Die meisten Menschen wollen keine Fehler machen. Was für ein Fehler! "Ohne Fehler gibt es kein Lernen und erst recht keine Weiterentwicklung", sagt Antje Heimsoeth aus Rosenheim, Mentalcoach und Autorin des Buchs "Mental-Training für Reiter" (www.heimsoeth-academy.com/ spezialisierung-reitsport). Man muss nur wissen, wie man mit Fehlern und Misserfolgen umgeht. Ihren reitenden Klienten gibt Heimsoeth vier A-Punkte mit auf den Weg – so können auch Sie Fehler in etwas Positives umwandeln:
AKZEPTIEREN Sie, dass Sie einen Fehler gemacht haben. Und das, ohne die Schuld einer anderen Person, dem Pferd oder äußeren Umständen (wie dem Wetter) zu geben!
ANALYSIEREN Sie, was genau schiefgelaufen ist – und aus welchen Gründen. Gehen Sie zum Beispiel den Bewegungsablauf und die genaue Hilfengebung von der Lektion durch, die noch nicht korrekt ausgeführt werden konnte. "Im Coaching stelle ich immer wieder fest, dass Reitern nicht immer klar ist, was sie tun sollen. Sie trauen sich aber oft nicht den Trainer zu fragen, wie sie genau eine Lektion reiten müssen", stellt Antje Heimsoeth fest. Zerlegen Sie also die Lektion in kleine Häppchen: Wo sind meine Beine, wie wirke ich mit dem Gewicht ein, und wohin sollte ich schauen?
ABHAKEN und nicht weiter drüber reden. Fehler passieren, aber sie sollten nicht ständig aus der Vergangenheit hervorgeholt werden.
AUFSTEHEN, Reithelm richten und weiterreiten.
"Der Weg zu einem Ziel ist fast nie eine Gerade, sondern stets ein Auf und Ab", sagt Antje Heimsoeth.

Fabelhafter Fehler No 1: Von der Vermeidung zur Erkenntnis
Leonie Bühlmann: "Mit 17 Jahren hatte ich durch Zufall eine Entdeckung, die eigentlich aus einer Vermeidungshaltung heraus entstand. Das war in einem Springstall, ich hatte einen 1,70 Meter großen Westfalenwallach. Einmal in der Woche kam ein Springtrainer, ansonsten haben wir die Pferde allein gearbeitet. Der Wallach war für mich damals nicht einfach zu reiten, er hatte viel Schwung, ich war klein. Ein paar Wochen lang kam der Springtrainer dann nicht.
In dieser Zeit habe ich begonnen, den Wallach vom Boden aus zu arbeiten, ihn zu longieren. Ich war ein paar Mal ausreiten und ansonsten habe ich ihn nicht geritten, weil ich es mir nicht so richtig zutraute. Man hätte das für einen Fehler halten können. Aber: danach war er viel besser! Mein Springtrainer wollte mir erst gar nicht glauben, dass ich nicht geritten bin. Bodenarbeit mache ich seitdem viel. Auch heute noch gehe ich immer wieder dahin zurück, wenn ich merke, im Sattel läuft irgendwas nicht gut. Ich schaue, dass sich die Muskulatur ohne Reitergewicht schon gut entwickelt. Damit die Pferde das, was wir im Sattel machen wollen, körperlich auch leisten können."
Besser nicht von Fehlern sprechen
Ausbilder Peter Kreinberg aus dem bayerischen Sandberg erklärt, warum er das Wort "Fehler" in der Ausbildung von Reitern lieber vermeidet: "Wenn wir über das Reiten reden, sind wir daran gewöhnt, uns an den jeweiligen Turniersportregeln und Normen zu orientieren. Das zieht sich über alle Reitweisen. Da ist genau vorgegeben, was richtig ist und was nicht. Wenn man diese Ideale nicht umsetzt, macht man Fehler, so heißt es dann.
Wer in diesem Denkmuster ist, will weniger Fehler machen – statt sich auf einen Prozess des erfahrungsorientierten Bewegungslernens einzulassen. Denn Reiten ist für den Menschen und das Pferd vor allem Bewegungslernen. In der Sportwissenschaft wird der Fehler-Begriff in Bezug auf die Bewegungsverbesserung nicht verwendet; jeder Sportstudent lernt, dass es funktionale und dysfunktionale Bewegungsabläufe gibt. Um Bewegungsabläufe zu verbessern, braucht es Tausender ruhiger, zielführender Wiederholungen. Nur so kommt man vom dysfunktionalen zum funktionalen Bewegen. Im Alltag des Reitunterrichts werden Fehlbewegungen trotzdem oft als Fehler bezeichnet.
