Hohe Lektionen: Die Piaffe
Die Piaffe ist für mich eines der schönsten Reitgefühle – das Pferd bündelt all seine Kräfte unter mir, voller Leichtigkeit, Verbundenheit und Harmonie”, schwärmt Ausbilderin Nicole Künzel. Solche hohen Lektionen sind eine Kunst, deren Ursprung aber in der Natur liegt: Hengste tänzeln etwa auf der Stelle, wenn sie Stuten imponieren wollen. Wie bei einer Piaffe!
In der klassischen Dressur nutzen Reiter diese natürliche Anlage der Pferde. "Wir wollen aber keinen erhöhten Erregungszustand oder Stressreaktionen hervorrufen, sondern bauen die benötigte Kraft für schwere Lektionen langsam auf und nutzen sie für die Gymnastizierung”, erklärt die Fachfrau. Sie wollen mit Ihrem Pferd hoch hinaus? Wie Sie über Arbeit an der Hand und mit gezielten Übungen hohe Lektionen wie die Piaffe vorbereiten – und warum Ihr Pferd davon profitiert, zeigen wir Ihnen hier.
Fit bis ins hohe Alter
Die Ausbildung des Pferds ist vergleichbar mit dem Bau eines Hauses: Grundvoraussetzung für eine gute Statik und Langlebigkeit bei Wind und Wetter ist ein stabiles Fundament. Wird das Haus Stein für Stein sinnvoll nach dem Plan des Architekten aufgebaut, entsteht als Resultat ein schönes Gebäude, welches die Zeit überdauert. "So ist es auch mit der Ausbildung des Pferds, die Schritt für Schritt nach gutem Plan erfolgt und das Tier gesund erhält”, meint Nicole Künzel. Pferde bauen zwar schnell Muskulatur auf und einige bieten auch schon früh hohe Lektionen, wie die Piaffe an. Aber der Körper braucht Zeit, um stabil genug für schwere Aufgaben zu sein. Eine reelle Anlehnung, korrekte Übergänge innerhalb und zwischen den Gangarten und Dehnungshaltung sind die Basis für weitere Lektionen. Diese haben keinen Selbstzweck: Sie dienen der Durchlässigkeit, Gymnastizierung und Tragfähigkeit. "Reiter dürfen sich nicht mental vom Pferd verabschieden und es körperlich überfordern, weil sie unbedingt eine Lektion beherrschen wollen”, sagt Nicole Künzel. Wer hingegen die Ausbildung logisch und ohne Zeitdruck aufbaut, erhält als Lohn ein fittes Reitpferd bis ins hohe Alter.

Der 22-jährige Hengst Suavito in der Levade: Lektionen aus der klassischen Dressur halten ihn fit bis ins Alter.
Sie wollen lernen, wie Sie auch Ihr Pferd zum Piaffieren bringen können? Hier können Sie alle Übungen von Nicole Künzel nachlesen:
Spielerisches Üben erhält die Freude
Nicole Künzels Hengst Suavito strahlt auch mit 22 Jahren in der Piaffe und bündelt seine Kraft für eine Levade. Hohe Lektionen bietet er von selbst an. Das Geheimnis: Bauen Sie das Training von hohen Lektionen logisch und spielerisch auf. "So entwickeln Pferde Freude und Ehrgeiz. Die Tiere fühlen sich kraftvoll und können sogar in der Herdenhierarchie aufsteigen”, erklärt Nicole Künzel. Stets in der Reitbahn Lektionen abspulen bis zur Perfektion – das macht weder Pferd noch Reiter Spaß. Nicole Künzel fragt Piaffe, Passage und Co. gerne auch im Wald oder auf der Wiese ab – oder übt sie in der Freiarbeit, ganz ohne Sattel und Trense.

