Auf der Suche nach den Keltenponys
Gwyneth, Andy, Brill und Tom genießen ihren Feierabend vor dem Salutation Inn. Das alte Gasthaus mit dem Freisitz hat genug Platz für die vier Freunde. Zwei davon sind Pferde. Sie zupfen etwas Klee, während ihre Menschen sich ein Bier genehmigen. In einer Hand das Glas, in der anderen das Pferd am Strick, sitzen die Reiter am Tisch. Ein friedlicher Moment. Für mich ein gutes Omen. Schließlich reise ich durch Wales, um Pferden zu begegnen, wildlebenden Pferden allerdings. In den Bannau Brycheiniog sah ich welche, leider aber nur von Weitem. "Geh in die Carneddau-Berge! Dort wirst du mehr Glück haben", meint Gwyneth. Ich will’s probieren.
Durch die von Hufen geprägte Landschaft
Entlang der malerischen Pembrokeshire Coast fahre ich Richtung Norden. Am Abend stehe ich auf Conwys breiter, kilometerlanger Altstadtmauer. Sie ist genauso mittelalterlich wie all die Häuser und die Burg zu meinen Füßen. Links das Meer und rechts Eryri (Snowdonia), das "Land der Adlerberge", darunter auch die Carneddau (walisisch: "Die Steinhaufen"), Heimat der Welsh-Mountain-Ponys. "Wenn du zu denen etwas wissen willst, frag die Jones’ von der Tynllwyfan-Farm", rät mir der Wirt vom "Erskine Arms". Das werde ich.
Die See im Rücken, rolle ich auf schmalen Straßen durchs hügelige Weideland. In der Ferne grüne Gipfel, weiß betupft mit unzähligen Schafen. Klobige, natursteingraue Burgen, Brücken, Mauern und Häuschen mit zu großen Schornsteinen. Allmählich geht es aufwärts. Durch die Autofenster strömt der Duft von Kräutern, Gras und Heu, gemischt mit einem Hauch von Mystik und der Geschichte uriger Gemäuer und rätselhafter Steine. Ihr geheimnisvoller Zauber überträgt sich auf die ganze Landschaft. Gestaltet wird sie auch von Pferden. Mit Maul und Hufen lenken sie den Pflanzenwuchs, verhindern Erosion und schaffen Wege – schon seit Ewigkeiten.
Das Pferd in der keltischen Mythologie
Als ein Tsunami vor mehr als 8 000 Jahren das heutige Großbritannien endgültig vom Festland trennte, machte er auch dessen wilde Pferde zu Inselbewohnern. Die ersten domestizierten tauchten hier vor 4 000 Jahren auf. Europaweiten Ruhm erlangten sie als Kriegsrösser und Status-Tiere bei den Kelten. Das Reitervolk, das bis zur Invasion der Römer auf den Inseln lebte, imponierte seinen Feinden mit kleinwüchsigen, äußerst wendigen Pferden. Zogen sie die Kämpfenden zunächst samt Wagen nur bis auf das Schlachtfeld, mussten sie sich bald schon selbst mit ins Gemetzel stürzen. Statt Kleidung trugen dabei viele Männer nur die Kriegsbemalung, ritten und kämpften nackt auf bloßen Pferderücken. Der später von den Kelten erfundene Vierhornsattel wurde von den Römern übernommen.
In der keltischen Mythologie spielte das Pferd eine zentrale Rolle. Man verehrte seine Klugheit, Treue, Schnelligkeit und Stärke, nutzte es als Opfertier und Grabbeigabe. An vielen Orten wurde Pferdekult betrieben. Zu den bekanntesten zählt Uffington White Horse Hill im englischen Oxfordshire. Den Hügel mit dem über 100 Meter langen und fast 40 Meter breiten Monumentalbild eines stilisierten Pferds schufen die Kelten vor knapp 3 000 Jahren. Die tiefen, breiten Linien in dem leuchtend weißen Kreideboden sind bis heute deutlich sichtbar. Vermutlich ist das Werk der Pferdegöttin Rhiannon gewidmet.
Rassesteckbrief Carneddau-Pony
Herkunft: 2013 kam bei DNA-Tests heraus, dass die Carneddau-Ponys eine eigenständige alte Rasse sind. Entstanden aus den von Kelten domestizierten und dann verwilderten Kleinpferden. Die Ponys in den Carneddau-Bergen in Nordwales überlebten bis heute ohne genetische Fremdeinflüsse. Seit mindestens ein paar Jahrhunderten ist die Herde isoliert.
Aussehen: Die ein bis 1,10 Meter großen Ponys in allen Farben und mit dickem Winterfell haben kräftige Körper von stämmiger Gestalt, lange Mähnen und Schweife, kleine Ohren in Form von Salbeiblättern und einen starken Charakter. Sie sind etwas kleiner als die Welsh Mountain Ponys (Sektion A), haben dichtere Knochen und angeblich ein niedlicheres Gesicht, wirken aber wilder und rauer als ihre gezähmten Verwandten.
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