Die Versammlung ist sozusagen das Sahnehäubchen auf der Skala der Ausbildung. Sie braucht ein gehaltvolles Fundament aus den anderen Tortenschichten – dennoch steckt ein bisschen Sahne auch schon in den oberen Etagen. Für Ausbilderin Claudia Butry etwa hat versammelnde Arbeit im Laufe der Ausbildung ihren Platz neben den anderen Zielen – angepasst an den Trainingszustand des Pferds.
Forcieren sollte man die Versammlung nicht. "Versammlung sollte durch korrektes Gymnastizieren in Verbindung mit entsprechenden Lektionen von selbst entstehen. Deswegen sollte man als Reiter nicht denken, ,"ch reite heute versammelt", sondern überlegen, durch welche Vorbereitungen die Versammlung bei dem jeweiligen Pferd entstehen könnte", erklärt Ausbilderin Bianca Rieskamp.

Auch Dressurausbilder Michael Putz betont, dass bei der versammelnden Arbeit Geduld gefragt ist: "Da das Pferd zusätzliche Muskulatur entwickeln soll, muss man die Arbeit langsam angehen." Zu lange versammelnde Reprisen bewirken seiner Erfahrung nach nur Rückschritte: Das Pferd wird weniger gehfreudig, verkrampft sich oder widersetzt sich sogar.
Gerade bei der versammelnden Arbeit empfiehlt er Abwechslung und zwischendurch frisches Vorwärtsreiten. Seine Tipps zur Selbstkontrolle: Trägt das Pferd sich beim Überstreichen selbst und kaut immer wieder zufrieden die Zügel aus der Hand, sind Sie auf einem guten Weg.
"Dem Pferd zeigen, wie es das Becken kippt"

Wer diese Serie aufmerksam gelesen hat, weiß: Claudia Butry liebt das "Aspirin der Reitkunst", also das Schulterherein. Auch für die Versammlung setzt sie auf den Seitengang. "Übergänge im Schulterherein zwischen Schritt und Trab kräftigen das jeweils innere Hinterbein sehr gut und verbessern auch die Durchlässigkeit."

Auch den Rückwärtsgang nutzt sie oft: Beim korrekten Rückwärtsrichten muss das Pferd seinen Schwerpunkt nach hinten verlagern, es beugt die Hanken mehr und wölbt den Rücken auf. Butry trabt daraus beispielsweise direkt an. "So ist das Becken schon gekippt für mehr Versammlung."
Wichtig beim Rückwärts ist, stets auf eine gerade Linie zu achten. Tipp von Claudia Butry: An Schulterherein denken, also die Vorhand auf die Hinterhand ausrichten, statt die Hinterhand zur Korrektur mit dem Schenkel rumschieben zu wollen. Das Pferd soll nicht eilen und kleine Tritte machen.
Zündet das Pferd noch nicht genug auf die vorwärtstreibenden Hilfen, um aus dem Rückwärts direkt in den Trab zu starten, sind vorbereitende Übungen hilfreich: etwa Übergänge Trab-Schritt-Trab-Schritt. Profis galoppieren schließlich sogar aus dem Rückwärts an.
"Über den Sitz Energie und Aufrichtung steuern"