Doch was passiert, wenn wir von Fehlern sprechen? Dem Schüler wird seine Unzulänglichkeit immer wieder vor Augen geführt. Das führt zur Frustration und bei manchem zum Ausstieg aus dem Unterricht. Damit solch negative Tendenzen gar nicht erst aufkommen können, vermeide ich beim Ausbilden den Begriff des Fehlers. Vielmehr leite ich detailliert dazu an, in kleinen Schritten Verbesserung zu erreichen. Das beschert dem Schüler viele kleine Erfolgserlebnisse und fördert seine Motivation ebenso wie die seines Pferds."
Fabelhafter Fehler No 2: Vor lauter Spannung hielt sie die Luft an. Heute atmet sie ganz bewusst.
Josefa Sommer: "Mein Vollblüter, der bis zu Vier-Sterne-Prüfungen in der Vielseitigkeit gegangen ist, war früher immer sehr aufgeregt in der Dressur. Ich habe auf seinem Rücken dann kaum mehr geatmet. Dabei ist das Gegenteil richtig, weiß ich heute! Mir hat geholfen, von außen Feedback zu bekommen. Es waren Kleinigkeiten, Aufforderungen wie ‚tiefer sitzen’ und ‚atmen‘. Solche Veränderungen über tragen sich immer auch aufs Pferd. Er wurde viel besser in der Bewegung, viel geschlossener und viel ruhiger.
Diese Erfahrungen kann ich heute auf Jungpferde übertragen. Übrigens helfen ähnliche Tipps ganz vielen Reitern dabei, sich selbst und das Pferd zu entspannen – und dadurch auch wieder lieber zu reiten. Als Physiotherapeutin für Pferde sehe ich viele Tiere, die aus Vorsicht nicht wirklich gearbeitet werden, fast nur ruhige Bodenarbeit machen. Doch richtiges Reiten ist die beste Physiotherapie. Wichtig ist dann natürlich ein lockerer Sitz. Zuviel Hand, zu wenig Bein ist der gängigste Fehler, der oft auch aus innerer Anspannung entsteht. Die Freude an der Bewegung etablieren und die Pferde nicht zwanghaft zurückholen, das finde ich wichtig. Ich versuche meinen Kunden zu sagen: Reitet mehr! Holt euch Tipps, wie ihr entspannter und lockerer auf dem Pferd sitzen könnt – jemand, der von unten coacht, hilft dabei oft weiter.

Raus aus dem Gedanken-Karussel
Pferde sind unser Leben. Deshalb stecken wir viel Zeit und Geld in unsere Leiden schaft und definieren uns in unserer Selbstwahrnehmung als Reiter oder Pferdemensch. "Man geht in dieser Identität auf. Das ist schön, kann aber auch Tücken haben – nämlich, wenn etwas nicht so läuft wie gewünscht", erklärt Inga Wolframm, die sich als Sportpsychologin in den Niederlanden mit den Themen Mindset, Angst beim Reiten und Sportpsychologie für Reiter beschäftigt.
Sportreiter machen ihre Identität als Reiter oft an Leistung fest. "Bekommen sie im Stall oder auf Social Media die Turniererfolge von anderen Reitern mit, kommen ihnen oft Selbstzweifel", so Wolframm. Der Reiter frage sich: "Was habe ich erreicht? Wenn ich immer noch Fehler mache, reite ich dann nicht so gut, wie ich dachte – oder wie ich es mir erhofft hatte?" Freizeitreiter verknüpfen ihre Reiteridentität hingegen häufiger mit Harmonie. Passieren Fehler, kratzt das an diesem Harmoniebild. "Manche Reiter steigen dann kaum noch in den Sattel, sondern arbeiten vom Boden aus – damit sie nicht ihr eigenes Bild von sich als gutem Pferdemenschen ankratzen", erklärt Wolframm. Aus dieser gedanklichen Sackgasse gibt es aber Auswege. "Fragen Sie sich: Was für ein Reiter will ich sein? Und was gehört zu dem Bild von diesem Reiter?"
