Hautnah bei Daniel Suchefort
Der Wanderreitsattel-Macher

Daniel Suchefort möchte zum Abenteuer inspirieren und baut Wanderreitsättel in Handarbeit. Ein Ritt auf den Spuren seiner Ahnen führte ihn zu seiner Berufung.

Portrait Daniel Suchefort
Foto: Bernd Widmann

Seine Liebe zur Wildnis entdeckte er in Australien. Im Amazonas-Dschungel lernte er Überlebensstrategien von Naturvölkern. Er arbeitete als Cowboy auf einer Rinder-Ranch in Kanada und ritt auf der Fluchtroute seiner Großeltern durch Rumänien: Daniel Suchefort ist wahrlich ein Abenteurer. Aber keiner, der mit den Erlebnissen prahlt. Eher einer, der lauscht, während er erzählt. Der 37-Jährige folgt seiner inneren Stimme. Und wer diese flüstern hört, hat offenbar auch ein besonderes Feeling für Pferde.

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Porträt Daniel Suchefort
Der inneren Stimme nach
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Der Leipziger sehnte sich in seinem Leben immer mehr nach Freiheit und Natur. Kein Wunder, dass Pferde Teil seiner Geschichte sind. Die Tiere halfen ihm letztlich auf dem Weg vom Beruf zu seiner Berufung: Daniel Suchefort fertigt Wanderreitsättel, Taschen und Lederaccessoires. Ohne Maschinen, alles in Handarbeit, alles nachhaltig. Seit 2017 macht er das – und sein Business lief wie von selbst an. "Mit meinen Produkten möchte ich Menschen inspirieren, ihr eigenes Abenteuer zu suchen, innere Weite zu spüren – und die Verbundenheit mit Pferden", erzählt er.

Portrait Daniel Suchefort
Bernd Widmann
„Ich möchte mich wohl fühlen mit meiner Arbeit und Menschen inspirieren zum Abenteuer mit Pferd.“

Alles begann in der Walachai. "Ja, diesen Landstrich gibt es wirklich." Er lacht. "Und er ist tatsächlich einsam und verlassen." Was trieb den jungen Mann dorthin? Und was hat es mit dem Sattelbau zu tun? Daniel Suchefort nimmt uns beim Besuch in seiner Werkstatt in Leipzig und beim Ausritt mit auf eine Reise durch sein Leben. Inspiration gefällig? Auf geht’s!

Er wollte weg vom Konsum und lernte von Naturvölkern

Daniel Suchefort ist eigentlich Ingenieur und Werkzeugmacher. Er arbeitete viele Jahre in der Produktentwicklung für Medizintechnik. Mit Ende 20 ging er für den Job nach Australien. In der freien Zeit zog es ihn ins Outback. "In der Wildnis ist mir bewusst geworden, welche Spur die Konsumgesellschaft vorgibt – und wie die Umwelt darunter leidet", erzählt er.

Der Ingenieur hinterfragte sich selbst und seinen Lebensweg. Schließlich entscheidet er: Ich möchte mehr über das ursprüngliche Leben erfahren. Also bricht Daniel Suchefort auf: Er reist über Tahiti, die Osterinseln bis Südamerika – und sucht dort Naturvölker. "Ich lernte, wie man im Dschungel überlebt. Dort herrscht so eine Vielfalt, aber es ist total schwierig, Essen zu finden." Immer wieder konfrontierte er sich mit seinen Ängsten: Höhe? Nicht so sein Ding. Aber in Kolumbien wagte er einen Gleitschirmflug. Die Gleitschirm-Verschlüsse mit Klicksystem nutzt er heute beim Bau seiner Sättel.

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Beim Gleitschirm-Fliegen entdeckte er Verschlüsse, die er für Satteltaschen nutzt.

Damit können Reiter im Nu die Satteltaschen anbringen und abbauen. "Das muss ja schnell gehen, wenn das Pferd sich nach einer langen Tour wälzen will", meint er. Seine Reisen waren Forschungsreisen für seine Produkte. "Das wusste ich zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht", sagt er.

Im Herzen ist Daniel Suchefort auch Tüftler. Irgendwann gingen ihm Palmen und Strand auf den Keks. Er träumte von Regenwetter und von der Arbeit mit Pferden. Als Kind hatte er Reiten gelernt. Auf die unschöne Art. Vor jeder Stunde saß er zitternd im Auto seines Vaters. Trotzdem machte er weiter.

