CAVALLO: Ich musste ziemlich oft lachen, als ich Ihr Buch gelesen habe. Gleich zu Beginn zum Beispiel: Sie beschreiben Ihre ersten Erfahrungen mit dem Longieren. Die fanden Sie selbst aber nicht so witzig, oder?
Richard Hinrichs: Als ich vier Jahre alt war, durfte ich ab und zu die Longe mit festhalten, wenn mein Vater einen seiner Hengste longierte. Alleine konnte ich das selbstverständlich in diesem Alter noch nicht. Doch ich hielt unseren Foxterrier Benno als ungefährliche Alternative zu einem großen Pferd für sehr geeignet. In einem Rondell aus Rhododendron-Büschen, in dem ich übrigens damals täglich meine Steckenpferde trainierte (ich hatte ein halbes Dutzend von ihnen), nahm ich Benno an die Longe.
Aber der Hund wollte einfach nicht auf mein Kommando galoppieren. Stattdessen setzte er sich hin und war nicht mehr in Gang zu bringen. Nur Schritt und Trab fand ich langweilig, deshalb frustrierte mich das sehr. Bis sich mein Großvater als Ersatz anbot. Er war damals 78 Jahre alt, aber er galoppierte zuverlässig und ich war wieder glücklich.

Mit dem Shetlandpony, das Ihnen der Großvater schon nach Ihrer Geburt schenken wollte, hätte das bestimmt besser geklappt! Ihre Familie hat ihm sein Vorhaben allerdings ausgeredet. Dennoch, Pferde gehörten zu Ihrem Leben, als Sie noch in der Wiege lagen – dank Ihrer Eltern, die begeisterte und gute Reiter waren. Wie war das für Sie?
Als meine Mutter mit mir als Neugeborenem aus dem Krankenhaus kam, war das erste, was sie getan hat: Sie hat mich in den Stall getragen und mir unsere Pferde vorgestellt. Später soll ich aus dem Kinderwagen, der am Reitplatz stand, wenn meine Eltern ritten, immer geschnalzt haben.
Obwohl die Pferde immer in greifbarer Nähe waren, haben beide mich für meinen Geschmack viel zu viel von ihnen ferngehalten. Als ich noch klein war, weil sie Angst hatten, dass ich Dummheiten mache – ja, und später eigentlich auch. Mit der Schule und den Lehrern konnte ich mich nie wirklich anfreunden und manche Noten sorgten bei meinen Eltern nicht für große Begeisterung. Reiten durfte ich nur noch, wenn ich es mir verdient hatte: Für die Note "sehr gut" gab es zwei Reitstunden und für die Note "gut" eine.
Das war viel zu wenig! Ich sah also keine andere Möglichkeit, als heimlich mit den Pferden zu arbeiten, wenn meine Eltern nicht da waren. Anschließend habe ich jedes Mal die Reitbahn wieder ordentlich glatt geharkt, damit meine Experimente keine verräterischen Spuren hinterlassen.
Experimente? Das klingt spannend. Was haben Sie denn mit den Pferden heimlich ausprobiert?
Manches, was ich heute so nicht mehr machen würde (lacht). Ein Beispiel will ich Ihnen erzählen: Mit unserer Lipizzanerstute Virtuosa wollte ich Courbetten üben. Leider rutschte ich dabei aus dem Sattel, landete auf dem Boden und bekam keine Luft mehr. Das hat lange wehgetan, aber ich durfte mir ja nichts anmerken lassen. V
or ein paar Jahren wurde zum ersten Mal mein Rücken genauer untersucht. Der Arzt meinte zu mir, da hätte ich ja wohl mal etwas abbekommen, aber das sei schon sehr lange her. Meine unvernünftige Aktion mit Virtuosa bescherte mir damals tatsächlich eine kleine Fraktur an der Wirbelsäule!
Sie haben viel auf sich genommen, um mit den Pferden zusammen sein zu können. Für Kinder von reitenden Eltern ist das aber oft nichts Besonderes. Warum ist das bei Ihnen anders?
Ich denke, meine Sucht nach den Pferden und dem Reiten begann, als ich vier Jahre alt war. Mein Vater setzte mich damals auf die Lipizzanerstute Barina und ließ sie an der Hand piaffieren.
Den gleichmäßigen, weich schwingenden Takt zu spüren, war so grandios, dass ich dieses Gefühl in meinem Leben nie mehr vergessen habe. Bis ich ein Pferd selbst so weit ausgebildet hatte, mussten jedoch noch 30 Jahre ins Land gehen.
Sie sind nun schon einige Jahrzehnte reiterlich aktiv. Ihre Wissbegier und Neugier über die Reitkunst hat Sie zu vielen Reiterpersönlichkeiten geführt. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Viele haben mir neue Facetten der Reiterei vermittelt, die ich ohne sie vielleicht nicht entdeckt hätte. Sie alle waren Persönlichkeiten, die nicht in der grauen Masse untergingen. Egon von Neindorff war mein Idol als Jugendlicher. Werner Stemmwedel hat mir die Freude am Springen gezeigt und Kurt Albrecht hatte geniale Ideen. Bis heute ist es für mich ein großes Glück, mich mit anderen Pferdemenschen austauschen zu können.
Die Freude am Reiten und das Wissen darüber, dass dazu Erfolge und Misserfolge gehören, verbindet uns. Beim Reiten gibt es zwischen den Höhepunkten immer Durststrecken. Das versuche ich heute auch meinen Schülern zu vermitteln. Jeder kann reiten lernen, wenn er Freude daran hat. Ich selbst als Reiter bin nur mit einem mittleren Talent gesegnet, aber dafür mit viel Durchhaltevermögen und Fleiß.
Waren Sie also ein schwieriger Reitschüler?
Ich denke, Neindorff hat vielleicht mein Talent vermisst, aber meinen Fleiß geschätzt. Stemmwedel hatte Freude an mir, weil er sie in mir gesehen hat. Und so geht es mir heute auch.
Ich habe mal einen Reiter unterrichtet, der sich viel Mühe gab, aber sich schrecklich schwer tat. Ein ehemaliger Reitschüler von mir – inzwischen sehr erfolgreich – sah zu und fragte mich, ob ich mir das wirklich antun müsse. Ich antwortete: "Als Sie bei mir angefangen haben, war das genauso."