Fühlen, hören und sehen sind die Trümpfe für den Takt. Das Trio ist der Schlüssel fürs vielbeschworene zeitliche und räumliche Gleichmaß der Gänge. Das heißt, dass jeder Schritt, Tritt oder Sprung des Pferds den gleichen Raumgriff hat und auch genauso lange dauert wie der vorhergehende oder nachfolgende.
Takt und Tempo sind wiederum Verbündete: Denn jedes Pferd hat in jeder Gangart einen bestimmten Bereich von Tritten pro Minute, in dem es sich ausbalanciert bewegen kann. Und sich locker bewegt: Takt und Losgelassenheit sind zwei untrennbar verbundene Ausbildungsziele und die Basis für jede Lektion.
Wie steht es um den Takt Ihres Pferds? Augen auf, Ohren auf und das Gefühl im Po eingeschaltet!
Das Gefühl im Sattel
Wenn Sie Ihrem Pferd vertrauen, schließen Sie beim Schrittreiten die Augen und fühlen Sie hin. Schwingt der Brustkorb des Pferds gleichmäßig von einer Seite zur anderen? Senkt sich Ihr Becken und das Ihres Pferds gleichmäßig? Das sind Anzeichen, dass Ihr Pferd losgelassen und im Takt geht. Sitzen Sie beim Traben und Galoppieren bequem auf Ihrem Pferd? Das ist ein gutes Indiz für taktreine, losgelassene Bewegungen. Im Idealfall spüren Sie keine Rumpler im Trab, und jeder Galoppsprung hebt Sie wie eine Welle nach oben und vorne.
Ein probates Hilfsmittel fürs feine Taktgefühl ist – natürlich – Musik. Hier sind ein paar Hits, die Sie beim Reiten und Fühlen unterstützen:
Im Schritt liegt die Schlagzahl meist zwischen 90 und 110 beats per minute (bpm). Dazu passen etwa die Lieder "Baby one more time" (Britney Spears, 93), "Faith" (George Michael, 96) oder "The Best" (Tina Turner, 104).
Im Trab liegt die Schlagzahl in der Regel zwischen 128 und 160 bpm. Dazu passen "Moves like Jagger" (Maroon 5, 128), "It’s a beautiful day" (Michael Bublé, 144), "Happy" (Pharell Williams, 156) oder "Footloose" (Kenny Loggins, 160).
Im Galopp liegt die Schlagzahl zwischen 90 und 110 beats per minute. Hören Sie doch dazu mal "If you had my love" (Jennifer Lopez, 94), "Here I am" (Bryan Adams, 99), "Brand new day" (Sting, 105) oder "The eye of the tiger" (Survivor, 109).
Gut zuhören
Je leiser Ihr Pferd auffußt, desto besser. Auch ein schweres Warmblut kann und sollte sich leichtfüßig anhören. Pferde, die hart auffußen, sind verspannt – und daher nicht losgelassen. Lauschen Sie auch der Atmung Ihres Pferds: Holt es gleichmäßig Luft? Atmet es langsam und im gleichen Rhythmus? Dann bewegt es sich wie gewünscht locker.
Die korrekte Fußfolge hören Sie am ehesten, wenn Sie die Augen schließen. Tack-Tack-Tack-Tack – so klingt der saubere Viertakt im Schritt (am einfachsten zu hören auf hartem Boden). Ein Galoppsprung sollte wie Ra-Ta-Tamm klingen (die falsche Verschiebung zum Viertakt ist eher ein Ra-Ta-Ta-Tamm). Und was ist mit dem Trab? Unreinheiten sind hier nur schwer zu hören; verlassen Sie sich lieber aufs Sehen oder Fühlen.
Blick-Kontrolle
Beobachten Sie Ihr Pferd beim geregelten Freilauf, an der Longe, lassen Sie es sich vorführen – oder filmen Sie es am besten. Achten Sie im Schritt darauf, ob die Beine nacheinander abfußen: Das Vorderbein muss quasi am Boden bleiben, bis das Hinterbein da ist.
Gehen Sie dann zum Trab über. Hier sollten sich die diagonalen Beinpaare gleichmäßig nach vorne bewegen. Auch im Galopp ist das diagonale Beinpaar der Knackpunkt: Inneres Hinterbein und äußeres Vorderbein sollten möglichst gleichzeitig auffußen.
Und mit den vielen praktischen Tipps renommierter Ausbilder, die Sie auf den folgenden Seiten lesen, haben Sie alle Takt-Asse im Ärmel.
"Den Takt der Metronom-App mitlaufen lassen"

