Pferd stirbt bei Dreh zu „Ringe der Macht“
Hero Merkel zur aktuellen Debatte um Filmpferde

Beim Dreh der Amazon-Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" starb ein Pferd an Herzversagen. Die Amazon-Studios bedauern den Fall, PETA fordert in einem Statement, auf echte Pferde in Filmen zu verzichten und auf Computeranimationen zu setzen. Wir haben mit Filmpferdetrainerin und Stuntreiterin Hero Merkel über den aktuellen Fall gesprochen.

Hero Merkel auf einem steigenden Pferd
Foto: Rädlein
Wie erklären Sie sich einen solchen Fall von Herzstillstand am Set?

Ich habe die Presse zu dem Fall gelesen und auch einen Stuntreiter kontaktiert, der am Set dabei war. Das englische Unternehmen "The Devil’s Horsemen", das beim Dreh die Pferde stellte, kenne ich nicht direkt persönlich. Sie sind aber für sehr gute Stunts bekannt. Ich habe Kontakt zu einem französischen Stuntreiter, der im Moment bei ihnen tätig ist und auch am Set dabei war. Er sagte, es sei eine natürliche Todesursache gewesen. Es sei auch eine Autopsie gemacht worden, aus der man wohl nicht wirklich viel ablesen konnte.

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Sehen Sie die Reiter oder Pferdetrainer in der Verantwortung für den Tod des Pferds?

Machen wir uns nichts vor, viele Stuntmen sind nicht zimperlich, und ich sehe da durchaus manches kritisch. Aber in diesem speziellen Fall ist nicht belegt, dass sie Schuld am Tod des Pferds haben. Generell kann Herzversagen verschiedene Ursachen haben. Es ist wahrscheinlicher, dass so etwas auftritt, wenn man ein Pferd beispielsweise untrainiert viel zu viel galoppieren lässt. Laut Medienberichten passierte das Herzversagen am Morgen während des Trainings für eine Probe, als der Reiter noch kein Kostüm trug und noch nicht gefilmt wurde. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es vor und am Anfang der Proben am Set meist noch recht gemütlich zugeht. Da reitet man eher noch im Schritt, damit sich das Pferd nicht aufheizt. Ein Herzversagen am Set könnte dann auch Zufall sein. Sicher beurteilen kann ich den Fall jedoch nicht, da ich nicht vor Ort war.

Wie berechtigt finden Sie die Kritik von PETA nach dem Fall und die Forderung, auf Pferde im Film künftig zu verzichten und nur noch auf Computeranimationen zu setzen?

Ich bin absolut bereit, kritisch darüber nachzudenken, ob man Pferde für den Film braucht. Ich selbst bin auch finanziell nicht davon anhängig, sondern habe weitere Standbeine. Das Vorgehen von PETA finde ich aber problematisch. Sie stürzen sich auf jedes Ereignis, um alles kaputt zu machen, wo Tiere beteiligt sind. Dabei stützen sie sich nicht auf Fakten in ihrer Argumentation. PETA hat auch vor den Toren meiner Shows schon demonstriert und argumentiert, es sei zu laut für die Pferde. Dass die Lautsprecher von der Manege weggerichtet sind und wir den Geräuschpegel dort messen, wurde nicht berücksichtigt. Ich finde: Wenn wir Pferde und andere Tiere künftig aus jedem Lebensbereich heraushalten, verlieren wir auch die Nähe zum Tier. Wir Tiertrainer haben am Set auch eine aufklärerische Rolle und bringen den Menschen, die am Film beteiligt sind, die Bedürfnisse der Tiere näher.

Gibt es Dinge, die Sie beim Einsatz von Filmpferden kritisch sehen?

Ja, natürlich gibt es die. Zum Glück hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Früher war es beispielsweise gang und gäbe, Pferde mit einem gespannten Draht oder mit präparierten Gruben, über die einfach galoppiert wurde, zu Fall zu bringen. In Deutschland ist so etwas heute verboten. Und man hat auch international mehr Bewusstsein dafür, dass man Pferden so etwas beibringen kann. Das Pferd lernt dann, wenn der Hals gebogen wird über die Schulter abzurollen. Ich persönlich mache auch das nicht, weil es trotzdem ein echter Stunt und eine zusätzliche Belastung für das Pferd ist. Ich kenne aber Reiter, die das aus einem schön versammelten Galopp mit möglichst geringem Risiko für das Pferd umsetzen. Ich persönlich versuche in solchen Fällen, mit dem Regisseur verschiedene Möglichkeiten zu klären. Das Schöne am Film ist ja, dass man nicht alles eins zu eins so filmen muss, wie es später im Film zu sehen ist. Durch geschickte Schnitte kann es zum Beispiel möglich sein, das Pferd nur aus dem Stand "stürzen" bzw. sich hinlegen zu lassen. Je nach Kameraperspektive und Schnitt kann das später aussehen als stürze das Pferd aus dem Galopp.

