Bodenarbeit: Claudia Münchs Erfolgsgeheimnis

Bodenarbeit mit Herz
Bitte Lächeln! Claudia Münchs Pferdegeheimnis

Veröffentlicht am 31.10.2024

Eigentlich müssten wir uns gerade ziemlich verloren fühlen. Das CAVALLO-Team schlendert über die riesige Anlage der Landes-Reit- und Fahrschule Rheinland in Langenfeld. Auf dem großen Reitplatz neben der neuen Reithalle plaudern drei Damen. Wir platzen in die vertraute Runde – und gehören sofort dazu. Die Frau mit der blonden Wallemähne nimmt uns herzlich in die Arme. Wir fühlen uns so willkommen, als ob wir bei der Lieblingscousine zum Teetrinken vorbeischauen.

Etliche Male hat uns Claudia Münch bereits als CAVALLO-Expertin für alle Fragen rund um die Bodenarbeit unterstützt. Heute besuchen wir sie und zwei ihrer Schülerinnen mit ihren Pferden im Rheinland. Schülerinnen, die gleichzeitig ihre Freundinnen geworden sind. Das ist fast unvermeidlich.

Lächeln und Loben sind die wichtigsten Hilfen

Es menschelt sehr bei Claudia Münch – im positiven Sinne. Die rheinische Frohnatur aus dem nordrhein-westfälischen Haan ist kein Fake-Sonnenschein: Sie lächelt zwar beinahe permanent, ist aber weder überdreht noch wirkt ihre Freundlichkeit aufgesetzt. In ihrem Umgang mit Pferden und Menschen wird spürbar, mit wieviel Herz sie zuhört, hilft und mitfiebert. Ihr selbst ist es hingegen eher unangenehm, dass sie manchmal so emotional wird.

Da wundert es nicht, dass das Lächeln zu Claudia Münchs Grundsätzen im Pferdetraining gehört. "Dann werde ich vom Pferd gleich viel positiver wahrgenommen und es bekommt Lust, mit mir etwas gemeinsam zu unternehmen", findet die Trainerin. Spaß an der Arbeit ist das oberste Ziel für Claudia Münch – und der entsteht durch die richtige Motivation: "Ich trainiere von Lob zu Lob", betont sie. Wie gut das funktioniert, verraten die gespitzten Ohren der anwesenden Pferde, wenn sie mit ihnen spricht.

Eines von ihnen: Lexus, Schulpferd der Landes-Reit- und Fahrschule in Langenfeld. "Ein ganz tolles Pferd!", sagt Claudia Münch, die den Wallach gut kennt. Der Rappe steht regelmäßig für ihre Bodenarbeits-Kurse auf der Anlage zur Verfügung – und würde sich sicherlich freiwillig dafür anmelden, wenn er könnte. "Er hat schnell begriffen, wie unsere Bodenarbeit funktioniert, und ist inzwischen ein echter Profi", erzählt Claudia Münch. An der Hand blüht der tiefenentspannte Wallach auf und achtet ganz genau auf die Hilfen seiner Führperson.

Moment mal – Hilfen? Welche eigentlich? Claudia Münch macht sichtbar fast gar nichts, außer Lächeln natürlich. Ab und an führt sie ihre freie Hand nach hinten und bewegt das Seil mit dem Strick. "Damit fordere ich etwas mehr Tempo, wenn das Pferd auf meine erhöhte Körperspannung nicht reagiert", erklärt die Trainerin. Eine Gerte braucht sie nicht. "Das Pferd soll sich auf den Menschen konzentrieren und nicht auf irgendwelche Hilfsmittel, die ihm Druck machen könnten", erklärt Münch. Um das Pferd zu dirigieren, erhöht oder reduziert Claudia Münch ihre Körperspannung. Für mehr Tempo etwa richtet sie sich auf, für weniger Tempo bis zum Halten nimmt sie sich versammelnd zurück.

Nach ein paar Runden Trab schnauft die Trainerin – lacht aber immer noch. Das Mitlaufen erfordert schon ein bisschen Kondition. Denn wer möchte, dass sein Pferd ausdrucksvoll trabt oder gar galoppiert, muss selbst dynamisch bleiben und darf es nicht ausbremsen. Richtungswechsel und Seitengänge leitet Claudia Münch ebenfalls mit ihrem Körper ein. "Das Pferd versteht diese Sprache schnell, weil es selbst so mit seinen Artgenossen kommuniziert", weiß die Trainerin. Wichtig dabei: die eigene Schulter- und Beckenposition. Hier reichen minimale Veränderungen, um dem Pferd beispielsweise zu sagen: "Heb bitte deine innere Schulter ein bisschen an" oder "komm mit ins Schulterherein".

Nicht nur Lexus, sondern auch viele andere Pferde, die zum ersten Mal einen Bodenarbeits-Kurs bei Claudia Münch besuchen, erleben einen Aha-Effekt. Christina und Gabi, die mit ihren Pferden Autentica und Kastello auf hohem Niveau an der Hand trainieren, sind langjährige Schülerinnen von Claudia Münch. Beide waren gerührt und fasziniert, wie schnell ihre Pferde sich auf das besondere Bodenarbeits-Konzept der Trainerin eingelassen haben – und wie sehr das ihren Umgang mit den Tieren positiv verändert hat.

Sogar viele FN-Ausbilder, die beim Stichwort Bodenarbeit bislang die Stirn gerunzelt haben, ließen sich von der Begeisterung anstecken, wenn sie zufällig oder aus Neugier bei einem der Bodenarbeits-Kurse als Zuschauer dabei waren. Turnierrichterin Antje Sander bringt es auf den Punkt: "Diese Arbeit sollte ein fester Bestandteil der Grundausbildung für Reiter und Pferd sein." Seitdem sie selbst ihr Pferd auch am Boden trainiert, sei nicht nur das Vertrauen gewachsen. "Die Bodenarbeit schult auch eine feine Hand und minimale Einwirkung", betont sie. Das lasse sich gut aufs Reiten übertragen.