Claudia Butry ist Trainerin A mit Schwerpunkt Dressur und Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners in Kempten.
"Reiter und Pferde sind oft nicht in der Lage, den Rhythmus zu halten. Takt bedeutet auch in einem Tempo gleichmäßig zu bleiben", sagt Claudia Butry. Ihr Tipp: Beim Longieren im Trab, wenn das Pferd schön anfängt zu federn und zu schwingen, mit einer Metronom-App den Takt aufzeichnen. Bei vielen Apps kann man den Takt mit dem Finger auf dem Bildschirm antippen. Das wird gespeichert und die App sagt einem, wie viele Schläge pro Minute das sind. "Beim Reiten kann man später diesen Takt leise mitlaufen lassen, das ist auch eine gute Übung aus neuro-athletischer Sicht."

Eine andere Möglichkeit ist, den Takt mitzusprechen, zum Beispiel Trab, Trab, Trab, Trab. "Wenn man sich selbst B eintaktet, macht das Pferd das mit. Oder der Ausbilder sagt den Takt an. Im Leichttraben kann man schneller oder langsamer aufstehen", rät Claudia Butry. Wenn das Pferd eilig ist, langsamer aufstehen. Das Pferd hat ja das Bedürfnis, unter dem Schwerpunkt des Reiters zu bleiben. Oder schneller aufstehen und hinsetzen, wenn das Pferd zu langsam ist, so bekommt man einen schönen gleichmäßigen Takt hin. Eine gute Übung es es, im Galopp kleinere oder größere Galoppsprünge zu reiten. "In dem Moment, in dem man ein Bild davon hat, reagieren der eigene Körper und auch das Pferd darauf. Man kann sich auch beim Galopp den Takt vorsagen. Je nach gewünschtem Tempo wäre das ein knackiges Galopp oder ein entspanntes Gaaalopp", sagt Claudia Butry.

"Zuerst sollte man seine eigene Wahrnehmung schulen"

Svenja Braun ist Pferdewirtin und Trainerin für Islandpferde im baden-württembergischen Wört.
"Mit Gangpferden arbeitet man oft jahrelang am Takt; und wer die Skala der Ausbildung nicht als dynamisches System verstanden hat, der kommt da leicht in Stress", sagt Gangpferdeausbilderin Svenja Braun. Bei vielen Pferden sei über Jahre kein komplett klarer Takt vorhanden, zum Beispiel weil sie stark lateral veranlagt sind oder den Galopp eher laufen. "Um den Takt zu verbessern, sollte man zuerst sein eigenes Gefühl und die Wahrnehmung für den Takt schulen. Das ist oft nicht so einfach, weil viele Pferde beispielsweise leicht passig gehen im Tölt und dem Reiter dann das Gefühl im Hintern fehlt."
Ihr Tipp: Wenn das eigene Pferd nicht vermitteln kann, wie sich ein guter Tölt oder Trabtakt anfühlt, dann sollte man einfach mal ein anderes Pferd reiten. Zum Beispiel ein Lehrpferd oder auch das Pferd einer Freundin.

Am besten ein Pferd, auf dem man im Tölt nicht viel tun muss, um korrekten Takt zu erfühlen. "Wenn man gewohnt ist, als Reiter immer was zu machen, um das Pferd im Takt zu unterstützen, dann einfach mal am durchhängenden Zügeln im Becken spüren, wie das Pferd mich eigentlich von sich aus bewegt." Prima ist auch ein Feedback von einem Reitlehrer, der sagt, wann das Pferd taktklar läuft. "Mit geschlossenen Augen oder entspannt im Gelände kann man sein eigenes Taktgefühl gut analysieren und verbessern", rät Svenja Braun.
"Kunst ist, den Takt vorzugeben, ohne den Charme zu zerstören"

Richard Hinrichs lehrt klassische Reitkunst und leitet das Institut für klassische Reiterei in Hannover.
"Musik ist eine gute Möglichkeit, um den richtigen Takt zu finden und zu erhalten", rät Dressurausbilder Richard Hinrichs. Nicht umsonst nutzten schon die berittenen Truppen Musik im passenden Tempo.
Zeitweise hat Richard Hinrichs im Unterricht auch ein Metronom eingesetzt, das mechanisch oder elektronisch den Takt vorgibt. Einige Reitschüler habe dies aber eher irritiert und nervös gemacht, weil sie Schwierigkeiten hatten, sich dem Tempo sofort anzupassen.
"Minimale Anpassungen der Schritt-, Trittoder Sprungfrequenz haben unter anderem bei der Piaffe große Effekte. Ob man sie zum Beispiel mit 92 oder 96 Tritten pro Minute reitet, beeinflusst bereits den Ausdruck des Pferds enorm", erklärt Hinrichs. Er persönlich habe seine Hilfen verfeinern können, indem er sie dem Tempo des Metronoms angepasst habe.
Beim Reiten mit Musik nimmt Richard Hinrichs, wie in manchen Tanzschulen, ein Musikabspielgerät zu Hilfe, mit dem die Geschwindigkeit verändert werden kann. Musik lässt sich so dem gewünschten Tempo anpassen. Die Stücke wählt er individuell für seine Reitschüler aus. Er selbst entspannt sich zum Beispiel gerne bei Musik des österreichischen Komponisten Carl Michael Ziehrer. Neben Klassik eigne sich als Taktgeber auch passende Pop-Musik. "Hilfreich, um den richtigen Takt zu finden, ist auch das Reiten von Übergängen, die je nach Bedarf auffrischend oder beruhigend wirken können."