Wer Wert auf Harmonie legt, der kann schon beim Putzen darauf achten, tief zu atmen und ruhig mit dem Pferd umzugehen. Wer mit seinem Pferd Erfolge erringen will, nimmt sich selbst in den Fokus: Etwa indem der Reiter überprüft, ob er verspannt ist, und, falls ja, etwas dagegen unternimmt. So ist der Fokus nicht mehr auf die Fehler gerichtet, sondern auf Wege der Verbesserung und des Lernens.
Fabelhafter Fehler No 3: Zuviel Korrektur entpuppte sich als richtig
Andrea Jänisch: "Vigo, ein neunjähriger Lusitano-Wallach, kam zu mir, weil er komplett überdreht war. Beim Reiten und im Umgang reagierte er hysterisch, er ließ sich nicht anfassen und in der Box partout nicht einfangen. Im Grunde war er ein ganz liebes Pferd – das einfach komplett missverstanden hatte, was es tun sollte. Beim Reiten ging er mit hohlem Rücken, der Schritt war völlig aus dem Takt und kaum abrufbar. Vigo war gänzlich überspannt. Das Pferd wieder hinzubekommen, war ein ganzes Stück Arbeit, in jeder Hinsicht. Ich habe das hinbekom- men. Aber ich bin dabei zu weit gegangen.
Das dachte ich zumindest eine Zeitlang. Denn Vigo ist irgendwann sehr cool geworden, sehr brav. Er ging wieder Schritt. Aber irgendwann bin ich an eine Stelle gekommen, da dachte ich: ‚Oh Mist, jetzt bin ich zu weit gegangen mit dem Runterfahren.‘ Die Überspannung war komplett verschwunden – allerdings war Vigo ins andere Extrem gekippt. Sein Muskeltonus war jetzt sehr niedrig. Ich konnte bei ihm keine gezielte Spannung mehr aufbauen. Damals dachte ich, ich habe etwas falsch gemacht. Doch der vermeintliche Fehler entpuppte sich als sehr lehrreiche Erfahrung. Inzwischen denke ich: Doch, es war richtig. Alle Muskeln mussten zugänglich sein, Vigo musste völlig entspannt sein, bevor ich ihn wieder aufbauen konnte. Es hat noch relativ lange gedauert, bis ich bestimmte Muskeln gezielt ansprechen und ihn gymnastizieren konnte, er seinen Körper wieder richtig unter Kontrolle hatte. Inzwischen geht er fliegende Wechsel und Seitengänge und hat sein muskuläres und inneres Gleichgewicht gefunden."

Fehler sind prinzipiell gut aber nicht alle
Perfekt ist wohl kein Reiter in jeder einzelnen Minute, die er im Stall oder im Sattel verbringt. Fehler müssen erlaubt sein, jedoch unter einer Prämisse: Dass sie nicht geschehen, obwohl sie mit entsprechendem Pferdewissen hätten vermieden werden können. Etwa wenn der Reiter sein Pferd direkt aus der Box unaufgewärmt in der Reithalle freilaufen lässt, oder wenn er es im Sommer auf eine Weide voller Jakobskreuzkraut stellt.
Denn der Reiter hat eine "Verantwortung für das ihm anvertraute Lebewesen": So ist es in den Ethischen Grundsätzen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) vermerkt. Punkt 3 von insgesamt neun Grundsätzen ver weist darauf, dass der "physischen wie psychischen Gesundheit des Pferdes" oberste Bedeutung einzuräumen sei. Damit dies gewährleistet ist, habe der Reiter nicht nur das Pferd, sondern auch sich selbst einer Ausbildung zu unterziehen, heißt es in Punkt 7. Das vermeidet unnötige Fehler, die dem Pferd schaden könnten.
Fabelhafter Fehler No 4: Ein eingerolltes Pferd lehrte das Nachgeben
Katharina Möller: "Mein erstes Pony war von sich aus immer zu leicht im Genick. Ich habe es selbst angeritten und es lief anfangs hinter der Senkrechten. Mir war völlig klar, dass das nicht gut ist und ich das nicht möchte. Ich habe auch nicht geriegelt oder gezogen, aber ich war passiv und wusste nicht, was ich dagegen tun kann. Ich stellte meine Hände schön hin und es passierte – nix! Das war anfangs eine offene Baustelle. So wie bei mir verselbstständigt sich das Problem mit dem Einrollen oft: Der Reiter gibt zum falschen Zeitpunkt nach oder wirft die Zügel weg.
