Wer zu Katharina Schneidhofer in den Offenstall möchte, muss erst an ihren Bodyguards vorbei: bunt gescheckten Fressmaschinchen auf drei mal vier Hufen. „Die tun nichts“, ruft Schneidhofer – blonder Pagenkopf, pinkfarbene Allwetterjacke, Futtertasche umgeschnallt – hinter den Pferdekruppen hervor und schlängelt sich zwischen neugierigen Nasen hindurch ans Tor ihres Selbstversorgerstalls.
Dann geht’s direkt an die Arbeit. Vorhang, äh, Gatter auf! Die Manege liegt heute unterm grauen Himmelszelt, und statt auf hellem Sägemehl stehen Schneidhofers Podeste, Stangen und Kegel auf einer grünen Wiese mitten in der Steiermark. „Das Warten finden meine Pferde immer am schlimmsten“, sagt Schneidhofer, krault hier einen Hals, reibt dort sachte eine Nüster und schiebt sich an eifrigen Pferden vorbei auf den Platz.

70 Tricks haben die Pferde auf Lager
Sobald sie nämlich ihre prallvolle Leckerli-Tasche auf der Hüfte trägt, gibt’s für ihre Showpferde kein Halten mehr: Jetzt wollen sie zeigen, was sie können. Das Repertoire ist so bunt wie die Pferde selbst. Mehr als 70 verschiedene Tricks haben Amigo, Pepino und Calimero drauf. Freiheitsdressur und Zirkuslektionen sind ihre Spezialgebiete, das Longen-Intervalltraining Equikinetic, Horse Agility und klassische Dressur halten sie auf Trab.
An vielen Wochenenden touren sie durch Österreich und Süddeutschland – unterwegs zu Kursen oder Shows. Tinker Calimero und Shetty Pepino waren sogar schon im ORF-Fernsehen zu Gast. Gerade galoppiert Mini-Shetty Amigo in einer Acht um Schneidhofer herum, hopst übers Cavaletti, immer Schnute voraus dem Leckerli entgegen. Das steckt noch in der Faust von Katharina Schneidhofer, und die ist noch nicht fertig. Sie will noch schnell Betten machen. Mitten auf der Wiese!

Dort liegt die Matratze mit rotem Überzug, Kissen und Bettdecke parat. Rückwärts schiebt sich der Show-Mini an die Matratze heran, sitzt für Sekunden darauf. Ein sanftes Krabbeln am Widerrist und plumps liegt er flach wie eine Flunder – wäre da nicht in der Mitte der plüschige Kugelbauch, der sich zum Himmel wölbt. Dann schnappt Amigo hinter sich und zieht sich mit den Zähnen die Decke über den Kopf.
Kniffelige Tricks Schritt für Schritt einüben
Wie lehrt man denn so was? „Ach, ganz leicht“, sagt Schneidhofer und die Erklärung muss man ihr bei nahe aus der Nase kitzeln. Leicht sieht es zwar aus, wenn ihre Pferde mit dem Pinsel auf der Leinwand klecksen, Wäsche vom Ständer abhängen oder lässig auf Matratzen fläzen.
Der Kniff steckt wie immer im Detail: etwa beim exakten Einsatz und Timing von positiver Verstärkung wie Verlaufslob („brav“), Clicker- und Futterlob sowie Signalworten (wie „bring“). Spektakuläre Tricks zerlegt Schneidhofer – aus Gründen der Motivation – zudem immer in handliche Babysteps, die sie später Schritt für Schritt zur großen Show zusammenfügt. „Für das Hinlegen und Zudecken auf dem Bett müssen meine Pferde beispielsweise Apportieren und das Sitzen auf einem Kissen lernen.“

Sitzen auf dem Kissen lernen
Letzteres übt sie an einer stabilen Stallwand. Dicht davor packt sie Heuballen und darüber gut gepolsterte Sitzsäcke. Wichtig ist, dass das Polster dem Pferd über die Schweifrübe reicht. Dann dirigiert sie das Pferd sachte, Schritt für Schritt, mit viel Lob rückwärts, bis es das Kissen berührt. „Das ist der schwierigste Moment“, sagt Schneidhofer. Sie weiß: Viele Pferde haben Angst, hinten anzustoßen und erschrecken dabei. Sobald sich das Pferd aber richtig gegen das Polster lehnt und entspannt stehenbleibt, baut sie das Kissen etwas tiefer. „Und plötzlich sitzt das Pferd, weil es in den Hanken absinkt, den Rücken aufwölbt und Kontakt zum Kissen sucht.“
Natürlich gibt es auf dem Weg zum Ziel nach jedem Schritt ordentlich Lob. Und Leckerli. Zur Zirzensik kam die Österreicherin als Teenager über ihr erstes eigenes Pferd. Eine Traberstute, die weder Lust auf Dressur noch auf Springen hatte und anspruchsvoller war als die Pferde, die Schneidhofer kannte. „Mit Fabiola habe ich mich notgedrungen auf Neuland vorgewagt und an die Bodenarbeit rangetastet, um sie zu gymnastizieren und ihren Kopf zu fordern.“
Zirkuslektionen für ein besonderes Pferd
Ein Buch von Nathalie Penquitt und eines von Eva Wiemers und dann probierte Schneidhofer einfach aus, wozu sie Lust hatte. Was zirkusbunt klingt, ist handfest: Schneidhofer ist ähnlich vielseitig wie ihre Ponys. Über die Jahre hat sie diverse Abschlüsse in ganz unterschiedlichen Disziplinen gesammelt. Sie hat das Parelli-Level 4, das Centered-Riding-Ausbilder Level 1, hat eine Ausbildung in Dualaktivierung und Equikinetic bei Michael Geitner gemacht und neuerdings auch die Bodenarbeits- und Longenprüfung nach Bent Branderup in der Tasche – was als nächstes kommt? Mal sehen, das Leben steckt voller Möglichkeiten.

