- Hohle Seite trainieren
- Kraulen auf der Kruppe heißt: Pause!
- "Clickertraining ist Routine ohne Langeweile"
- Abäppeln für die Beziehungspflege
- Sich regelmäßig filmen lassen
- Aufhören, sobald eine Lektion besser wird
- Führen zu Beginn und am Ende eines Ausritts
- Tief dehnen nach dem Aufsteigen
- Die schlimmsten Routinen
- Diese Routinen gibt es in der Natur
Hohle Seite trainieren
Für meine Aufwärm-Routine muss ich wissen, auf welcher Seite das Pferd hohl und auf welcher es steif ist. Reiten Sie zur hohlen Seite gebogen einen Zirkel, drängt das Pferd eher nach außen. Liegt die steife Seite innen, verkleinert es den Zirkel. Zu dieser Seite biegt sich das Pferd schlechter, denn seine hohle, also verkürzte Seite liegt dann außen und muss sich dehnen. An der Schiefe will ich arbeiten.
Zu Beginn des Trainings reite ich zunächst Schenkelweichen so, dass die hohle Seite außen ist. Ich nehme den äußeren Zügel etwas an, auf der inneren Seite habe ich weniger Kontakt, gebe nur Stellung. Das Pferd soll außen Kontakt suchen und kauen.

Danach reite ich je nach Ausbildungsstand des Pferds Schulterherein oder lasse es übertreten. Die hohle Seite liegt dabei immer außen, wird also gedehnt. Auch Travers und Renvers sind häufig mit dabei. Ich gleite so von einem Seitengang in den nächsten. Zwischendurch lasse ich das Pferd halten und rückwärtsrichten, um es schon etwas mehr aufzurichten und die Hanken zu beugen.
Zur hohlen Seite gebogen reite ich die Seitengänge wenig. Wenn ich sie viermal zur steifen Seite gebogen abfrage, dann nur einmal zur hohlen Seite. Das können die Pferde ohnehin im Schlaf.

Anja Beran ist Ausbilderin für klassische Dressur und steht für feine Pferdeausbildung. Auf Gut Rosenhof in Bidingen/Bayern schult sie Pferde und Menschen. www.anjaberan.de
Kraulen auf der Kruppe heißt: Pause!
Ich habe eine Kraul-und-Abschalt-Routine beim Training. Es geht dabei darum, dass auch der Kopf abschalten kann und nicht nur der Körper stehenbleibt. Das Pferd soll innerlich nicht nur auf das nächste "Go" warten. Das ist ja keine wirkliche Pause. Dazu kraule und kratze ich die Pferde in der Pause oben auf der Kruppe. Da komme ich vom Boden und aus dem Sattel gleichermaßen gut ran und die Pferde lieben es, weil sie da selber nur sehr schwer hinkommen.
Das Kraulen an dieser Stelle signalisiert: "Spitzenleistung bis jetzt, und nun gerade mal völlig runterfahren." Die Pferde nehmen das supergut an, lassen den Hals fallen, atmen ruhiger und kommen wirklich zur Ruhe. Das ist besonders schön für etwas hitzige Pferde oder Kandidaten mit viel Blutanteil, die sich gerne mal in die Bewegung hineinsteigern und drei Tage am Stück durchgaloppieren könnten.
Wichtig ist, dass auch der Mensch eine innere Entspannungshaltung einnimmt: Körperspannung raus, tief und ruhig atmen und nicht an den nächsten Trainingsschritt denken, sondern ganz bewusst für eine Minute alles abschalten. Danach geht’s dann umso erfrischter weiter.

Christine Hlauscheck ist Dressurausbilderin, ihr Steckenpferd ist die Biomechanik. Sie hat das Trainingskonzept "Kreis-Meister" entwickelt. www.christine-hlauscheck.de
"Clickertraining ist Routine ohne Langeweile"
Clickertraining nutze ich jeden Tag mit meinen Pferden. Sie kennen genau den Ablauf von Aufgabe, Lösung, Click und Belohnung. Trotzdem wird das garantiert nicht öde. Wenn wir mit Futterlob arbeiten, gibt es fürs Pferd keinen langweiligen Trott.
Welches Pferd würde denn beim Grasen sagen: Ach ne, schon wieder ein Grashalm. Nach jedem Schritt folgt ein Grasbüschel, im Clickertraining nach jeder Aufgabe eine Futterbelohnung beziehungsweise ein Click.

Macht ein Pferd nicht richtig mit, ist die Erklärung "Langeweile" eher eine Interpretation des Menschen. Meist ist es dann so, dass sich die Aufgabe fürs Pferd nicht lohnt. Entweder ist also die Belohnungsrate zu gering oder die Aufgabe zu schwierig.
Finde ich dagegen die passenden Trainingsschritte, die ich einzeln belohne, hat das Pferd auch an neuen Aufgaben Freude und kann in einen richtigen Flow kommen – das ist für mich das Gegenteil von langweiliger Routine.