Beim Thema Versammlung ist Islandpferdetrainerin Svenja Braun lieber vorsichtig. "Oft wird damit viel zu früh in einem falschen Verständnis begonnen", findet sie. "Manche Trainer sagen auf dem Turnier: Jetzt nimmst du mal vorne an und tickst mit der Gerte." Das angestrengte Resultat hat mit Versammlung nichts zu tun. "Schade, denn für viele Isländer ist ein gewisses Maß an reeller Versammlung unverzichtbar, um zum Beispiel taktklar tölten zu können."
Dazu gehört das vermehrte Untertreten der Hinterhand und das Anheben des Widerrists. Brauns Reitschüler sollen ausprobieren, ob sie das Pferd mit mehr Energie langsamer machen können und dabei spüren, wie es sich auf die Hinterhand setzt – um dann das Tempo wieder heraus und den Hals mehr in die Tiefe zu lassen. Solche Wechsel sind bei Gangpferden nicht ohne: Fallen Energie und Körperspannung ab, führt das oft dazu, dass das Pferd zum Beispiel vom Tölt in den Trab wechselt. "Es muss lernen, sich in Bezug auf den Grad der Versammlung auch innerhalb einer Gangart beeinflussen zu lassen", erklärt Braun.
Das geht über erstmal deutliche Sitzveränderungen. Im Trab funktioniert das über Wechsel zwischen Aussitzen und Leichttraben. Und auch der Galopp lässt sich über unterschiedliche Sitzformen langsam versammelter und mehr nach oben gesprungen reiten – eine Herausforderung für viele Islandpferde.

"Zuerst galoppiere ich im bevorzugten Tempo des Pferds in der Energie, mit der es sich wohlfühlt und sitze dabei leicht entlastend, ein wenig im Remontesitz", so Braun. Aus dieser Komfortzone heraus kann der Reiter dann versuchen, etwas mehr "dranzusitzen": "Ich bewege meinen Oberkörper etwas mehr nach hinten – das kann manchmal nur minimal sein."

Ziel ist ein mehr bergauf gesprungener Galopp. Nach ein paar Sprüngen sitzt Braun wieder entlastender und lässt das Pferd sich mehr in die Tiefe an den Zügel herandehnen.
"Spaß an der Versammlung vermitteln"

Barockausbilder Richard Hinrichs ist wichtig, dass das Pferd Spaß an der Versammlung hat. "Es soll sie gar nicht als höhere Anforderung wahrnehmen", erklärt er. Darum packt er die versammelnde Arbeit zwischen andere Herausforderungen – etwa einen fleißigen Arbeitstrab, dessen Tempo das Pferd schon etwas aus der Komfortzone lockt.
"Oder ich reite im Anschluss an zwei verkürzte Tritte zwei Tritte Arbeitstrab und dann zwei Tritte starken Trab." Im Anschluss an Piaffetritte galoppiert Hinrichs gerne frisch vorwärts mit tiefer, gedehnter Kopf-Hals-Haltung. "Das ist koordinativ anspruchsvoll fürs Pferd." Die Wechsel zwischen Versammlung und frischem Vorwärts fördern Geschicklichkeit und Kraft und motivieren das Pferd für beides gleichermaßen. "Während der Piaffe-Tritte wartet es schon auf das Vorwärts – und umgekehrt", erklärt Hinrichs.
"Die Acht individuell anpassen"

Ausbilder Michael Putz unterscheidet zwischen versammelnden und versammelten Übungen. Erstere sollen das Pferd allmählich in Bezug auf die Tragkraft physisch und psychisch aufbauen, letztere setzen schon ein gewisses Maß an Versammlung voraus. Eine eindeutige Abgrenzung gibt es aber nicht, denn die Einstufung hängt auch vom Pferd und dessen Ausbildungsstand ab.
Die "Acht" ordnet Putz den versammelnden Übungen zu – erklärt aber, dass sie mit einem erfahrenen Dressurpferd auch das Richtige für die Lösungsphase sein kann, bei einem jüngeren dagegen das Ziel der Arbeitsphase.
Je nach Können von Pferd und Reiter lässt sich die Acht zudem individuell anpassen: Die "große Acht" entsteht durch ein "Aus dem Zirkel wechseln"; die "kleine Acht" besteht aus zwei Zehn-Meter-Volten, die jeweils in einer Ecke an der kurzen Seite des Vierecks geritten werden. Als Trennlinie kann man sich die Mittellinie vorstellen, damit beide Volten gleich groß werden. Auf der Mittellinie wird das Pferd auch umgestellt.