Je nach Pferd kenne ich heute verschiedene Möglichkeiten, das Problem zu lösen. Bei meinem damaligen Pony konnte ich die Anlehnung schließlich verbessern, als ich lernte, aus Sitz und Schenkel ans Gebiss zu reiten. Sprich: Von hinten nach vorn zu reiten und dann nachzugeben, wenn das Pony nach vorn zieht, anstatt nachzugeben, wenn es sich rollt. Der Zeitpunkt des Nachgebens war also entscheidend. Das war ein ganz großes Aha Erlebnis für mich und gilt ja auch für viele andere Situationen beim Reiten. Ohne das Problem mit meinem Pony hätte ich das nicht so deutlich erfahren."
Warum Pferde Fehler verzeihen
"Die Herdengemein schaft und der Zusammenhalt sind Pferden extrem wichtig", sagt Sharon Wilsie (www.sharonwilsie.com) aus den USA, die sich darauf spezialisiert hat, die Pferdesprache zu entschlüsseln. "Deshalb verzeihen die Tiere auch Fehler – so wird die Harmonie in der Gruppe wiederhergestellt. Das erkennt man gut, wenn man die Tiere in ihrem Zusammensein beobachtet.
Ich habe beispielsweise drei Stuten und einen Wallach. Normalerweise geht es zwischen ihnen bei der Heufütterung harmonisch zu. Eines Tages jedoch machte eine Stute meinem Wallach Rocky keinen Platz am frisch hingelegten Heu, obwohl er sie körpersprachlich um etwas Platz bat. Er biss sie daraufhin schnell und heftig in den Hals. Sie lief davon und blieb etwas weiter weg stehen; die Nase gesenkt, die Ohren seitlich abgekippt. Das bedeutete: ‚Kann ich wiederkommen?‘ Rocky reagierte ähnlich, atmete deutlich aus den Nüstern aus, schüttelte sich und wendete den Kopf von ihr ab. Das war die Einladung, wiederzukommen. Die Stute ging also wieder zu Rocky, sie standen und fraßen Nüster an Nüster. Beim Fressen nahm sie etwas Heu aus seinem Maul. Er ließ das zu. Das kann man deuten als Anfrage ihrerseits: ‚Darf ich wirklich Heu mit dir fressen?‘ Seine Antwort – indem er dies zulässt – kann man als Entschuldigung sehen: ‚Ich habe zu heftig reagiert.‘ Die anderen beiden Pferde schüttelten sich daraufhin, atmeten auffällig tief ein und aus. Für Pferde ist Harmonie in der Gemeinschaft sehr wichtig – und genau aus diesem Grund verzeihen sie auch uns Menschen viel."

Fabelhafter Fehler No 5: Von zu viel Vorsicht zu klarer Führung
Laura Nettelbeck: "Eine Zeitlang bin ich die Pferde einer Springreiterin mitgeritten. Darunter war auch eine hervorragende Stute, ihr bestes Pferd, das S Springen ging. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich wie ein Passagier auf ihr sitze. Von außen sah es sicherlich normal aus. Aber es fühlte sich nicht gut an. Ich dachte: Wenn hier etwas aus dem Gebüsch springt, ist die weg. Ich mochte sie unheimlich gern, doch sobald ich oben saß, war der Bezug weg. Irgendwann ist mir bewusst geworden, dass ich zu ehrfürchtig war, nach dem Motto: ‚Du gehst S, ich nicht!‘
Ich wollte bloß nichts falsch machen und war dadurch so vorsichtig, dass ich ihr keine Führung und Struktur gegeben habe. Ich versuchte das zu ändern, fühlte nach: Wo kann ich ihr Unterstützung anbieten? Sie fühlte sich sofort ganz anders an. Das hat meine Gedanken und mein Reiten stark beeinflusst. Es ist ein schmaler Grad zwischen Klarheit und Härte, der mir auch täglich beim Unterrichten begegnet. Das Pferd ist als Herdentier auf Klarheit angewiesen und erlebt es als unangenehm, wenn ich unklar und schwammig bin. Für diese Klarheit bedarf es Sicherheit auf beiden Seiten, sonst kippt es schnell in Härte. Jeder wünscht sich einen Rahmen, der Sicherheit bietet – auch Pferde, die mehr können als ich."
