Kommentar
Schluss mit überholten Trainingsmethoden

Ein Skandal jagt im Moment den nächsten. Wir sagen: Schluss mit Trainingsmethoden, die nicht mehr zeitgemäß sind. Pferdetraining gehört auf den Stand der Wissenschaft. Gute Traditionen gilt es dabei zu bewahren.

Männerhände und Pferd mit Knotenhalfter
Foto: Symbolfoto: Rädlein

Es reicht aktuell mit Skandalen in der Pferdeszene. Wann können wir unser geliebtes Hobby endlich von seiner besten Seite zeigen? In den vergangenen Wochen folgte ein Skandal auf den nächsten: Erst löste Uwe Weinzierl bei den "Pferdeprofis" das Verladeproblem einer Stute auf wenig sensible Art mit handfestem Einsatz von Knotenhalfter und Stick, dann sorgte Western-Urgestein Kay Wienrich mit einem gehobbelten Pferd auf der Equitana für Empörung und schließlich tauchten Videos auf, die unschöne Szenen im Pferdetraining von Pat Parelli zeigen: Bei einem Live-Event in den USA bändigte er Wildpferde mit um den Hals-Genick-Bereich gelegten Seilen. Ach ja, und zwischendurch veröffentlichte die Deutsche Reiterliche Vereinigung FN, dass sie das Verfahren gegen Ludger Beerbaum nach den Barr-Vorwürfen einstellt – mit erstaunlich wenig Resonanz.

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Pferdetrainer müssen selbstkritisch sein

Was alle diese Fälle eint: Es geht um Methoden, die nicht mehr zeitgemäß sind. Nicht, dass heftige Einwirkung Pferde früher weniger geschmerzt und psychischer Druck sie weniger verängstigt hätte – doch heute wissen wir viel mehr darüber, wie fein Pferde wahrnehmen und kommunizieren. Grund genug, überholte Ansätze auch so zu benennen und die Finger von ihnen zu lassen. Freizeitreiter – und diese sind eine wichtige Klientel für Horsemanship-Trainer – beschäftigen sich heute als Hobby mit Pferden, wünschen sich eine enge Beziehung und einen positiven Umgang.

Diesen nur für sich zu proklamieren, reicht nicht: Trainer sind in der Pflicht, immer wieder zu prüfen, ob ihr Vorgehen noch auf dem neuesten Stand der Forschung ist, ob es ethisch vertretbar ist. Selbstkritik ist angezeigt: Nur weil etwas lange so gemacht wurde, ist es nicht zwangsläufig richtig und gut. Stets weiterzulernen, für die Pferde an sich selbst zu arbeiten – das ist es schließlich, was einen guten Pferdemenschen, einen echten Horseman ausmacht.

Wild-West-Methoden wie Zerren und Ziehen sind ein No-Go

Doch Weinzierl will genauso weitermachen wie bisher, Kay Wienrich ist vom Hobbeln überzeugt und als Reaktion auf die problematischen Video-Ausschnitte in den sozialen Medien hieß es von "parellinaturalhorsemanship", man solle sich das gesamte Video des Events anschauen. Wen man nur einen flüchtigen Eindruck von einer Situation habe, könne deren Wahrnehmung verzerrt sein. Doch auch wenn es nur einen kleinen Teil des Trainings ausmachte: Dieses Zerren am empfindlichen Hals des Pferds ist ein No-Go. Wir sind schließlich nicht im Wilden Westen.

Kay Wienrich verteidigte sich in den sozialen Medien gegen Vorwürfe: Das Hobbeln diene der Desensibilisierung der Pferdebeine und könne Unfallrisiken senken, wenn das Pferd mal in einen Draht oder ein Heunetz trete. Nicht nur die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) bezeichnet das Hobbeln von Pferden, um ein Weglaufen im freien Gelände zu verhindern, in ihrem Merkblatt zur Haltung und Vorführung von Pferdeartigen als verboten. Auch die Vereinigung der Freizeitreiter und -Fahrer in Deutschland VFD lehnt diese Fixierung ab. Sicher, Wienrich zeigte das Hobbeln nicht im Gelände, sondern in einem umzäunten Ring, das Pferd blieb gelassen. Dennoch sind Schreckreaktionen nie auszuschließen, und dann droht dem Fluchttier Pferd mit gefesselten Beinen erhebliche Gefahr. Eine Maßnahme zur Unfallminimierung darf nicht selbst wiederum unkalkulierbare Risiken im Moment des Trainings bergen.

Prominente Trainer, Methoden aus der Mottenkiste

Eine andere Trainingsmethode, die schon viel länger ausrangiert gehört hätte: das sogenannte Touchieren von Pferden am Sprung mit Stangen. Nach dem Hin und Her über Barren oder Touchieren im Fall Beerbaum hat das auch die FN erkannt und "Touchieren" verboten. Das Disziplinarverfahren gegen Ludger Beerbaum stellte die FN kürzlich ein: Sie konnte keinen Nachweis dafür finden, dass dem Pferd in der analysierten Videosequenz erhebliche Schmerzen zugefügt wurden. Beerbaum hatte sich nach den Vorwürfen mit einem Statement verteidigt: "Es handelt sich dabei um erlaubtes Touchieren, das von einem erfahrenen, routinierten Pferdefachmann durchgeführt wurde. Der im Video zu sehende Gegenstand erfüllte die Vorgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung für ein zulässiges Touchieren: nicht länger als drei Meter, maximal zwei Kilogramm schwer." Nur: Auch Touchieren stand damals bereits in der Kritik. Beerbaum kümmerte das offenbar nicht weiter.

Dass sich prominente Ausbilder und Reiter zu anachronistischen Methoden bekennen, die in die Mottenkiste gehören, ist traurig. Training durch Schmerz und pures Unterwerfen oder mit unnötigen Risiken hat am Pferd nichts zu suchen. Showeffekte, Selbstdarstellung und sportliche Leistungssteigerung rechtfertigen das nicht. Die öffentliche Kritik ist berechtigt und kein "Wendykram".

Erhaltenswerte Traditionen mit neuem Wissen anreichern

Wenn wir unser Hobby auch nach außen von seiner besten Seite zeigen wollen, müssen wir genau prüfen, welche Traditionen erhaltenswert sind und welche nicht. Es ist ein Paradox, dass die Pferdewelt einerseits zurückfällt in gestrige Trainingstaktiken, und sich andererseits von klassischen Grundsätzen verabschiedet.

Die Klassische Reitlehre in Deutschland wurde gerade von der Deutschen Unesco-Kommission zum Immateriellen Kulturerbe erklärt, gleichzeitig wird immer seltener nach ihren Grundsätzen gearbeitet. Lassen wir die Trainingsmethoden wieder aufleben und pflegen, die den Pferden dienen – egal ob sie aus der Deutschen Reitlehre, dem Horsemanship oder den Arbeitsreitweisen stammen. Und reichern wir sie an mit neuem Wissen, das dank engagierter Forscherinnen und Forscher immer weiter wächst. Widerlegtes und Überholtes lassen wir links liegen. Dann sind wir für unser schönes Hobby auf einem sehr guten Weg.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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