Kommentar
Schluss mit den Schlaufzügeln auf Abreiteplätzen

Reiter hoher Klassen dürfen auf Springturnieren noch immer mit Schlaufzügeln abreiten. Damit sollte besser heute als morgen Schluss sein.

Zusammengezogenes Pferd mit Schlaufzügeln
Foto: Tönnies

Anfang dieses Jahres machte ein medialer Knall der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) Dampf: Der Fernsehsender RTL veröffentlichte ein Video, das Ludger Beerbaum beim Springtraining zeigte – ob er seine Pferde darin mit Stangen barren oder lediglich "touchieren" ließ, war anschließend Gegenstand hitziger Debatten und langwieriger Analysen. Heraus kam schließlich ein Verbot des sogenannten Touchierens. Es war eine längst überfällige Entscheidung.

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Bereits ein Jahr zuvor hatte das FN-Präsidium eine Experten-Kommission mit dem Auftrag einberufen, das Touchieren bzw. kritische Ausbildungs- und Trainingsmethoden auf den Prüfstand zu stellen. Deren gibt es weitere, die die FN dringend angehen muss – und zwar am besten jetzt aus eigenem Antrieb, ohne einen handfesten Skandal als Zugpferd.

Als erstes sollte die FN Schlaufzügel von den Abreiteplätzen verbannen. Sie sind laut der Leistungsprüfungsordnung der FN auf dem Vorbereitungsplatz seit 2018 nur noch ab Klasse M** zulässig – genauso wie die Verwendung einer beliebigen Zäumung (ein weiteres leidiges Thema).

Gefahren des Schlaufzügels sind der FN bewusst

Das Thema Schlaufzügel wird auch bei der FN diskutiert. Das zeigen die Formulierungen in den Richtlinien für Reiten und Fahren Band 2. Deutliche Mängel in der allgemeinen Durchlässigkeit von Springpferden müssten durch langfristig angelegte, systematische Arbeit ausgeglichen werden, heißt es dort. Dazu werde von einigen Reitern der "viel diskutierte" Schlaufzügel verwendet. Akzeptabel sei dies nur, wenn er ähnlich wie ein richtig verschnallter Dreieckszügel wirke, "an dem sich das Pferd abstoßen kann und mit leichter Anlehung ,belohnt‘ wird." Auch die Gefahren des Schlaufzügels nennen die Autoren der Richtlinien: "Bei zu starker, beizäumender Anwendung wirkt er nachteilig auf das Gleichgewicht, die Losgelassenheit und die Rückentätigkeit des Pferdes." Der Schlaufzügel habe eine kraftverstärkende Wirkung. "Deshalb wiederspricht er im Prinzip den in den ,Richtlinien für Reiten und Fahren‘ erläuterten Grundsätzen." Ein Zusammenziehen des Pferds sei tierschutzwidrig.

Warum die FN vom Schlaufzügel nicht ganz abrät, wenn er den eigenen Grundsätzen "im Prinzip" widerspricht, ist ohnehin fraglich. Doch dass sie seinen Einsatz auf Abreiteplätzen weiterhin erlaubt, bleibt völlig unverständlich. Eine systematische und langfristige Korrektur von Pferden findet nicht auf dem Abreiteplatz statt, soviel ist klar. Weist ein Pferd deutliche Durchlässigkeitsmängel auf, zu deren Korrektur Schlaufzügel laut FN in Einzelfällen akzeptabel sein könnten, ist es in einer Turnierprüfung der Klasse M** fehl am Platz – doch genau hier sind die Schlaufzügel vor der Prüfung erlaubt. Es bleibt zu vermuten, dass man sich ausgerechnet mit den Reitern der hohen Klassen nicht ins Gehege kommen möchte.

Greifen Reiter hoher Klassen zum Schlaufzügel, hat das Signalwirkung

Eine Zurückhaltung, die nicht nur den Pferden, sondern dem Reitsport generell schadet: Nicht selten sind Reiter höherer Klassen Vorbild für andere. Greifen sie zum Schlaufzügel, weil es erlaubt ist, hat das Signalwirkung. Das gilt auch für internationale Prüfungen, bei denen Schlaufzügel auf dem Abreiteplatz durch das dann geltende Regelwerk der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) nicht verboten sind. Dass Reiter beim Abreiten für internationale Prüfungen sogar mit Schlaufzügeln über Sprünge gehen, ohne dass es Konsequenzen gibt, ist umso erschreckender (siehe auch Interview mit Dr. Kirsten Tönnies).

Schlaufzügel werden auf Abreiteplätzen selten so eingesetzt, dass es dem in den FN-Richtlinien genannten akzeptablen Rahmen entspricht – das haben Besuche von CAVALLO und unseren Experten auf Turnieren immer wieder gezeigt. Und auch die FEI dürfte die Bilder auf den Abreiteplätzen nicht zulassen, wenn die Rede vom Pferdewohl als oberste Priorität in ihrem Regelwerk mehr als hohle Phrase sein soll. Schlaufzügel sind aus unserer Sicht generell unnötig und unfair dem Pferd gegenüber – auf dem Abreiteplatz von Turnieren jedoch umso mehr. Sie völlig von dort zu verbannen, ist ein überfälliger Schritt.

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6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023