Die EU will den strengen Schutzstatus des Wolfs auf den Prüfstand stellen. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel an. Die Konzentration von Wolfsrudeln in einigen europäischen Regionen sei zu einer echten Gefahr für Nutztiere und potenziell auch für Menschen geworden, so von der Leyen. Bis zum 22. September will die EU Daten zum Wolfsvorkommen und den Folgen aus ganz Europa sammeln. Sie hat dafür eine Meldestelle eingerichtet. Nach der Analyse könnten die strengen Regeln zum Schutz des Wolfs gelockert werden. "Auf der Grundlage der erhobenen Daten wird die Kommission über einen Vorschlag entscheiden, gegebenenfalls den Status des Wolfsschutzes in der EU zu ändern und den Rechtsrahmen zu aktualisieren. Dies könnte, sofern sich das als notwendig erweist, zu weiterer Flexibilität im Zusammenhang mit dem Umgang mit wachsenden Populationen dieser Spezies führen", heißt es in einer Mitteilung.
Bundesumweltministerin will Abschuss übergriffiger Wölfe erleichtern
Von der Leyen forderte die Kommunen auf, den schon jetzt bestehenden Spielraum für den Abschuss von problematischen Wölfen zu nutzen und "Maßnahmen zu ergreifen, wo immer es erforderlich ist". Zuvor hatte Bundesumweltministerin Lemke gegenüber der Zeitung "Die Welt" einen schnelleren und unbürokratischeren Abschuss von Wölfen gefordert, die bereits Weidetiere getötet haben. "Wenn Dutzende Schafe gerissen werden und verendet auf der Weide liegen, dann ist das eine Tragödie für jeden Weidetierhalter und eine ganz große Belastung für die Betroffenen. Daher brauchen sie mehr Unterstützung und Sicherheit", so Lemke. Die Grünen-Politikerin will bis Ende September konkrete Vorschläge zum Umgang mit dem Wolf machen.
Naturschutzverbände pochen auf Herdenschutz
Bundesagrarminister Cem Özdemir pflichtete Lemkes Forderung bei. "Es muss künftig leichter möglich sein, einzelne Wölfe und auch ganze Rudel zu entnehmen, die Herdenschutzmaßnahmen überwinden und Tiere töten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) forderten in der Debatte, den Fokus weiterhin auf Herdenschutz zu legen. "Essenziell ist, dass der Abschuss eines streng geschützten Tieres das letzte Mittel ist, falls keine zumutbaren Alternativen bestehen. Herdenschutz bleibt das A und O, vor Abschuss", so die Referentin für Wölfe und Beweidung des Nabu, Marie Neuwald.
Großer Wolfsangriff in Niedersachsen trotz Schutzzaun
Vor knapp zwei Wochen hatte ein mutmaßlicher Wolfsangriff im niedersächsischen Landkreis Stade für Aufsehen gesorgt. Aus einer Herde von 112 Schafen wurden 18 gerissen, 37 Tiere mussten nach dem Angriff eingeschläfert werden, 30 waren verletzt, zwei verschwunden. Die örtliche Kreisjägerschaft ging von einem Angriff durch mehrere Wölfe aus. Die Schafweide war mit einem wolfsabweisenden Schutzzaun umzäunt – wie ein oder mehrere Wölfe diesen überwunden haben, bleibt unklar. Womöglich habe ein Stumpf einer gefällten Eiche in Nähe des Zauns geholfen. Davon gehe ein Wolfsberater aus, erklärte Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft, gegenüber dem NDR.
Regionale Politik will Wolfsbestände verkleinern
Kai Seefried, Landrat von Staade, hatte sich nach dem Vorfall für ein regionales Bestandmanagement und eine wolfsfreie Zone an den Küsten ausgesprochen. Auch der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte sich erst kürzlich für eine regionale Wolfsregulierung starkgemacht. Die Forderungen nach einem aktiven Bestandsmanagement gehen über den Vorstoß der Bundesumweltministerin hinaus, die vor allem den Abschuss bereits auffällig gewordener Wölfe erleichtern will. Ende August gab die FDP-Bundestagsfraktion zum selben Thema ein Gutachten in Auftrag. Dieses kam zu dem Schluss, dass regionales Bestandsmanagement praktikabel sei und im Einklang mit europäischem Recht stehe. Nun könnten ohnehin Änderungen vonseiten der EU zum Schutzstatus des Wolfs kommen – bisher besagen die EU-Regeln, dass nur einzelne Wölfe nach Übergriffen abgeschossen werden dürfen.