Aber auch voller Arbeit für die alleinerziehende Mutter. Raue, kräftige Hände verraten, wie sehr sie täglich anpacken muss: Den Stall macht sie „schon immer“ komplett selbst, sie wuchtet Heuballen, streut Späne, schleppt unhandliche Zirkuspodeste über den Platz und gerade jetzt schiebt sie ein blassblaues Moped in eine fotogene Position: „Amigo! Einsteigen!“, ruft sie freundlich über die Wiese und klappt die Tür auf, Amigo macht kleine Tippelschritte, eine Minidrehung (blitzschnell muss man gucken und fotografieren), schon sitzt er bequem auf seinem Polster und grinst beinahe frech aus dem Seitenwagen.
Dass er diese Nummer quasi von selbst anbot, ist typisch für Schneidhofers Showpferde-Truppe, die bewusst eigene Ideen einbringen darf: „Das motiviert für neue Tricks.“ Einer, der das besonders gut kann, ist Schneidhofers Seelenpferd Calimero. Ein Tinker, der sich elegant und beinahe leichtfüßig in feiner Anlehnung bis zu Piaffe präsentiert.
Vom Schlachtpferd zum Trick-Wunder
Dass Calimero als Eineinhalbjähriger mit einem Fuß auf dem Schlachtpferde-Transport nach Italien stand, heruntergekommen und so schlimm mit Mauke infiziert, dass er längere Zeit ärztlich betreut werden musste, kann man sich heute kaum vorstellen. Warum sie ihn damals vom Fleck weg kaufte? „Es hat einfach gleich Klick gemacht“, sagt Schneidhofer und streichelt Calimeros seidige, schwarze Nase.

Bei welchen Vorbildern spickelt sie gerne? Schneidhofer überlegt lange. Bei vielen Freiheitsdressur- und Horsemanship-Experten stöß t ihr die negative Verstärkung auf: „Die bauen Druck, mehr Druck und noch mehr Druck auf. Viele bekannte Leute klopfen kräftig mit der Gerte auf den Beinen herum, um die Pferde zu dirigieren, das finde ich unangenehm und nicht nötig.“ Lieber setzt sie einen feinen gleichbleibenden Reiz – etwa ein Kitzeln und wartet ab, bis das Pferd darauf minimalst reagiert. Den Moment belohnt sie und greift etwa direkt in den Futterbeutel.

Gute Futtermanieren als Voraussetzung
Der mächtige Motivator ist freilich mit Vorsicht zu genießen – sonst zieht man sich Bettler heran. Voraussetzung für sinnvolles Schlecki-Lob sind für Schneidhofer deshalb gute Futtermanieren. „Pferde müssen wissen, dass sie nur einen Keks bekommen, wenn ich vorher ein bestimmtes Markerwort benützt habe“, erklärt sie. Immer wieder beobachtet sie auf Kursen, dass Pferde ihre Besitzer aus Futtergier bedrängen und diese unbewusst ihr Gewicht verlagern oder gar ausweichen. „Gefährlich“, findet sie das. Und rät, lieber immer vom Körper weg zu füttern.

Noch besser: Pferde sollen auf ein Zeichen das Wegschauen lernen. Futter gibt es nur, wenn sie sich abwenden und nicht in Schneidhofers Tanzbereich drängen. So viel Mühe und Konsequenz muss sein. „Viele Leute finden Training ohne Druck ja ganz toll, manche verstehen das aber falsch. Man kann das Pferd nicht in Watte packen und immer nur lieb sein, bestimmte Basics wie den persönlichen Raum müssen Pferde respektieren, sonst hat man später ein Problem.“ Das gilt für sie auch bei Tricks wie dem Steigen. Schneidhofer wägt gut ab, mit welchem Typ Pferd und Reiter sie es zu tun hat. „Steigen können Pferde schließlich auch in anderen Situationen einsetzen – lasse ich mich als Mensch davon beeindrucken, wird es brenzlig.“

Levade statt Steigen für ängstliche Typen
„Ängstlichen Typen mit eher dominanten Pferden schlage ich vor, lieber die klassische Dressur und die Versammlung weiter zu fördern – daraus kann dann irgendwann eine schöne Levade werden“, sagt die Trainerin. Was auf der grünen Wiese in der Steiermark leicht aussieht, ist das Ergebnis harter jahrelanger Arbeit. Schneidhofer trainiert ihre Pferde täglich nach klar strukturiertem Programm auf dem Platz, an der Doppellonge, in den Dual-Gassen – denn auch die lustigsten Tricks stehen bei ihr auf einer grundsoliden Basis: Ihre Pferde sind körperlich und seelisch ausbalanciert und absolut im Gleichgewicht. Dafür gibt’s ein Extra-Schlecki.