Für mehr Pferdewohl: Vereinigung fordert gebisslose Zäume

Kommen gebisslose Zäume auf Dressurturnieren?
„Neun von zehn wollen gebisslose Zäume auf Turnieren sehen“

Zuletzt aktualisiert am 27.07.2023
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Foto: Rädlein

Die "World Bitless Association" (WBA) mit Sitz in Großbritannien setzt sich für das gebisslose Reiten ein – und fordert von Pferdesportverbänden weltweit Regeländerungen zur Gleichbehandlung von Pferden und Reitern mit und ohne Gebiss. In diesem Frühjahr reichte sie einen formellen Antrag bei der internationalen Dachorganisation des Pferdesports FEI ein: Diese soll gebisslose Zäumungen optional in internationalen Wettbewerben zulassen – besonders in Hinblick auf die Dressur, wo bisher die Pflicht zum Gebiss gilt. Ihr Anliegen untermauerte die Organisation mit umfangreichen wissenschaftlichen Belegen.

Regeländerung als mutiger Schritt für mehr Pferdewohl

Angesichts einer internationalen Veranstaltung zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Pferdesports, zu der die Wohltätigkeitsorganisation "World Horse Welfare" Mitte Juni eingeladen hatte, erneuerte die WBA ihre Forderung via Facebook. Der Pferdesport müsse mutig und proativ sein, um die gesellschaftliche Akzeptanz zu bewahren, forderte "World Horse Welfare" als Fazit der Veranstaltung. Gebisslose Zäumungen auf Turnieren zuzulassen, sei ein guter Start, um mutig zu sein und veraltete Regeln zu ändern, kommentierte die WBA. Mit dem Geschäftsführer von "World Horse Welfare", Roly Owers, soll die FEI ein Treffen einberufen haben, um den Antrag der WBA auf Zulassung gebissloser Zäume zu prüfen, wie das österreichische Pferdeportal propferd.at berichtete.

Warum genau jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Änderung der Regeln sein soll? Wir haben bei Johanna Richardson von der World Bitless Association nachgefragt.

Warum denken Sie, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um gebisslose Zäumungen auf internationalen Turnieren in der Dressur zu erlauben?

2021 verbot die FEI das Rasieren der Tasthaare. Wir hatten zuvor eine Petition gestartet und wissenschaftliche Materialien dazu bei der FEI eingereicht. Die Gefahr von Schmerzen durch Gebisse stellt aus unserer Sicht eine weit größere Gefahr für das Pferdewohl dar als das Rasieren der Tasthaare. Schmerzen und Druck durch das Gebiss können das Tierwohl gefährden. Deshalb müssen gebisslose Zäume zum Wohl der Pferde erlaubt werden. Unsere wissenschaftlichen Belege zeigen, dass das Risiko von Angst, Schmerzen oder Leiden durch den Gebiss-Druck die traditionellen Regeln überwiegen. Anlehnung ans Gebiss oder Akzeptanz des Gebisses sind demgegenüber zweitrangig.

Ist die Reiterwelt denn bereit für gebisslose Turniere?

Die im November 2022 veröffentlichten Schlüsseldokumente der Ethikkommission der FEI besagen, dass das Pferdewohl und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierendes Training für Reiter und die Kommission selbst an erster Stelle stehen. Wir haben im Jahr 2020 außerdem eine weltweite Befragung durchgeführt, die zeigte, dass neun von zehn Reitern gebisslose Zäumungen in Turnierprüfungen sehen wollen – und die gleiche Zahl fand, dass es eine Gefährdung des Tierwohls darstellt, gebisslose Zäumungen nicht zu erlauben. Für die gesellschaftliche Akzeptanz des Reitsports sind Taten statt Worte nötig. Würde die FEI die Regeln ändern und gebisslose Zäume optional erlauben könnte sie zeigen, dass das Pferdewohl im Wettkampf ihr oberstes Anliegen ist.

Wie hat die FEI nach Eigang Ihres Antrags reagiert und wie schätzen Sie die Chancen auf eine tatsächliche Regeländerung ein?

Die FEI hat unverzüglich geantwortet und uns versichert, dass das Thema intern geprüft und dem Expertenteam für Ausrüstung zur weiteren Untersuchung vorgelegt werde. Wir hoffen, dass die FEI sich wie beim Rasieren der Tasthaare an die wissenschaftlichen Erkenntnisse hält. Die Erkenntnisse rund um gebisslose Zäumungen zu ignorieren gefährdet den Fortschritt in Sachen Pferdewohl.

Welche gebisslosen Zäumungen sollten aus Ihrer Sicht auf Turnieren erlaubt werden?

Wir würden gerne gemeinsam mit dem Ausrüstungs-Team der FEI die pferdefreundlichsten gebisslosen Zäumungen ermitteln. Zäume, die eine Hebelwirkung haben oder so konstruiert sind, dass die Einwirkung des Reiters einen größeren oder anhaltenden Druck oder Schmerz schafft, befürworten wir nicht. Manche der gebisslosen Zäumungen, die die FEI aktuell erlaubt, würde die WBA nicht empfehlen – erst recht nicht, wenn sie mit einem Gebiss kombiniert werden, um mehr Druck auf den Pferdekopf auszuüben.

Tatsächlich sind gebisslose Zäume nicht immer sanfter.

In über 20 Jahren der wissenschaftlichen Forschung gab es keine Studie die beweist, dass Gebisse nicht schmerzhaft sind, keinen Druck ausüben oder die Gesundheit des Pferds und seines Mauls fördern. Es gibt keinerlei Daten die belegen, dass Pferde mit Gebiss besser trainierbar sind oder dass ein Gebiss die Sicherheit für den Reiter erhöht. Wir stehen für wissenschaftsbasiertes Training, das auf der Lerntheorie basiert. So können Konflikte bei den grundlegenden Hilfen vermieden werden. Sie sollten sanft und eindeutig sein. Von gebisslosen Zäumungen profitiert das Pferd in Hinblick auf sein Wohlergehen stärker als von Zäumungen mit Gebiss.