Nach der Arbeit auf der Ranch war er Vegetarier

Nun ging es für ihn zum Cowboy-Kurs nach Kanada. Daniel Suchefort landete auf einer Rinder-Ranch. Diese war so groß wie halb Leipzig und lag irgendwo im Nirgendwo. Der nächste Ort war zwei Stunden entfernt. Als der Ranch-Chef am zweiten Abend weg musste, drückte er dem Praktikanten ein Gewehr in die Hand: "Bricht hier jemand ein, dann schießt du nach Gehör!", sagte er.

Das tat Daniel Suchefort nicht. Aber auf der Ranch erlebte er, wie nah Leben und Tod beieinander liegen – und wie Massenproduktion aussieht. Daher weiß er heute: Er will Qualität liefern, nicht Quantität.

Portrait Daniel Suchefort
Bernd Widmann
Hol das Lasso raus! Okay, aber nur fürs Foto. Daniel Suchefort war als Cowboy in Kanada, bevor er Sättel baute.

Täglich wurden Kälbchen geboren, erwachsene Tiere kamen zum Schlachter. Der Leipziger fing Angus-Kälber vom Pferd aus mit dem Lasso ein. Er trieb hunderte Rinder. "Vom Pferd gestürzt bin ich nie, aber ich habe den Hut verloren – das ist genauso schlimm", erinnert er sich. Cowboy-Ehre! An "Cattle-Drive-Tagen" musste er die Kälber festhalten: Jedes wurde geimpft, bekam eine Wurmkur, Brandzeichen und Ohrmarke. Die Bullen wurden kastriert, ohne Betäubung, per Messer. Alles dauerte nur wenige Minuten pro Kalb. "Es stank nach Rauch und war ziemlich traumatisch", erinnert er sich.

Portrait Daniel Suchefort
Bernd Widmann
Leder gibt es in verschiedenen Farbtönen. Ob er sie uns zeigen kann? Da lässt sich der Sattelbauer nicht lange bitten. Er hat ein Faible für das Material. Die Tastprobe ergibt: Wirklich super weich.

Danach war Daniel Suchefort Vegetarier – so wie der Ranch-Chef übrigens auch. Auf Leder als Material verzichtet er bei seinen Produkten jedoch nicht. "Es ist einfach langlebig und nachhaltig." Was ihm wichtig ist: Sein Leder ist pflanzlich gegerbt und offenporig. Die Oberfläche ist nicht behandelt. Die originale Hautschicht der Kühe bleibt sichtbar. "Ist das Leder einwandfrei, ist erkennbar, dass die Kühe frei auf Weiden liefen. Sonst sähe man immer Narben auf dem Leder", erklärt der Sattelbauer.

Portrait Daniel Suchefort
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In seiner Werkstatt setzt er Löcher für eine Naht.

Drei Monate lebte Daniel Suchefort auf der Ranch. Danach begab er sich auf die Suche nach seinen Wurzeln. Auf den tagelangen Ritten durch die endlose Landschaft war immer wieder die Frage in seinem Kopf aufgetaucht: Woher kommt es, dass mich so eine Art von Leben anzieht? "Ich beschäftigte mich also mit Ahnenforschung."

Seine Vorfahren kamen aus dem Schwabenland. Im 18. Jahrhundert waren sie bettelarm. In der Walachai in Rumänien, weit weg, fast schon am Schwarzen Meer, versprach Kaiserin Maria Theresia ihnen Land. Sie brachen auf und bauten sich dort ein Leben auf. Siedlungen mit rund 500 Bewohnern entstanden. "Es gab dort anfangs nichts als urbaren Boden. Das Leben war unfassbar hart", sagt Daniel Suchefort. "Erste Generation Tod, zweite Not, dritte Brot – das traf wohl zu."

Seine Großeltern mussten die Siedlungen im Zweiten Weltkrieg wieder verlassen. Hitler hatte es so angeordnet. Die Männer schickte er nach Stalingrad, Frauen und Kinder mussten nach Deutschland aufbrechen – und alles mühsam Aufgebaute zurücklassen.

Die Oma flüchtete mit Pferdekarren übers Eismeer

Daniel Suchefort sprach mit seiner Oma über die Flucht. Diese war auf der Donau unterhalb der Karpaten zunächst mit dem Schiff bis Wien gekommen. Dort kam sie in einem Kloster unter. Als die Russen einfielen, floh die Familie über Polen und zog mit Pferdekarrren über die zugefrorene Ostsee.

Daniel Suchefort flog also nach Rumänien, um die Orte seiner Familie zu besuchen. Auf einem Markt kaufte er zwei Pferde. Noch ohne Sattel ritt er von Dorf zu Dorf. "Ich hatte da schon die Idee, nach dem Ritt einen Sattel zu bauen. Auf der Tour wollte ich dazu forschen", erzählt er.

