Brustkorb anheben: Welchen Effekt hat ein gehobenes Brustbein beim Pferd?
Für Tragkraft und freie Bewegungen ist der Brustkorb eine wichtige Schaltstelle im Pferdekörper. Ein angehobener Brustkorb ist wie ein Stoßdämpfer für die Vorderbeine des Pferds und schont Sehnen und Bänder. "Hebt das Pferd das Brustbein, hebt sich auch der Widerrist – das Pferd wächst optisch und die Dornfortsätze der Wirbelsäule spreizen sich, der Rücken dehnt sich auf", erklärt Pferdephysiotherapeutin und Osteopathin Jana Tumovec. Die Expertin zeigt, welche Handgriffe und Übungen vom Boden und vom Sattel aus gegen einen hängenden Brustkorb helfen und gibt Einblicke in die spannende Anatomie.
Wie ist das Brustbein beim Pferd aufgehängt?
Bei Menschen verbinden die Schlüsselbeine das Brustbein mit den Schultern. Pferde hingegen besitzen keine Schlüsselbeine. "Bei ihnen ist das Brustbein allein an Sehnen, Muskeln und Bändern aufgehängt", sagt Jana Tumovec. Diese anatomische Besonderheit macht Pferde besonders mobil – denn seitlich schränken keine Knochen die Bewegung ein. Der Nachteil: Das Brustbein kann sich seitlich verschieben.
Verschobenes Brustbein richtig erkennen
So checkst du die Lage des Brustbeins: Stelle das Pferd auf ebenen Boden gerade und geschlossen hin. Vergleiche nun die Höhe der Karpalgelenke. Als optische Hilfe kannst du auch Punkte auf die Gelenke kleben. Sind diese auf gleicher Höhe? Prima. Sind sie unterschiedlich hoch, ist auch das Brustbein nicht mittig. Die Muskeln haben das Brustbein zur Seite gezogen. "Das ist ein Befund und ein Fall für den Physiotherapeuten", weiß Jana Tumovec. Ein verschobenes Brustbein wirkt sich auf alle verbundenen Bereiche aus. Daher ist der Check so wichtig.

Stelle das Pferd auf ebenen Boden gerade und geschlossen hin. Vergleiche nun die Höhe der Karpalgelenke.
Wissenswertes zur Anatomie des Brustbeins beim Pferd
Das Brustbein (Sternum) besteht aus sieben Einheiten, die zu einer knorpeligen und knochigen Struktur zusammengewachsen sind. Es gehört zum vorderen Bereich des Brustkorbs. Mit dem Brustbein ist die zweite bis achte Rippe verbunden, die erste Rippe hängt frei. Das Brustbein des Pferds ist nicht isoliert zu betrachten, denn es ist anatomisch und funktional mit vielen Strukturen im Pferdekörper verbunden. Etwa mit:
- Schulterblatt
- Oberarmknochen
- Unterkiefer
- Zungenbein
- Widerrist
- Becken (über geraden Bauchmuskel verbunden)
- Zwerchfell
Übrigens: Pferde mit Atemwegsproblemen und Allergien haben oft – unbemerkt – ein verspanntes Zwerchfell. "Die schlechte Atmung kann zu Unbeweglichkeit im gesamten Brustbereich führen", erklärt die Expertin.
Warum soll das Pferd den Brustkorb beim Reiten anheben?
So viel gleich vorweg: Das Pferd kann nicht das Brustbein allein anheben. Der gesamte Brustkorb, die Schultern und der Widerrist bewegen sich mit. Bei einem abgesackten Brustkorb verschleißen Sehnen und Bänder der Vordergliedmaße. Denn: Berührt das Pferd mit dem Vorderbein den Boden, schiebt sich das Schulterblatt nach oben. So dämpft es den Stoß. Bei einem hängenden Brustkorb ist das Schulterblatt schon von vornherein weit oben – und kann nicht viel weiter hochgleiten. "Deshalb fehlt dann der Stoßdämpfer für das Vorderbein", erklärt Jana Tumovec.
Hängt das Pferd im Brustkorb durch, droht zudem Trageerschöpfung. Das Pferd kann das eigene und das Reitergewicht nicht mehr stemmen. Ein hängender Brustkorb ragt über die Vorderbeine des Pferds hinaus. Der Schwerpunkt des Pferds ist also nach vorne verschoben. Hebt das Pferd das Brustbein, schiebt es zugleich den Brustkorb zurück in die korrekte Position direkt über den Vorderbeinen. Das entlastet die passiven Strukturen in den Vorderbeinen, also Bänder und Sehnen. Mit angehobenem Brustbein und Widerrist kann das Pferd dann auch den Rücken aktiv dehnen und die Lendenwirbelsäule beugen. "Auf die Weise ist das Pferd fähig, das eigene Gewicht und das Reitergewicht zu tragen", sagt Jana Tumovec.
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