Die Turnierrichterin gehört inzwischen zur stetig wachsenden Bodenarbeits-Community. Deren Herzstück: Claudia Münch. Sie vergisst keinen Menschen und kein Pferd, das je bei ihr auf einem Kurs war. Bei den Bodenarbeits-Turnieren, die inzwischen mit großem Anklang veranstaltet werden, hält sie die Fäden zusammen. Sie kennt jeden, verpasst nichts und sorgt dafür, dass alle zufrieden sind. Immer ist sie sehr gerührt, wenn sie ein harmonisches Pferd-Mensch-Team zusammen erlebt. Besonders dann, wenn beide eine schwierige Geschichte hinter sich haben. "Dann geht mir das Herz auf", sagt Claudia Münch. "Habe ich nicht einen tollen Job?"

Für ihren Traumjob als Trainerin pausiert die promovierte Politologin ihren ursprünglichen Job als Regierungsdirektorin in der Staatskanzlei. Seitdem sie 2012 dem Arbeitskreis Bodenarbeit der FN beigetreten ist, hat die Rheinländerin viele Hürden gemeistert. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern entwarf sie das erste FN-Bodenarbeits-Abzeichen und verankerte damit die Bodenarbeit im Prüfungskatalog. Den Nachfolger, das Abzeichen Bodenarbeit Stufe 2, stieß sie an und entwickelte die Vorlage für die Ausbildungs- und Prüfungsordnung der FN mit einem Pilotprojekt im Rheinland. "Die Landes-Reit- und Fahrschule ist für mich ein besonderer Ort", sagt Claudia Münch. "Hier ist 2014 mit meinen ersten Lehrgängen eine wunderbare Zusammenarbeit gestartet, die bis heute anhält."

Die Bausteine für ihren Erfolg: Empathie und eine gehörige Portion Biss. Wie viele Reiter hat Claudia Münch in einer klassischen Reitschule ihre Pferdeliebe entdeckt. Schnell merkte sie, dass sie viel mehr erreichen kann, wenn sie Pferde für sich gewinnt, anstatt mit Druck zu arbeiten. Ihr Interesse für die Bodenarbeit wurde durch ihren heute 28-jährigen Wallach Chey geweckt. Er war als Jungpferd durch eine harte Ausbilderhand gegangen und entzog sich lange Zeit vielen Situationen aus Angst vor Stress und Strafe. "Da musste ich umdenken", erinnert sich Claudia Münch. Lektionen entwickelt sie aus dem natürlichen Verhalten und den Reaktionen des Pferds. Etwa das Hinlegen, indem sie das Pferd fürs Wälzen belohnt. Oder das Erarbeiten von Seitengängen ohne Zügel und Gerte: Sie stellte fest, wie gut sie Stellung und Biegung unterstützen kann, wenn sie vor dem Pferd gehend beide Hände seitlich an die Nase legt und so sanft eine Richtung vorgibt. "Es ist ein Gänsehautmoment, wenn die Pferde dann in ein Travers übergehen. Ich hätte nie gedacht, dass so wenig Einwirkung reicht”, so Münch.

Beim Training steht der Spaß im Vordergrund – für Mensch und Pferd

Als Ausbilderin denkt sie auch an den Menschen. Ihr Bodenarbeitskonzept ist verständlich für Pferd und Reiter. So ist es möglich, dass auch Vier- und Zweibeiner, die sich nicht kennen, eine Prüfungsaufgabe gemeinsam absolvieren können. Darüber hinaus muss nicht jede Übung der Gymnastik dienen. "Wir brauchen doch auch was fürs Herz", sagt Claudia Münch. "Wer freut sich nicht, wenn das Pferd auf Zuruf herbeigaloppiert?”

Ihren Biss beweist Claudia Münch im Alltag. Viermal in der Woche gibt sie einen eintägigen Lehrgang, seit sieben Jahren. "Mehr geht nicht, damit ich noch Zeit für meine Familie und Pferde habe", sagt Münch. Für jeden ihrer Lehrgangsteilnehmer schreibt sie ein Protokoll. "Ich muss doch wissen, wer was gelernt hat und wo noch Herausforderungen liegen."

Das ist nicht alles. 2021 hat Claudia Münch das Internationale Trainernetzwerk "Ausbildung am Boden" mit inzwischen 21 FN-Trainern gegründet und das "Leistungszentrum Ausbildung am Boden" in Alpen am Niederrhein eröffnet. Ihr neuestes Baby: das Bodenarbeits-Turnier (wir berichteten in CAVALLO 7/24). Alle Aufgaben für die Prüfungen von E bis L hat Münch selbst ausgetüftelt und mit ihren Schülern ausprobiert – bis alles passte. "Ich liebe, was ich tue und empfinde es als Geschenk. Nie hätte ich gedacht, dass ich Pferdetrainerin werde", erzählt Münch. "Meine Mutter hat mich mal gefragt: Woher kannst du das alles eigentlich? Da konnte ich nur antworten: Das weiß ich auch nicht. Aber es sprudelt heraus.”

Kontakt:

Dr. Claudia Münch hat ein Ausbildungskonzept für die Bodenarbeit entwickelt und war an der Entstehtung der FN-Abzeichen Bodenarbeit 1 und 2 maßgeblich beteiligt. Mehr Infos zur Ausbildung und zu den Turnieren unter: ausbildung-amboden.de