Portrait Daniel Suchefort
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„Nachdem ich auf der Fluchtroute meiner Oma geritten war, baute ich den ersten Sattel.“

Er ritt durch traumhafte Landschaften. "In den Buchenwäldern fühlte ich mich wie bei Herr der Ringe." Meist zeltete er. Seinen Proviant – trockene Bohnen, die er mit Wasser aufgoss – konnte er oft sparen: Die Leute in den Dörfern waren arm, aber gastfreundlich. "Ich kam in Dörfer, da war die Zeit gefühlt 300 Jahre zurückgedreht. Es gab keinen Strom, aber so grüne Kräuterwiesen. Die Pferde sind dort ausgeflippt vor Freude." Oft begleiteten Daniel Suchefort Männer ein Stück und wiesen ihm den Weg.

Von der Walachai ritt er auf dem Donauwanderweg weiter. Gefährlich waren vor allem freilaufende Hirtenhunde. "Ich hatte Pfefferspray dabei. Aber blieben die Pferde ruhig, verzogen sich die Hunde meist von selbst. Je mehr Zeit ich mit den Pferden unterwegs war, desto mehr wuchsen wir zu einem Team."

Portrait Daniel Suchefort
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Faden spannen, und los geht’s: Daniel Suchefort näht per Hand. Da sind Präzision und Geduld gefragt.

Nach zwei Monaten war die Tour vollendet. Die Pferde verschenkte er gegen ein Abendessen – in gute Hände. Ein Jahr später ritt er den Weg erneut: Diesmal mit seinem selbstgebauten Wanderreitsattel. Das handwerkliche Wissen eignete er sich selbst an. Nachhaltigkeit ist für ihn eine Herzensangelegenheit: "Es klingt komisch, aber in mir war fest verankert, dass nichts von mir die Natur belasten soll, falls mir unterwegs etwas geschieht." Keine Frage, dass auch der Sattelbaum ganz aus Holz und nicht aus Kunststoff ist.

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Der gelernte Ingenieur setzt auf natürliche Materialien wie Fell, Filz und Leder. Alles am Sattel ist nachhaltig. Taschen ergänzt er je nach Kundenwunsch.

Die Wanderreitsättel sind Präzisionsarbeit. Jede Naht setzt er per Hand. "Wenn du allein in der Wildnis bist, musst du dich 100 Prozent aufs Equipment verlassen." Die Satteltaschen sind innen mit Segeltuch vernäht. Dieses ist robust gegen Kratzer und formt die Tasche. Das Sattelpad besitzt eine Unterseite aus Filz. "Ich verwende es zugleich als Isomatte und schlafe darauf."

Eigentlich hatte Daniel Suchefort den Wanderreitsattel nur für sich gebaut. Doch schnell fragten Bekannte an, sie wollten ebenfalls ein Exemplar. Vier Jahre später hat er eine ganze Produktlinie für Reiter. Die Satteltaschen sind auch beliebt als Handtaschen für den Alltag. "Für eine Kundin baute ich ihre Aldi-Tüte aus Leder nach. Die ist richtig cool geworden", meint der Tüftler. Er fertigt noch eine Handvoll Sättel pro Jahr. Der Preis liegt zwischen 4.500 und 7.000 Euro.

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Fingerfertig: Diese Handtasche ist aus Sattelblattleder und handgemacht.

Auf dem Pferd sitzt Daniel Suchefort derzeit eher selten – er ist gerade Vater geworden. Als er aber beim CAVALLO-Termin den Rappen seiner Bekannten reitet, strahlt er: "Das ist wie das erste Mal wieder im Meer zu schwimmen." Wallach Callico schnaubt genüsslich. Toll, wie er so bepackt aussieht. Da bekommt man direkt Lust auf ein Abenteuer mit Pferd! Wo der Start ist? "Im Herzen", meint Daniel Suchefort. "Da beginnt das Wilde."

Kontakt

Portrait Daniel Suchefort
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Kontakt: Die Leder-Produkte von Daniel Suchefort gibt es in seinem Online-Shop: Sättel, Sattelzubehör, Taschen, Accessoires, Fahrrad-Zubehör sowie Hundeleinen und Halsbänder. Lust zu stöbern? Infos unter: inland-saddlery.com

Die Leder-Produkte von Daniel Suchefort gibt es in seinem Online-Shop: Sättel, Sattelzubehör, Taschen, Accessoires, Fahrrad-Zubehör sowie Hundeleinen und Halsbänder. Lust zu stöbern? Infos unter: inland-saddlery.com

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023