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Wie die Haltung für Power-Beine sorgt
Viel Bewegung: Mit gutem Reiten ist es alleine nicht getan. Damit ein Pferd gesund auf den Beinen bleibt, sollte es sich auch außerhalb der Trainingszeiten viel bewegen können. Ausbilderin Corinna Hengefeld hält ihre Pferde je nach Typ in großen Paddockboxen mit Koppelgang oder tagsüber im „Paddock-Trail“, einer Haltungsform mit gezielten Bewegungsanreizen auf knapp 4 Hektar. Das Prinzip: Auf etwa 1,5 Kilometern Länge verlaufen ein Haupt- und vier Nebentrails – was die Pferde stets in Bewegung hält. Wasserstelle und Futterplätze sind über den gesamten Trail verteilt, was für ein ständiges Kommen und Gehen in der Herde sorgt: „Vertreibt ein ranghöheres Tier ein rangniederes, marschiert dieses einfach weiter zum nächsten Fressplatz.“ Breite Wege und viel Platz sorgen für Ruhe. Es gibt es keine Ecken, in die ein Pferd gedrängt werden kann. Und weil sich alle Pferde aus dem Weg gehen können, entstehen erst gar keine Rangeleien. „Es besteht also keine Verletzungsgefahr“, geht Hengefeld auf des Reiters größte Sorge ein, sein Pferd könnte sich die Beine mit den Kumpels kaputt treten.
Rücksicht nehmen: Doch: Wie Hengefeld aus eigener Erfahrung weiß, sind manche Pferde mit zu viel Bewegung überfordert. „Manche können oder wollen weniger als die in unserer Herde üblichen 6-10 Kilometer am Tag laufen“, erklärt die Stallbetreiberin und rät: „Beobachten Sie genau, wie wohl sich Ihr Pferd in einer Haltungsform fühlt. Gibt es Verhaltensauffälligkeiten, verliert es Gewicht, bewegt es sich anders? Dann sollten Sie unbedingt handeln!“
Hengefeld weiß, wovon sie spricht. So magerte ein Schützling trotz bester Haltungs-Konditionen im Paddock-Trail immer weiter ab, lahmte vermehrt. „Offenbar war sein Bewegungsapparat mit den vielen Kilometern überfordert, auch wenn es keine Befunde gab“, folgerte Hengefeld. Der Wallach zog um in eine Paddockbox mit täglichem Weidegang, ist heute ein pumperlgesundes, zufriedenes Pferd.
Rosten verhindern: Zufriedene Pferde auf gesunden Beinen sind auch Sybille Markert-Baeumers oberstes Gebot. Auf ihrem Schilcherhof gibt es so viel Platz, dass die Distanzmeisterin ihre Herden frei Nase zusammenstellen und Freundschaften berücksichtigen kann. „Die Tiere animieren sich gegenseitig zur Bewegung, sei es im Spiel oder auf der Futtersuche. So sind ihre Beine stets in Bewegung, gut durchblutet und perfekt aufs Reitpferdedasein eingestimmt.“
Doch selbst nicht mehr reitbare Pferde kommen bei Markert-Baeumer wieder auf die Beine. „Ein altes Warmblut kam zu uns mit verdickten Sehnen, der Wallach hat in seinem Leben kaum eine Koppel gesehen“, erzählt sie. „Sein Besitzer wollte ihm noch zwei schöne Monate auf der Koppel schenken.“ Das ist nun schon ein paar Jahre her, der 32-jährige Wallach grast immer noch auf dem Hof, geht barhuf und wird sogar regelmäßig spazieren geritten. Genau wie andere Rentner bei der Pferdezüchterin sieht der Senior den Doc nur zum Impfen. Nur wer rastet, rostet!
Pferdebeine checken: Apropos sehen: Eine aufmerksames Auge kann Pferdebeine ebenfalls sehr gut schützen. So kommen Corinna Hengefelds Pferde abends alle Tiere in ihre Boxen, von denen viele mit Paddock ausgestattet sind. Der Trail ist nämlich nur tagsüber geöffnet. Das ist Corinna Hengefeld wichtig, damit sie eventuelle Verletzungen oder Erkrankungen rechtzeitig sieht.
„Überprüfen Sie die Pferdebeine täglich vor und nach der Bewegung auf Verletzungen, Schwellungen oder vermehrte Wärme“, empfiehlt Tierärztin und Ernährungsberaterin Dr. Anne Mößeler (www.praxis-moesseler.de :
http://www.praxis-moesseler.de). Halten Sie sich außerdem unbedingt an den von Ihrem Hufschmied empfohlenen Beschlags- oder Hufpflegetermin. „Bei Pferden, deren Hufe nicht korrekt gestellt sind, kommt es zu Fehl- und Überbelastung der Gelenke.“
Passende Fütterung: Beine und Gelenke leiden auch, wenn Pferde fett gefüttert werden – häufig unbewusst schon übers Raufutter. „Heu hat je nach Herkunft und Sorte unterschiedliche Qualität und Energiegehalte“, so Dr. Mößeler. „Frisst ein leichtfuttriges oder weniger aktives Tier hochenergiehaltiges Heu, geht das auf die Rippen.“ Wie energiereich Ihr Heu ist, weiß Ihr Stallbetreiber, oder Sie finden es mit einer Analyse heraus.
Mit einer Heuanalyse können Sie auch einschätzen, welche fürs Pferd wichtigen Mineralstoffe das Raufutter bereits enthält und ein passendes Zusatzfutter wählen. „Zink, Kupfer und Selen lassen sich so etwa optimieren“, sagt Dr. Mößeler. Und eine individuell angepasste Fütterung hilft im Zweifel auch dem Bewegungsapparat.
Sinnvoll ergänzen: Spezielle Ergänzungsfutter können den Bewegungsapparat ebenfalls unterstützen – Wunder vollbringen sie jedoch nicht. „Es gibt viele Produkte im Handel, die sich teils deutlich in Zusammensetzung und Wirkstoff-Konzentration unterscheiden. Daher ist es oft schwierig, den Überblick zu behalten und zu vergleichen“, erkärt Dr. Mößeler.
Bei vielen Substanzen ist ihre Bioverfügbarkeit noch nicht sicher geklärt – also ob und in welchem Umfang ein Wirkstoff im Verdauungstrakt absorbiert werden kann und ob er im Gelenk eine Wirkung entfaltet, wenn er verfüttert wird. Häufig fehlen beim Pferd aussagekräftige Studien, und nicht alle Produkte basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
„Reiter müssen im Zweifel ausprobieren, ob ein Mittel dem Pferd hilft“, sagt Anne Mößeler. „Tritt nach längerer Zeit keine Besserung ein, kann man sich die Produkte im wahrsten Sinne des Wortes sparen.“ Zumal manche Mittel auch schaden können, etwa einige Algenprodukte mit überhöhtem Jodgehalt. „Am Ende kommt es immer aufs Gesamtpaket an“, betont die Expertin. „Gute Haltung, ausgewogene Ernährung und angepasstes Training sorgen zusammen für gesunde, starke Pferdebeine!“