Dieser Stall ist völlig verschimmelt! Auf dem urigen kleinen Gehöft im Schwarzwald wimmelt es nur so von weißen Pferden. Sie gehören Sabrina Möller, die hier in Baden-Baden einen Kutschbetrieb führt. Dahinter steckt viel mehr, als Touristen und Hochzeitspaare durch die Stadt zu kutschieren.

Die 41-Jährige hat das Unternehmen "Kutschfahrten Baden-Baden" 2015 übernommen. Mit dem vorherigen Leiter Artur Roth verbindet sie fast ihr ganzes Leben: Mit sieben Jahren kam sie als Pferdemädchen auf seinen damaligen Hof, um reiten zu lernen. So hartnäckig, wie sie ihre Eltern überzeugen musste, dass es für sie kein Leben ohne Pferde gibt, verfolgte sie ihre reiterliche Karriere – bis zum Silbernen Reitabzeichen. Mit 14 Jahren bekam sie ihr erstes eigenes Pferd Tarino, mit dem sie im Springen bis zur Klasse M erfolgreich war.
Als Artur Roth 2009 für seinen Kutschbetrieb Personal suchte, schlug sie zu und entdeckte ihren Traumjob auf dem Kutschbock. Sie lernte zu fahren, absolvierte erst das kleine Fahrabzeichen, danach das Bronzene Zweispänner-, das Silberne Zweispänner- und das bronzene Vierspänner-Abzeichen. Nun ist sie die Chefin einer achtköpfigen Schimmel-Truppe und eines kleinen Teams aus vier Fahrern und vier Stallhelfern.

Die Schimmel bilden eine reine Männer-WG. Die Prachtkerle sind Schlesier: schwere Warmblüter, die nicht nur durch ihren selbstbewussten Charakter, sondern auch mit ihrer Kraft und Größe von rund 1,70 Metern Stockmaß beeindrucken. Die Jungs haben eine Menge Quatsch im Kopf. Sie angeln nach jedem Strick, der in der Nähe hängt, kauen jeden Gegenstand durch, den sie sich schnappen können, und wer eine Putzkiste neben sie stellt, kann sicher sein, dass der Inhalt mit pferdischem Ordnungssinn neu sortiert oder zum Auslüften auf dem Boden verteilt wird.
Draußen auf den Ausläufen graben sie die Drainagematten aus, zerlegen die Zäune oder hüpfen drüber, wenn sie sich von den Fliegen so sehr genervt fühlen, dass sie lieber in den Stall wollen. Und wenn zwei Kerle sich begegnen, fordern sie sich mit blitzenden Augen und gezückten Lippen zum lustigen Zwick-Spiel auf. Sabrina Möller sieht’s mit Humor: Auch wenn ihre Jungs manchmal furchtbar anstrengend sind, geben sie ihr immer wieder einen Grund zum Strahlen. Doch manchmal muss sie bei aller Liebe auch ein Machtwort sprechen. "800 Kilo Pferd können wir nicht im Dauer-Schmusekurs händeln. Regeln und Grenzen muss es geben", betont sie.
Ein neues Pferd im Team ist wie ein Überraschungsei
Ihre Pferde findet Sabrina Möller in der Regel bei Händlern. Ein neues Pferd soll optisch zum vorhandenen Team passen, bleibe aber ansonsten ein Überraschungsei, erzählt sie. Denn wenn das Tier bei der Probefahrt brav und "schusssicher" war, heißt das nicht, dass das zu Hause auch so ist. Selbst wenn die Herren selbstsicher daherkommen, werden sie vor der Kutsche manchmal zu kleinen Angsthasen.
"Mein Herakles zum Beispiel fand anfangs Gullideckel gruselig – aber nur die viereckigen", weiß die Kutscherin, "runde Gullideckel dagegen waren für ihn okay." Wie Herakles gewöhnen sich die meisten Pferde mit der Zeit daran, dass alle Gespenster, die ihnen auf ihren Wegen durch die Stadt begegnen, sie nicht fressen wollen. Kommt es doch mal vor, dass Sabrina Möller den Eindruck hat, dass ein Pferd mit einem anderen Job glücklicher wäre, sucht sie ein passendes neues Zuhause. Wallach Rakoczy etwa ist bei einer guten Freundin, Dressurausbilderin und CAVALLO-Expertin Christine Hlauscheck, gelandet. Sie hatte sich bei einem Besuch in ihn verliebt und konnte nicht widerstehen, als er zum Verkauf stand.
Feine Hilfen lernen die Pferde an der Doppellonge