Nina Steigerwald ist Clickertrainerin und bietet ihren Pferden mit Horse Agility und selbstgebauten Wippen viel Abwechslung. www.steigerwald-t.de
Abäppeln für die Beziehungspflege
Wer regelmäßig Stalldienst machen muss, erwischt sich sicher öfter mal dabei, die lästige Bollensammlerei möglichst schnell hinter sich bringen zu wollen. Mein Tipp: Versuchen Sie mal, diese Routinearbeit nicht als isoliert vom Kontakt mit Ihrem Pferd zu sehen.
Während Sie missmutig die Weide abäppeln, beobachtet Ihr Pferd Sie nämlich genau. Es sieht, wenn Sie leicht genervt sind und versteht nicht, warum Sie nach getaner Arbeit scheinbar einen Schalter umlegen.

Machen Sie den Dienst mal in Ruhe und versuchen dabei, den Rhythmus der grasenden Pferde zu übernehmen. Wandern Sie langsam von einem Haufen zum anderen, wie die Pferde von Grasbüschel zu Grasbüschel.
Suchen Sie ab und zu Blickkontakt zu den Pferden, achten Sie auf die Tiere um sich herum. So wird das Abäppeln von der gemeinen Pflichtübung zur gemeinsamen Zeit.

Marc Lubetzki ist Wildtierfotograf und verbringt einen großen Teil seiner Zeit mit wildlebenden Pferden in der Herde. www.marc-lubetzki.de
Sich regelmäßig filmen lassen
Das beste Mittel, um zu herauszufinden, ob ich zu viel oder zu wenig Routine im Training habe, ist für mich, den Fortschritt zu überprüfen. Lassen Sie sich doch regelmäßig alle vier Wochen beim Reiten mit dem eigenen Pferd filmen: in allen Gangarten, vielleicht mit den wichtigsten Lektionen. Fragen Sie sich: Können mein Pferd und ich Dinge, die wir vor vier Wochen noch nicht konnten?
Wenn Sie immer auf einem Stand bleiben, ist das oft ein Hinweis auf zu viel oder zu wenig Routine. Wer nicht an einem Thema dranbleibt, weil er montags ausreitet, Dienstag immer Springstunde ist und Donnerstag Schrecktraining, der hat zu wenig Routine. Wer dagegen immer das gleiche macht und keine neuen Herausforderungen oder Übungen einbaut, der behindert seinen Fortschritt durch zu viel Routine.

Neben den Videos hilft auch regelmäßiger Austausch mit einem Trainer oder anderen Reitern. Auch ein Pferdetausch bringt oft neue Erkenntnisse und hilft aus Trott oder konfusem Training: Woran würde der andere vermehrt arbeiten, welche neuen Lösungsideen hat er?

Svenja Braun ist Pferdewirtschaftsmeisterin Gangreiten, IPZV-Trainerin A und Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners. www.svenja-braun.com
Aufhören, sobald eine Lektion besser wird
Gerade im Westernreiten ist es sehr wichtig, dass das Pferd mitdenkt und vom Reiter angefragte Aufgaben selbstständig weiter ausführt. Diese Signalreitweise hat ihre Ursprünge in der Arbeit mit dem Pferd.
Auch da war es wichtig, dass das Pferd genau weiß, was es tut, seine Aufgabe verstanden hat und sich sicher fühlt. Also Routine im positiven Sinne hat! Das Arbeitspferd, aber auch das heutige Turnierpferd, muss Lektionen auch unter schwierigen Bedingungen abrufen können.
Um genau diesen Grad an Routine, aber keinesfalls Langeweile oder Überforderung, zu erreichen, übe ich Lektionen nach einem festen Schema: Ich reite eine Lektion so lange, bis das Pferd sie besser ausführt. Ist schon der zweite Versuch besser als der erste, höre ich auf, genauso wenn der erste Versuch bereits wie gewünscht geklappt hat.
Eventuell frage ich die Übung später im Laufe der Einheit nochmal ab, aber keinesfalls sofort und niemals so lange, bis das Pferd schlechter wird. Außerdem muss das Pferd nicht jede Übung jeden Tag zeigen: Kann ein Pferd einen sicheren Sliding Stop, frage ich den nur alle zwei, drei Tage einmal ab.

Linda Leckebusch-Stark ist Trainerin A im Westernreiten und erfolgreiche Turnierreiterin. Ihre Pferde gehen oft ins Gelände. www.leckebusch.com
Führen zu Beginn und am Ende eines Ausritts

"Das erste und letzte Stück des Ausritts führe ich immer, um die Beziehung zu stärken." So sehe ich, wie mein Pferd an diesem Tag drauf ist, schone seinen Rücken, und es ist ein schönes Zeichen von Respekt. Natalie Steinmann, Redakteurin.
Tief dehnen nach dem Aufsteigen
Was für mich zu jedem Training dazugehört: Das Pferd unmittelbar nach dem Aufsteigen ganz lang nach unten ans Gebiss dehnen zu lassen, es "anzutelefonieren". Dazu schmiege ich mich sozusagen mit meinem Körper an das Pferd heran, baue gefühlvollen Kontakt zum Maul auf, erhöhe meine Körperspannung und richte meinen Körper so ein, wie ich es mir von meinem Pferd wünsche.