Fabelhafter Fehler No 6: Zu viel machen – der Schlüssel zum Loslassen
"An meinem 40. Geburtstag – 28 Jahre ist das nun her – ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich war beim amerikanischen Trainer Ronny Hodges und saß auf einem Cuttingpferd. Es war ein kleines Pferd, nur 1,40 Meter groß. Im Winterfell sah es aus wie ein New Forest Pony. Damals hatte ich zwar viele Reined Cowhorses und Reiningpferde erfolgreich geritten, aber wenig Erfahrung mit hochkarätigen Cuttingpferden. Schon beim Warm Up bekam ich meine erste Lektion.
Der kleine Wallach interessierte sich gar nicht für meine reiterlichen Einwirkungsversuche, um ihn an die Hilfen zu stellen. Ich wollte Körperkontrolle und jeden Schritt und Tritt vorgeben. Aber dieses Pferd kannte seinen Job und wollte sich da nicht reinreden lassen. Meine Kontrollversuche irritierten es nur, sodass ich schließlich das Gefühl hatte, es funktioniert gar nichts. Ich ritt mit Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen – viel zu viel für ein gut ausgebildetes Cuttingpferd. Da darf man nicht mal mit der Hand zucken, denn es nimmt feinste Bewegungen wahr und reagiert darauf.
Trainer Ronny Hodges rettete mich aus dieser peinlichen Situation mit dem Zuruf: ‚Give him slack, relax and trust him!’ Zu Deutsch: ‚Lass die Zügel lang, entspanne und vertraue ihm.’ Ich befolgte seinen Rat – und plötzlich lief alles wie am Schnürchen. Gelernt habe ich da, mich zurückzunehmen, meine Mitte zu suchen, mit den Händen nichts zu machen. Dem Pferd zu vertrauen und innerlich loszulassen."

Fabelhafter Fehler No 7: Sie gab ihr Pferd aus der Hand. Heute hört sie aufs Bauchgefühl
Laura Nettelbeck: "Ich hatte meine Stute Lucia stets allein betreut und ausgebildet. Als das Pferd einer Freundin starb, bot ich ihr an, Lucia mit zu betreuen. Einige Wochen später kam sie auf das Angebot zurück. Ich musste erst mal schlucken: Wollte ich das wirklich? Dann beschloss ich, dass ich es nicht angeboten hätte, wenn ich es nicht so gemeint hätte. Außerdem dachte ich, dass es ja zu unserer beider Ausbildung gehört, dass Lucia auch von anderen geritten wird. Ich muss das meinem Pferd gönnen, dachte ich.
Tatsächlich habe ich mich damit ziemlich unter Druck gesetzt, mich immer mehr zurückgezogen und Lucia damit irritiert. Vielleicht fünf-, sechsmal arbeitete meine Freundin mit ihr. Wir haben nicht über die Kommandos gesprochen und ich habe, ehrlich gesagt, nicht darüber nachgedacht, dass sie auch Tricks abfragen könnte. Einer von Lucias Lieblingstricks ist das Steigen, dafür haben wir klare Regeln und ein klares Signal. Das Kommando lautete: In die Knie gehen und ans Brustbein tippen. Eine Bewegung, die man garantiert nicht unbewusst macht. Diese Regeln waren mir wichtig, damit im Alltag nichts passiert; zum Beispiel wenn das Stallpersonal Lucia von A nach B führt.
Meine Freundin hat ein anderes Signal verwendet: Lucia durfte auf sie zu galoppieren und dann steigen, wenn sie die Arme hochnahm. Es war schwer, Lucias Irritation wieder aufzulösen. Außerdem kam es vor, dass sie in irgendwelchen Alltagssituationen stieg. In neun Jahren zuvor war das kein Thema gewesen. Jetzt schon: Nahm ich die Hand hoch, um ihr Sand aus dem Gesicht zu wischen, konnte es sein, dass sie vor mir hochging, obwohl wenig Platz zwischen uns war. Daran musste ich arbeiten: Stieg Lucia zu nahe bei mir, schickte ich sie entschieden weg. Danach lud ich sie wieder zu mir ein, gab ihr eine Pause mit gesenktem Kopf. Ich wollte die Aufregung herausnehmen und habe das Steigen noch mal komplett neu erarbeitet.
Diese ganze Situation und die mir zuvor völlig unbekannte Unsicherheit im Umgang mit dem eigenen Pferd hat mir sehr zu schaffen gemacht. Tatsächlich hat es einige Zeit gedauert, wieder komplett zueinander zu finden, es hat unsere Beziehung aber letztlich noch mal vertieft. Und ich habe gelernt, dass ich mir unsere Freundschaft gönnen darf und mich zu nichts zwingen muss."