Piaffe ganz frei: Wallach El-Xeizapo hebt den Rücken, die Hinterhand arbeitet – der Trainingseffekt ist gut sichtbar.
Schon alte Reitmeister verbesserten mit der Piaffe den Galopp
Für François Robichon de La Guérinière (1688 – 1751) gehörte die Piaffe übrigens zur Grundausbildung. Er bildete sie noch vor dem versammelten Schulgalopp aus. Wieso das? Die Piaffe schult ungemein die Versammlungsfähigkeit des Pferds. Die Lektion hilft dadurch Pferden mit Problemen beim Galopp. Eine Schülerin von Nicole Künzel kam mit ihrem Fahrpferd zur Ausbildung: Die Stute hatte es schwer, überhaupt anzugaloppieren und den Galopp zu halten. "Wir verfeinerten die Durchlässigkeit und schulten sie in der Piaffe, nun fällt ihr das Angaloppieren immer leichter und sie zeigte im letzten Unterricht einen wunderschönen Galopp”, erzählt die Dressurausbilderin.

Der Galopp profitiert von der Piaffe: Denn die Versammlungsfähigkeit verbessert sich.
Der Weg zur Piaffe
Ausbilderin Nicole Künzel zeigt Übungen, mit denen sie die Piaffe mit ihren Pferden vorbereitet und verbessert.
Übung 1: Spiel mit Energie und Spannung. In der Piaffe oder einer anderen hohen Lektion wie der Galopp-Pirouette ist ein Pferd in einem anderen Energiezustand als in der Dehnungshaltung. Es bündelt seine Kraft – körperlich und mental. "In der Ausbildung spiele ich immer wieder mit Grenzen. Hohe Energie heißt aber nicht Stress”, sagt Nicole Künzel. Als Ziel gilt: Das Pferd bleibt motiviert und versteht, was der Reiter möchte. Ansonsten geht es immer wieder zur Basis zurück, gerade, wenn etwas nicht klappt. "Wir sollten von jeder Piaffe in eine reelle Dehnung reiten oder an der Hand zum ruhigen Stehen parieren können”, sagt die Ausbilderin.

Das Reiten in Dehnungshaltung sollte vor und nach der Lektion möglich sein.
Aber oft schauen Pferde in der Piaffe angestrengt oder konzentriert – was dann? Übungen wie die Piaffe strengen das Pferd an – sie erfordern Kraft und Konzentration. Das spiegelt sich teils im Gesichtsausdruck. Probieren Sie es selbst aus: Stellen Sie sich neben das Pferd und hopsen erst mit relativ gestreckten Beinen auf der Stelle. Einfach, oder? Das wäre beim Pferd die nicht gesetzte Piaffe mit hoher Kruppe – wie wir sie nicht wünschen. Nun beugen Sie die Knie, senken den Po etwas und heben Ihre Beine abwechselnd. So wäre es in der korrekten Piaffe – und das ist ziemlich anstrengend. Dabei noch zu lächeln, fällt schwer. So geht es auch den Pferden.

Selber fühlen: Heben Sie die Beine und piaffieren – so merken Sie, wie viel Kraft Pferde dafür brauchen.
Übungen dürfen anstrengen. Die Tiere sollten aber keine Abwehrreaktionen bei einer Lektion zeigen. Stressanzeichen wie dauerhaftes Schweifschlagen, hochgezogene Nüstern, eine unruhige Atmung oder gar ein Zähneknirschen dürfen nicht auftreten. "Deshalb entlasse ich das Pferd nach einer anstrengenden Übung in ein entspanntes Vorwärts oder lasse es am hingegebenen Zügel stehen”, sagt die Ausbilderin.

Lob und Pausen fördern den Lernerfolg.
Die Expertin

Nicole Künzel schult in Seminaren und in ihrem evipo-Ausbildungszentrum in Fuhrberg/Niedersachsen Pferde und Reiter in klassischer Dressur, Bodenarbeit, Arbeit an der Hand, und Zirkuslektionen. Sie ist Fachautorin und schrieb unter anderem das Buch "Jeder Gedanke ist eine Kraft. Durch positive innere Bilder im Einklang mit dem Pferd". (www.evipo.de)