Die meisten Wallache kommen im Alter von etwa drei bis vier Jahren zu Sabrina Möller. "Sie kennen es dann meistens schon, vor der Kutsche zu laufen, brauchen aber noch eine gründliche Ausbildung." Das Feintuning erarbeitet sie mit einem Grünschnabel an der Doppellonge, bevor sie ihn zusammen mit einem erfahrenen Kollegen für erste kurze Kutschenrunden einspannt; erst dann geht’s allmählich los mit ausgedehnteren Fahrten. Denn die Pferde müssen nicht nur mental und körperlich auf ihren Job vorbereitet werden. Damit die Fahrer sie sicher durch den Verkehr steuern können, muss die Kommunikation stimmen: Feine Hilfen sind das A und O.

Wie fein die Pferde auf ihre Hilfen reagieren, demonstriert Sabrina Möller mit Wallach Indigo an der Doppellonge. Zirkel, Schlangenlinien, Volten und Seitengänge gelingen wie von Zauberhand. Wobei die Kutscherin ihre Hände so flexibel einsetzt, dass es wahrlich magisch wirkt. Die Leinenführung entspricht grundsätzlich der beim Fahren und variiert je nach Lektion. Die Grundhaltung ist einhändig, in Seitengängen führt sie die Leinen mit breiten Händen (Arbeits- und Dressurhaltung, ähnlich der Handhaltung beim Reiten).
Bei Handwechseln greift sie mit beiden Händen um. Parallel wechselt sie ihre Position und die der Peitsche mit einer Leichtigkeit, die zeigt, wie viele Jahre Übung dahinterstecken. Für Otto-Normal-Longierer ein Mysterium, das Sabrina Möller aber gerne aufklären möchte: Sie arbeitet an Online-Kursen, in denen sie Schritt für Schritt erklärt, aus welcher Position und mit welchen Hilfen die Basisarbeit und spannende Übungen mit der Doppellonge funktionieren. Denn "wie das geht, wird bis jetzt in keinem Buch richtig gut beschrieben", findet sie.
Die Online-Kurse sind nur eines der vielen Projekte, die Sabrina Möller im Kopf hat. So tüftelt sie gerade mit der Rastatter Firma Satteltraum an einem Longiergurt aus Filz. Den Prototypen finden ihre Pferde jetzt schon viel komfortabler als einen herkömmlichen Ledergurt. Mit unterschiedlichen Aufbauten misst sie, bei welcher Handhaltung wie viel Druck über die Leinen im Pferdemaul ankommt.
Selbstgemachte Äpfelsäcke und geplante Elektrokutsche
Und bei den Kutschfahrten äpfeln ihre Pferde in selbstentworfene Säcke. Früher mussten die Kutscher immer absteigen, um die Hinterlassenschaften von der Straße zu sammeln, erzählt sie. Nicht ganz ohne, wenn Kunden in der Kutsche sitzen und kurzzeitig der Kutschbock nicht besetzt ist. Doch die üblichen "Apfeltaschen" gefielen ihr nicht, weil deren Gewicht zum größten Teil am Pferderücken lastete. Auch ihr Angebot will die 41-Jährige erweitern: Etwa mit einer Elektrokutsche, die auch bergigere Touren ermöglichen würde, da der Motor die Pferde nach Bedarf unterstützt. Sie ist bereits mit Firmen im Gespräch, die Kutschen entsprechend ausrüsten könnten.
Mit ihren vielen Ideen beschäftigt sich Sabrina Möller in der Wintersaison, wenn der Kutschbetrieb im Pausenmodus ist. Ihre Mutter hält ihr den Rücken vom Papierkram frei, damit die Tochter ihrem Forschergeist nachgehen kann und noch genügend Zeit für die Pferde, aber auch für ihre kleine Familie bleibt. Denn Sabrina Möller ist Mutter eines achtjährigen Sohns, dem es auf dem Kutschbock schnell langweilig wird; und ihr Mann kommt nur mal in den Stall, wenn es etwas zu reparieren gibt.