Wären strengere Vorgaben eine Lösung, um das Pferdewohl am Set zu verbessern?

In Deutschland sind die Standards schon sehr hoch und es gibt viele Auflagen. Deutsche Filmpferdetrainer werden sicher keine veralteten Methoden anwenden. Was aber passieren kann: Dass für deutsche Filmproduktionen Stuntmen und Pferde aus Billiglohn-Ländern eingesetzt werden, weil sie günstiger sind. Mein Anliegen wäre, mehr Augenmerk darauf zu legen, welchen Pferdetrainer, welche Tiere man für eine Produktion auswählt. Low Budget geht auf Kosten der Pferde. Leider wird da mit zweierlei Maß gemessen, zumindest habe ich diese Erfahrung bei Shows gemacht. Als Deutsche Trainerin brauche ich einen Nachweis nach Paragraph 11 Tierschutzgesetz zur Zurschaustellung von Wirbeltieren, sowohl für Shows, als auch für Dreharbeiten. Ich wurde auch immer wieder akribisch kontrolliert, beispielweise was die Pferdehaltung angeht. Wenn aber jemand aus dem Ausland kommt, kriegt das Veterinäramt das teilweise gar nicht mit. Da müssten die deutschen Behörden sich mal an der eigenen Nase packen und auch ausländischen Showreitern einfachere Möglichkeiten geben, die Berechtigung zu erwerben. Viele scheitern nämlich schon an der Sprachbarriere. Aber das kann für mich kein Grund sein, dass man in diesem Bereich ein Auge zudrückt und dann eben teilweise gar nicht kontrolliert.

Wer ist denn am Set für das Wohlergehen der Pferde zuständig und verantwortlich?

Es gibt immer einen Pferdetrainer oder eine fixe Bezugsperson pro Pferd am Set, die die Szene mit dem Pferd realisiert und auf das Wohlbefinden des einzelnen Pferdes achtet. Eventuell kommt ein Stuntreiter oder Double dazu. Dann gibt es den Horsemaster, der Pferdetrainer, Regisseur, Technik und das gesamte Team verbindet. Fakt ist, dass der Horsemaster die höchsten Befugnisse am Set hat, was Unterbrechungen und Pausen angeht. Kein Horsemaster ist gezwungen, irgendetwas gegen die Natur oder das Wohl des Pferds zu tun. In der Regel übernehme ich diese Rolle selbst, wenn ich am Set bin und nicht andere Aufgaben etwa als Double habe. Wenn ich einen Film mache, wird wirklich alles getan, damit die Pferde da sicher und entspannt wieder rausgehen können. Klar ist das aufwändiger und man macht sich in der Branche nicht nur Freunde damit, aber mir ist das sehr wichtig.

Ist die Belastung von Filmpferden höher als in anderen Pferdesport-Bereichen?

Ich denke, dass es den meisten Filmpferden nicht ganz so gut geht wie bei mir, aber trotzdem noch besser als vielen chronisch unterforderten Pferden. Pferde sind Bewegungstiere und es tut ihnen gut, wenn sie ausgelastet sind. Die meisten Stuntleute sind vielleicht nicht zimperlich, aber sie tun die Dinge nach bestem Wissen und Gewissen. Ein Pferd ist für sie etwas Kostbares, zumal, wenn es besondere Dinge kann. Die Pferde leben meistens sehr lange, es ist nicht so, dass man wie im Rennsport einen großen Verschleiß hat. So ein Stuntman hat meist wenig Geld und passt gut auf sein Pferd auf. Dreharbeiten sind wirklich nicht das Schlimmste, was man heute mit Pferden macht. Natürlich gibt es immer schwarze Schafe, aber das so radikal zu sehen wie PETA finde ich unberechtigt. Was ist die Alternative? Das wir Tiere komplett aus unserem Leben verbannen? Der Film hat so viel Potential, pferdefreundlich zu sein: Man hat mehrere Versuche, man kann gut planen, die Atmosphäre ist ruhig. Den Einsatz von Pferden ausgerechnet hier zu verbieten, halte ich für absurd. Man kann sicher noch an vielen Stellschrauben drehen, um das Pferdewohl am Set weiter zu verbessern – aber diese Chance müssen wir uns dann auch geben.

Hero Merkel ist Pferdetrainerin und tritt regelmäßig bei Shows und in Filmen auf. Zu ihrem Repertoire gehört auch das Stunt-Reiten. Mit ihren Pferden war sie bereits bei verschiedenen Produktionen wie dem Kinofilm "König Laurin" oder beim "Tatort" dabei. Hero Merkel steht für pferdegerechte Ausbildung und artgerechte Haltung und ist regelmäßig in CAVALLO als Expertin gefragt.

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Erscheinungsdatum 17.05.2023