Durch mein eigenes Dehnen lade ich das Pferd ein, es mir gleichzutun. Grundsätzlich versuche ich, mich dem Pferd gegenüber so zu verhalten, dass meine Idee auch zu seiner wird und wir unsere Idee zusammen ausführen. Hierfür ist das Aufeinandereingehen – der Dialog – essentiell. Für mich ist dieser lebendige Austausch sehr wichtig. So entsteht keine (möglicherweise) langweilige Routine, sondern das Pferd und ich sind bei wachem Geist miteinander verbunden.

Andrea Bethge ist Dressurreiterin bis Grand-Prix-Niveau. Die Beziehung zum Pferd steht für sie über allem. www.andrea-bethge.de
Die schlimmsten Routinen
"Wenn das Pferd bei einer Übung oder Lektion häufig Fehler macht, diese immer wieder unverändert zu verlangen. Versuchen Sie es aus einer anderen Position, an einer anderen Stelle, langsamer oder mit mehr Schwung. Veränderung kann etwas verbessern." Nina Steigerwald
"In der täglichen Routine bestimmte Dinge einfach (unbewusst) weglassen, weil man weiß, dass sie schwierig sind – egal ob Trab aussitzen oder ausreiten. Lieber die Komfortzonen langsam und gezielt immer ein Stückchen weiter verlassen." Svenja Braun
"Alle Lektionen, die das Pferd kann, jeden Tag abspulen lassen. Das ist unnötig und langweilt. Seitengänge brauche ich für Mobilisation und Geraderichtung jeden Tag, andere Lektionen frage ich seltener und verknüpfe sie immer wieder anders miteinander." Anja Beran
"Angewohnheiten wie Dauertreiben oder das Pferd reflexartig in Form ziehen zu wollen. Viele denken über solche ,Hilfen‘ gar nicht mehr nach, somit wird der Automatismus zum Teufelskreis." Andrea Bethge
"Immer wieder auf dem herumreiten, was das Pferd nicht kann oder was in der nächsten Prüfung verlangt wird. Das überfordert mental und körperlich. Üben Sie auch das, was Sie beide gut können, zwischendurch und für einen guten Trainingsabschluss." Linda Leckebusch-Stark
"15 Minuten Schrittreiten zu Beginn am hingegebenen Zügel, wenn das Pferd einfach nur sinnfrei daherlatscht und die Reiter ins Handy schauen oder sich unterhalten. Beim Schrittreiten sollte man sich auf sein Pferd konzentrieren, es spüren und wahrnehmen. Alles andere degradiert das Pferd in meinen Augen zum Sportgerät." Christine Hlauschek
Diese Routinen gibt es in der Natur
Frühmorgens fressen: Wildlebende Pferde werden langsam wach, bis sich schließlich der ganze Herdenverband in Bewegung setzt und in ein neues Weidegebiet aufbricht. Hier grasen die Pferde erst mal ausgiebig. Dabei ist der Abstand untereinander oft recht groß und es gibt kaum direkte soziale Kontakte. "Wir gehen morgens zur Arbeit , für Pferde dagegen ist Fressen die Hauptarbeit", erklärt Wildtierfotograf Marc Lubetzki.
Ruhephase am Vormittag: Nach dem Fressen folgt eine ausgeprägte Ruhephase, in der die Pferde gemeinsam dösen – vom späten Vormittag bis um die Mittagszeit. Dabei stehen sie oft dicht beieinander, berühren sich hauchzart. "Diese Zeit ist für uns Menschen nicht die beste, um mit dem Pferd zu arbeiten", so Lubetzki. "Wenn möglich, richten Sie sich im Tagesablauf nach den natürlichen Ruhezeiten. Sonst stören Sie die Herde."

Spielen am Nachmittag: Die Ruhephase endet oft , indem die Pferde wieder Kontakt zueinander aufnehmen. "Jungtiere spielen oft ausdauernd miteinander, das ähnelt einem Krafttraining", so Lubetzki. "Bei älteren Pferden sind die Kontakte kürzer."
Grooming am Abend: Gegenseitige Fellpflege findet vor allem abends statt . Schließlich zieht die Herde zu ihrem Schlafplatz und bleibt dort die Nacht über. Mehr dazu erfahren Sie in der Aufzeichnung von Marc Lubetzkis Online-Kurs "Pferde-Rituale: Routinen im Tagesablauf " unter: www.kosmos.de