut, da sie bereits vorderlastig und der Sattel vorne zu eng ist."







Nach der ersten Begutachtung kontrolliert Anemone Lamparter den Sattel mit Reiter auf dem Pferd. Bereits im Stand prüft sie die Passform des Sattels. Ihre Hand passt kaum unter den Vorderzwiesel, so eng ist der Sattel. Er liegt fast schon auf der Wirbelsäule. "Auch hinten ist sehr viel Druck im Rücken. Das Pferd verkrampft in der Bewegungsmuskulatur, in Wendungen quetscht der Sattel gegen die Wirbelsäule", so Lamparter.
Ein paar Runden läuft die Sattlerin im Schritt neben Pferd und Reiter her und beobachtet das Paar von hinten. So erkennt sie etwa gut, dass die Reiterin nach links sitzt. Erkennen die beiden Mess-Systeme diese Punkte? Zuerst ermittelt Sattler Christoph Rieser von der Firma Equiscan die Rückendaten der Stute mit seinem Messgerät "Topograph Pro". Welche Erkenntnisse bringt das blaue Gerippe? "Das Kopfeisen des Sattels ist wesentlich .flacher als die Kissen, der Sattel ist vorne sehr eng. Der Schulter bietet er keine Freiheit", bestätigt Christoph Rieser die Einschätzung der Sattlerin. Der Topograph entdeckt zudem eine leichte Hohllage des Sattels und zeigt, dass der Sattelbaum ansonsten nicht der Oberlinie des Pferds entspricht. "Dieser Sattel bietet in der Biegung keinen Freiraum", erklärt Christoph Rieser. Das erkannte auch Lamparter.
Im letzten Schritt wird unter den Sattel die Messmatte der Firma T&T medilogic Medizintechnik aus Berlin gelegt. Sie überträgt per Funk die Druckdaten an den PC, während Pferd und Reiter in der Bahn ihre Runden drehen. Schon im Stand erkennt Vertriebsleiter Frank Obenaus, dass der Sattel dem Pferd im vorderen Bereich Probleme macht. "Vorne links zeigt sich ein deutlicher Druckpunkt. Dort ist der Sattel eindeutig zu eng, er bietet keine Schulterfreiheit." Sehr schön zu sehen ist die ungleich verteilte Polsterung. Hinten sind dagegen nicht so starke Druckspitzen zu erkennen.
Fazit: Die zwei Mess-Systeme stimmen in wesentlichen Punkten mit der Sattlerin überein: Der Sattel ist vorne zu eng und drückt. Der Topograph deckt zusätzlich eine leichte Hohllage auf, laut Messmatte ist der Druck hinten nicht so drastisch.















Sattelpassform – Problemfall Widerrist
Ein extremer Widerrist und ein schwieriges Exterieur verlangen vom Sattler ein gutes Augenmaß. Oder Unterstützung durch technische Messgeräte. Der Warmblut-Wallach ist ein Extremfall für jeden Sattler. Sein Widerrist fällt stark ab, die Muskeln sind zurückgebildet. "Das nennt man Problemsattellage", sagt Anemone Lamparter. "Für dieses Pferd einen Sattel zu bekommen, ist schwierig." Besonders kritisch sieht sie das Dreieck, dass sich vom höchsten Punkt des Widerrists über den Drehpunkt der Schulter bis zum 14. Brustwirbel spannt: "Das ist zu lang und wird Probleme mit der Kopfeisenlänge geben." Auch die Gurtlage ist schwierig: Der Gurtverlauf liegt weit vorne, und das Pferd hat viel Bauch.
Die Problemzone sitzt eindeutig vorne: Der Sattel des Wallachs liegt auf dem Widerrist auf, wodurch er auf den Widerristknorpel drückt. Die Ortspitze des Kopfeisens hört zu weit oben auf, sie drückt ebenfalls. Das Kopfeisen ist folglich zu kurz. Zudem sind die Gurtstrippen am Kopfeisen befestigt, wodurch der Sattel auf die Schulter gezogen wird. "Der Sattel knackt vorne den Widerrist und drückt schon beim Aufsteigen schmerzhaft dagegen", sagt Anemone Lamparter. Der Lendenwirbelsäule bietet der Sattel dagegen ausreichend Platz. "Die Sattellänge ist gut, ebenso der Schwerpunkt. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass diesem Pferd ein gängiger Sattelbaum passt."







Christoph Rieser stösst mit dem Topograph Pro fast schon an seine Grenzen. Über dem steilen Widerrist können die blauen Rippen dem Körper gerade noch folgen. Das Ergebnis: Der Sattel bietet dem Pferd keinerlei Bewegungsfreiheit, die Mitte dagegen ist frei. Der Sattel bildet eine Brücke, was zu punktuellem Druck führt. Die Auflagefläche des Sattels ist sehr klein, ein deutliches Zeichen, dass der Sattel zu eng für den Wallach ist. Zudem bietet er aufgrund seiner schlechten Muskelsituation nicht viel Auflagefläche für einen Sattel.
Die beengten Verhältnisse macht die Messmatte von Medilogic noch einmal deutlich. "Am Widerrist, wo eigentlich kein Druck sein sollte, ist deutlich Druck zu erkennen", sagt Frank Obenaus. Im Stand ist der vordere Bereich zwar noch in Ordnung, im Schritt kommt es am Widerrist aber bereits zu Quetschungen. "Die Belastung müsste außerdem weiter außen sein, weg von der Wirbelsäule."
Fazit: Die Mess-Systeme geben die Meinung der Sattlerin wieder, machen aber deutlich, was man unter dem Sattel nur vermuten kann. Die Ergebnisse der Messmatte sind erschreckend: Man sieht nicht nur deutlich, wo der Sattel drückt, sondern auch mit welcher Kraft.