Zum Reiten kommt sie daher kaum, obwohl sie das für einen wichtigen Ausgleich hält. "Die Fahrpferde gewöhnen sich an, sich nach vorne zu stemmen und stehen etwas nach hinten heraus. Unter dem Sattel, aber vor allem bei der Arbeit an der Doppellonge achte ich darauf, dass die Pferde sich besser schließen und tragen, anstatt nur zu schieben", betont sie. Deshalb gehört die regelmäßige Doppellongen-Arbeit auch im Sommer unbedingt zum Training dazu. Selbst wenn es schwerfällt, denn die Zeit ist in der Hochsaison noch knapper: Zwei bis drei Kutschen sind dann im Einsatz, und Sabrina Möller muss viele Schichten selbst übernehmen. Denn Fahrer zu finden, die gut ausgebildet und lieb zu den Pferden sind, sei gar nicht so leicht, betont die Unternehmerin. Personal wird daher dringend gesucht!

Ein Tag mit Pferdekutsche
Bis zu sechs Stunden am Tag ist ein Gespann in der Hochsaison in Baden-Baden unterwegs. Dort lässt es sich jedoch gut aushalten, wie wir bei einer herrlichen Kutschfahrt erfahren: Prunkvolle Bauten, stimmungsvolle Alleen und grüne Parks prägen das Bild der von Hügeln umgebenen Kurstadt, in die die glänzende Kutsche mit den prachtvollen Schimmeln hervorragend passt. Regelmäßige Ruhepausen für die Pferde gehören dazu und werden penibel eingehalten, auch wenn neue Kundschaft bereits ungeduldig wartet. Selbstverständlich werden die Pferde zwischendurch auch getränkt und gefüttert.

Pausen für die Betriebsleiterin gibt es dagegen selten. Immerhin einen Urlaub im Jahr gönnt sich Sabrina Möller mit ihrer Familie. "Dann hänge ich aber trotzdem ständig am Handy", gibt sie zu. "Es passiert aber auch jedes Mal irgendwas!" Zum Beispiel, dass zwei Schimmel drei Tage lang vertauscht werden – die Pferde standen nicht nur vorübergehend in fremden Boxen, sondern wurden auch mit einem anderen als dem gewohnten Gespann-Kumpel losgeschickt. "Dann fiel doch auf, dass da etwas nicht stimmen kann, weil die Herren sich so anders verhielten als sonst", erzählt Sabrina Möller.
Die Wallache Aron und Indigo mit ihren charmanten Buben-Gesichtern wirken nach unserer Stadttour rundum zufrieden. "Ich glaube, dass viele Freizeitreiter unterschätzen, wie gut es den Pferden tut, wenn sie auch mal körperlich etwas leisten können", meint Sabrina Möller. Für sie selbst scheint das auch zu gelten. Doch sogar "Frau Düsentrieb" kann nach einem langen Tag den Feierabend genießen.
Kontakt
Eine Kutschfahrt durch die wunderschöne Weltkulturerbestadt Baden-Baden kostet ab 65 Euro. Mehr über Sabrina Möllers Angebot: www.kutschfahrten-baden-baden.de