- Die Expertin
- Das Pony
- Body-Check
- Übung 1: Zirkel-Training im Parcours
- Übung 2: Abkauen vorm Reiten
- Übung 3: Gymnastische Linien reiten
- Wann ist das Pferd bereit zum Reiten?
Die Expertin

Wir begleiten Jana Tumovec über ein halbes Jahr beim Training mit Bonaparte und zeigen, mit welchen Übungen sie aus ihm ein tragfähiges Reitpferd macht. Tumovec kommt aus Eisenach und ist seit 20 Jahren Pferdeosteopathin und Physiotherapeutin für Menschen und Pferde. Sie bildet Fachleute zu "konzeptionellen Reha-Trainern Equine" aus – und konzipiert maßgeschneiderte Trainingspläne für ihre tierischen Patienten.
Das Pony
Bonaparte ist ein sechs Jahre altes Connemara-Pony. Er kommt vom Händler. Dieser wollte ihn aussortieren, da der Wallach als Springpferd nichts taugte. Das Pony war nicht gymnastiziert, es konnte nur gerade über einen Sprung laufen. Zirkel? Unmöglich. Seine neue Besitzerin möchte, dass er ein gesundes und fittes Freizeitpferd wird. Bonaparte hat einen lieben Charakter, ist aber unaufmerksam – und eher langsam in seinen Reaktionen.
Body-Check

Oft geht der Blick beim Muskeltraining dahin, wo Muskeln wachsen. Bei Bonaparte ist aber etwas geschrumpft – und das ist ein großer Erfolg für die Trainerin. Der Trizeps war stark ausgeprägt. "Er hat sich mit der Vorhand vorwärts gezogen – ein ungesundes Bewegungsmuster. Das brauchte einen Neustart", sagt Jana Tumovec. Zudem drückt Bonaparte nicht mehr den Unterhals raus. Der Wallach hat ein neues Bewegungsgefühl. Beim Reiten fiel er anfangs jedoch in alte Muster zurück: Kopf hoch und los. Auch hier muss nun ein Neustart her und Bonaparte lernt, das Gleichgewicht unterm Reiter zu finden.

Übung 1: Zirkel-Training im Parcours
Bauen Sie sich einen Parcours mit verschiedenen Trainingsstationen: einem Stangen-Dreieck, zwei langen Gassen und zwei Cavaletti-Sprüngen (siehe Skizze).

Absolvieren Sie jedes Hindernis hintereinander je zwei Mal auf der rechten und je zwei Mal auf der linken Hand. Dann wechseln Sie zur nächsten Station. Die Reihenfolge der Stationen ist beliebig. "Das ist vergleichbar mit dem Zirkeltraining für den Menschen", sagt Jana Tumovec.
Aufwärmen: Das Pferd trägt einen Kappzaum. Vor dem Parcours führen Sie es Pferd drei Runden ganze Bahn. In jeder Ecke und jeweils Mitte der kurzen und langen Seite bauen Sie dabei eine Volte ein. Auf den langen Seiten Tempo zulegen zwischen den Volten. Dann wiederholen Sie den Ablauf auf der anderen Hand. Es folgen fünf Minuten Trab an der Longe auf jeder Hand mit Schwerpunkt Takt und Losgelassenheit.
Station 1: Das Balance-Dreieick
Legen Sie drei Softstangen zu einem Dreieck. Longieren Sie das Pferd zwei Mal von der Basis (lange Seite) zur Spitze über das Dreieck – diese Richtung ist fürs Pferd leichter. Danach läuft es zwei Mal von der Spitze zur Basis.

"Trifft das Pferd die Spitze, ist das ein Zeichen dafür, dass es schon gut geradegerichtet ist", erklärt Jana Tumovec. Nach vier Durchgängen stellen Sie sich ins Dreieck. Von dort aus longieren Sie das Pferd etwa zwei Runden auf jeder Hand im Trab ums Dreieck herum.

Das ähnelt der Übung "enges Zirkeln" aus Teil 3 dieser Serie.
Station 2: Gerade durch die Gasse
Bauen Sie mit Ufos oder Stangen eine gerade Gasse in der Bahn auf: fünf bis acht Meter lang und ein bis zwei breit. Legen Sie die Gasse so, dass ihre äußere Ufo-Reihe und die Bande eine zweite Gasse bilden.

Das erleichtert dem Pferd die gerade Linie. Diese Gasse ist also einfacher. Um später den Schwierigkeitsgrad zu steigern, legen Sie die Gassen einfach enger. Longieren Sie das Pferd nun gerade durch die Gassen hindurch – im Schritt und Trab.

Beeinflussen Sie es dabei möglichst wenig mit der Longe, damit es selbst seine Balance findet.
Station 3: Cavaletti-Sprünge für Freude
Bauen Sie zwei Cavaletti am Hufschlag auf und longieren das Pferd im Galopp darüber.

Wird es dabei ungestüm, schalten Sie einen Gang runter und absolvieren die Übung im Schritt oder Trab. Nach der Konzentration in den Gassen und im Dreieck kann das Pferd hier mental durchlüften. Kleine Sprünge fördern die Motivation und bringen Freude.
Physio-Effekt: Der Parcours bietet viele Handwechsel und Wechsel zwischen geraden und gebogenen Linien. Das aktiviert die Hinterhand. Denn mal lastet rechts, mal links mehr Gewicht. "Durch diese Umlastung kommt die Hinterhand beim Pferd automatisch mehr ins Bewusstsein", erklärt Jana Tumovec. Das Dreieck fördert die Balance und Trittsicherheit. In der langen Gasse schwanken viele Pferde anfangs. Aber die gerade Linie fördert mit der Zeit die Geraderichtung und die Pferde lernen, ihren Rumpf zu stabilisieren.
Übung 2: Abkauen vorm Reiten
Jana Tumovec übt mit Bonaparte vor dem Reiten für etwa zwei bis vier Minuten das Abkauen. Der Wallach soll nicht möglichst viel kauen, sondern den Unterkiefer öffnen und schlucken. Wenn er das tut zeigt sich, dass er im Unterkieferast wirklich nachgibt. Das Pferd trägt dabei eine Trense. Das Gebiss darf sich nicht seitlich durchs Maul ziehen lassen. Empfehlenswert sind Schenkeltrensen, D-Ring-Trensen – oder auch Gebisse mit Gummiringen an den Seiten.
So geht’s: Jana Tumovec steht vorm Pferd und fasst links und rechts mit den Daumen in die Gebissringe.