"Der Wechsel von einer Wendung in die andere mit flüssigem Umstellen ist besonders anspruchsvoll, wenn man dafür wenig Zeit hat", weiß Putz. Sein Tipp für alle, die noch üben: Die Volten ein klein wenig oval anlegen, um auf der Mittellinie etwa länger geradeaus reiten zu können und so Platz und Zeit für das Umstellen zu gewinnen.

Fortgeschrittene können die kleine Acht auch in der Mitte der Bahn zwischen E und B reiten oder an beliebiger Stelle. "Besonders wertvoll ist sie aber an der kurzen Seite, weil dann die Ecken beim Biegen des Pferds helfen", erklärt Michael Putz.
"Wichtigen Details Beachtung schenken"

Bianca Rieskamp setzt für die versammelnde Arbeit auf eine bei vielen in Vergessenheit geratene Übung: das "Reiten in Stellung". Meist wird dazu auf dem zweiten Hufschlag geritten, das Pferd ist um den inneren Schenkel gebogen und gestellt. Der verwahrende äußere Schenkel soll dann dafür sorgen, dass das äußere Hinterbein etwas mehr nach innen, in Richtung zwischen die Vorderhufe fußt. Die Hinterbeine fußen also schmaler. Das Pferd nimmt dadurch mit dem äußeren Hinterbein vermehrt Last auf. "Das Reiten in Stellung ist wichtig, um kleine Wendungen korrekt reiten zu können, als Vorbereitung für die Seitengänge und für das korrekte Galoppieren", so Rieskamp.
Auch der Reiter profitiert von dieser Lektion: Er übt, seine Hilfen richtig aufeinander abzustimmen und das Pferd geradezurichten. Das sind wichtige Voraussetzungen für die Versammlung.
Eine weitere Lieblingsübung der Ausbilderin: Übergänge. "Nicht nur die sogenannten versammelnden Übergänge wie Galopp-Schritt-Galopp oder Trab-Halten-Antraben fördern die Versammlung. Korrekt geritten können allle Übergänge, wenn sie schnell hintereinander geritten werden, versammelnde Wirkung haben", sagt sie.
Ihr Tipp: Kurze Übergänge zwischen Arbeitstrab und Mittelschritt reiten. Das korrekte Antraben im schwungvollen Arbeitstrab mit feinen Hilfen sorgt für eine aktive Hinterhand, der Vorwärtsgedanke bleibt erhalten. Bereits nach wenigen Tritten durchparieren zum Mittelschritt oder bei fortgeschrittenen Reitern und Pferden auch zum versammelten Schritt. Das sorgt für die nötige Durchlässigkeit auf die Hilfen. "Das alles zusammen im Wechsel führt häufig dazu, dass das Pferd einige Tritte versammelten Trab anbietet, die der Reiter annehmen kann, um danach sofort wieder in den Arbeitstrab überzugehen", ist Rieskamps Erfahrung.

Auf dem Weg zur Versammlung lohnt sich auch der Blick auf Details, die das Bewusstsein für die Hinterhand schulen, erklärt Rieskamp. Im korrekten Halten etwa sollen die Hinterhufe nebeneinander und etwa auf Höhe des Hüfthöckers zum Stehen kommen, wenn man von diesem ein Lot zum Boden fällt. "Versuchen Sie, in der Parade von hinten nach vorne zu treiben, so dass es unter den Schwerpunkt tritt – ohne das Pferd vorne festzuhalten."
Steht trotzdem ein Hinterbein nach hinten heraus, kann man es mit dem gleichseitigen Schenkel vortreiben. "Beim geschlossenen Stehen mit herangeholter Hinterhand nimmt das Pferd Last auf und es entsteht eine vermehrte Hankenbeugung, was versammelnd wirkt und außerdem Voraussetzung für weitere Lektionen wie das Rückwärtsrichten ist", so Bianca Rieskamp.