Hitzige Pferde richtig händeln

Eine Frage - drei Experten
Reden Sie aufgeregten Pferden gut zu?

Veröffentlicht am 29.03.2024
CAVALLO Eine Frage, drei Experten - aufgeregte Pferde
Foto: Lisa Rädlein

Das sagt der Horseman zur Beruhigung mit Stimme

Ich kann nachvollziehen, dass viele Trainer davon abraten, aufgeregte Pferde mit der Stimme zu beruhigen. Denn das funktioniert tatsächlich nur, wenn man selbst keine Angst hat – alles andere macht die Situation nur noch schlimmer. Ich halte es so: Wenn ein Pferd Angst vor etwas hat oder sich aufregt, konfrontiere ich es mit dem Gegenstand oder der Situation und mache ihm klar, dass Ausweichen keine Option ist. Mein Ziel ist es, dass wir es gemeinsam schaffen, daran vorbei- oder darauf zuzugehen. Ich spreche beruhigend und mit langgezogenen Vokalen mit dem Pferd, oft pfeife ich auch. Am besten kann ich meine Stimme in einer solchen Situation jedoch nutzen, wenn ich bei meinem Pferd einen bestimmten Begriff oder Laut, der "Entspann‘ dich!" bedeutet, installiert habe.

Allerdings muss ich das natürlich schon lange vorher fest verankert haben, damit ich es in brenzligen Situationen abrufen kann. Ich bringe dem Pferd das Kommando bei, indem ich es in Verbindung mit entspannenden Griffen an bestimmten Körperstellen wiederhole – so lange, bis der erwünschte Effekt nur mit meiner Stimme und ohne die Berührungen hervorgerufen werden kann. Das ist nur ein Beispiel für viele verschiedene Stimmsignale, die man Pferden beibringen kann. Sie sind intelligent genug, um das zu lernen! Für mich ist das die optimale Nutzung der Stimme in der Kommunikation mit dem Pferd.

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Lisa Rädlein

Das sagt die Verhaltensforscherin zum Umgang mit ängstlichen Pferden

Oft heißt es, aufgeregten Pferden soll man nicht gut zureden, da sie das als Lob und Bestätigung für ihr Verhalten empfinden. Ich denke eher, dass ein Pferd in einer stressigen Situation gar nicht in der Lage ist, gutes Zureden als Lob zu deuten. Die Stimme alleine wird es auch nicht beruhigen. Viel wichtiger für die Kommunikation mit dem Pferd ist unsere Körperspannung, die es als Herdentier genau wahrnimmt. Hat das Pferd gelernt, dass es sich entspannen kann, wenn ich entspanne, wird das meist auch in angsteinflößenden Situationen funktionieren. Wenn nicht, muss ich versuchen, die Aufmerksamkeit des Pferdes durch meine eigene positive Grundspannung von dem Auslöser weg auf mich zu lenken und ihm eine Handlungsalternative zu seiner eigenmächtigen (Flucht-)Reaktion zu bieten. So kann ich zum Beispiel das Seitwärts- oder Rückwärtsweichen verlangen – vorausgesetzt, ich habe das vorher geübt. Dann hat das Pferd etwas zu tun, was es kennt und als beruhigend empfindet. Sein ganzer Körper ist beschäftigt und wird durch das Weichen buchstäblich wieder weich. In dem Moment werde auch ich weich, atme aus, gebe ihm Raum, so dass es sich entspannen kann. Während dieses ganzen Vorgangs kann ich meine Stimme aufmunternd und lobend einsetzen – als einen Baustein in diesem Handlungskonzept.

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Lisa Rädlein

Das sagt die Trainerin zum Handling nervöser Pferde

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Zureden oft unbewusst geschieht und eher ein Symptom für die Anspannung des Menschen ist als ein bewusst angewendetes Tool. Viel wichtiger ist es daher, als "Lernmanager" des Pferdes eine aufregende Situationen aktiv zu gestalten und selbst dabei ruhig zu bleiben. Dann wird das Zureden nebensächlich, weil Pferd UND Mensch zwar herausgefordert, aber nicht überfordert sind. Dabei unterscheide ich zwischen Komfort-, Lern- und Panikzone. Mit einem fürs Pferd sinnvollen Vorgehen befinden wir uns in herausfordernden Situationen in der Lernzone, überschreiten aber nicht die Grenzlinie zur Panikzone. Das bedeutet etwa, dass ich dem Pferd Zeit lasse, einen gruseligen Gegenstand aus der Entfernung zu beäugen, bis er nicht mehr allzu aufregend ist. Im nächsten Schritt nähern wir uns gemeinsam dem Gegenstand an. So gebe ich dem Pferd die Chance, die Erfahrung zu machen, dass das nur halb so wild war. Es geht mit einem Lerneffekt aus der Situation. Wenn Pferd und Mensch auf diese Weise gemeinsam, in kleinen Schritten und ohne beidseitige Überforderung vorgehen, braucht es in der Regel kein gutes Zureden, sondern bald ein überschwängliches Lob.

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Balija