Dann baut sie langsam an beiden Gebissringen gleichmäßigen Druck nach oben auf. Öffnet das Pferd das Maul auch nur ansatzweise, gibt sie sofort nach. Reagiert das Pferd nicht, erhöht sie den Druck nicht – sondern wartet ab. "Irgendwann schluckt das Pferd – dann lobe ich sofort und gebe nach." Laut Trainerin kann es bis zu drei Wochen dauern, bis Pferde die Übung verstehen. Hier ist Geduld gefragt. Wiederholen Sie die Übung etwa drei Mal, stets vor dem Reiten.
Als nächstes übt die Trainerin die seitliche Nachgiebigkeit. Sie steht neben der Pferdeschulter und hält beide Zügel in den Händen. Auf der Seite, zu der das Pferd den Hals wenden soll, hebt sie die Hand etwas und baut wieder gleichmäßigen Druck auf den Maulwinkel auf – bis das Pferd nachgibt. "Das darf ruhig über Stellung im Genick hinausgehen, sodass das Pferd den Hals zur Seite dreht. Das dehnt die äußere Halsseite", sagt Tumovec.

Achten Sie darauf, dass der innere Zügel nicht am Hals anliegt. Das erhöht die Gefahr, dass das Pferd sich im Genick verkantet und es nicht korrekt um die Achse dreht.
Physio-Effekt: Kiefer- und Kopfgelenke sind eine Einheit. "Über Abkauübungen und einen lockeren Kiefer löse ich auch das Genick – was wiederum essentiell für die Losgelassenheit und die korrekte Anlehnung ist", erklärt Jana Tumovec. Wichtig: Die Zügel wirken aufwärts und nie zurück. Denn dann würde das Gebiss auf die Zunge wirken, die ein starker Muskel ist und gegen das Gebiss drückt. "So entstehen sonst Zungenbeinblockaden", weiß die Expertin.
Übung 3: Gymnastische Linien reiten
Takt finden auf dem Mittelzirkel: Vor dem Reiten führen Sie das Pferd zehn Minuten Ganze Bahn im Schritt. Trab im Takt an der Longe kennt Bonaparte. Nun soll er es mit Reiter üben. Dafür geht es im Trab auf den Mittelzirkel. Der Reiter hat dabei den gewünschten Takt wie ein Metronom im Kopf. "Ich zähle dem Pferd den Takt auch vor: Tak-tak-tak", sagt die Physiotherapeutin. Der Reiter trabt leicht. Wird das Pferd zu eilig, behält der Reiter trotzdem beim Leichttraben den eigenen Takt bei. Das Pferd soll sich anpassen. "Dafür muss ich etwas gegen die Pferdebewegung sitzen. Das fühlt sich erst komisch an – aber die Pferde passen sich schnell an."
Der Mittelzirkel-Effekt: Der Kreis um Bahnpunkt X ist eine von Jana Tumovecs Lieblingslinien. "Das Pferd lernt von Anfang an die äußeren Hilfen des Reiters kennen wie das begrenzende äußere Bein – und der Reiter vernachlässigt diese nicht. Schließlich hilft ihm die Bande nicht." Reiten Sie die Übung etwa zehn Minuten am Stück und wechseln alle drei bis fünf Runden die Hand.

Schlangenlinien mit vier Bögen: Reiten Sie drei Mal hintereinander Schlangenlinien durch die Ganze Bahn mit vier Bögen im Schritt – wenn das flüssig klappt auch im Leichttraben. Jeder Bogen ist eine halbe Volte.

Physio-Effekt: Wechseln Sie von der Biegung auf die Gerade, geben Sie nicht nur mit dem inneren Zügel die Stellung auf – sondern nehmen den äußeren Zügel leicht an. "Der äußere Zügel nimmt die Energie des inneren Hinterbeins auf. Dadurch hebt sich der Rumpf, was für Stabilität im Halsansatz sorgt", so Tumovec.
Wann ist das Pferd bereit zum Reiten?
"Bevor ein Reiter mit Gewicht den Pferderücken belastet, sollte das Pferd balanciert auf der gebogenen Linie laufen können", erklärt Jana Tumovec. Bonaparte hat dies durch systematisches Training an der Longe und an der Hand gelernt. Das Pferd geht dabei in positiver Spannung, setzt aktiv seine Rumpftragemuskulatur ein und fällt nicht auf die innere Schulter. Bonaparte schleudert nicht mehr um Kurven und driftet in der Wendung auch nicht mehr nach außen weg. Die Energie aus der Hinterhand verliert sich nicht mehr über die äußere Schulter. Sein inneres Hinterbein tritt diagonal Richtung Schwerpunkt. Das alles sind Zeichen dafür, dass Bonaparte im Gleichgewicht ist. Der Wallach bewegt sich zudem im gleichmäßigen Takt. Er ist optimal fürs Reiten vorbereitet. Anfangs wird er jeden zweiten Tag Schritt geritten – für 20 bis 30 Minuten (siehe Trainingsplan).

In der zweiten Woche kommt Trab dazu.