Gerade wenn Menschen gestresst zu ihrem Pferd kommen, rät Hinrichs, mit Musik zu reiten. Die Musik erleichtere dem Reiter das richtige Takt-Gefühl zu bekommen und man könne den Takt besser seinem Pferd vermitteln. "Reiten hat für mich viel mit Dirigieren gemeinsam. Die Kunst ist es, einen Takt vorzugeben, aber dabei den Charme des Pferds nicht zu zerstören. Das heißt den Takt bestimmen, dann aber auch das Pferd wieder gewähren zu lassen."
Viele Reiter stören den Takt des Pferds, indem sie unpassend bei jedem Schritt treiben. "Damit kann man das Pferd aus dem Takt heraustreiben, das Pferd wird eilig oder kommt in den Pass. Bei nervösen Pferden kann taktmäßiges Treiben dem Pferd aber auch Sicherheit geben und es beruhigen", sagt Richard Hinrichs.
"Durch Zählen kann man einen guten Takt halten, ohne eilig zu werden"

Bianca Rieskamp ist Pferdewirtin und Reitpädagogin. Sie unterrichtet klassische Reitlehre und Freiheitsdressur.
Das Mitzählen im Takt, zum Beispiel im Schritt, ist für Bianca Rieskamp eine gute Methode. "Zu Beginn ist es leichter, nur das Schreiten der Vorderbeine zu zählen, weil man die Hinterbeine meist weniger fühlt. Also abwechselnd das Nachvornegehen der Vorderbeine bzw. der Schulter zu erfühlen. Das bringt schon sehr viel. Gezählt wird dann eins, zwei, drei..." Hilfreich: die Zügel loslassen, auch die Hände vorne auf die Schultern des Pferds legen – und dann erspüren, wann die Schultern vorgehen und ob dabei der Takt gleichmäßig ist. Im Trab ist das Mitzählen einfacher. Ein guter Gradmesser: Beim Aufstehen und Hinsetzen einfach auf eins, zwei mitzählen.
Leichttraben: "Wichtig im Trab ist es, nicht zu hoch aufzustehen, denn dann läuft das Pferd eiliger, unruhiger und schiebt sich auf die Vorhand." Rieskamps Tipp: Im Sattel bewusst üben, nicht übermäßig hoch, sondern nur minimal aufzustehen – und das ganz gleichmäßig durchzuhalten. Knie- und Fußgelenk sollten dafür locker sein. Aufstehen sollten Sie eher nach vorne als nach oben. Das kann man übrigens auch am Boden mit leicht gebeugten Knien üben; dabei auf- und abgehen. Kommen Sie selbst dabei dauernd aus dem Takt? Dann kann das auch Ihrem Pferd unterm Sattel passieren. Die Trockenübung eignet sich aber gut, um am Leichttraben zu feilen.

Galopp: Hier empfiehlt Bianca Rieskamp eine Methode von Gert Schwabl von Gordon. "Hilfreich beim Galopp ist es, sich immer wieder Sprung-Parade, Sprung-Parade, Sprung-Parade vorzusagen. Das heißt, erst kommt die treibende Hilfe, dann evtl. eine regulierende Hilfe, wenn der Galoppsprung nicht gleichmäßig bleibt", so die Ausbilderin.
Die treibenden Hilfen stehen dabei im Vordergrund: "Man darf nur eine Parade geben, wenn man auch getrieben hat. Den richtigen Zeitpunkt muss man erst erfühlen." So könne man ein gut ausgebildetes Pferd in den Rhythmus bringen oder auch zulegen lassen. Durch das Zählen erhält man einen gleichmäßigen Takt, ohne eilig zu werden.
Übungen für den Takt im Galopp: Hier bietet es sich an, Galoppstangen im leichten Sitz zu reiten. Beginnen Sie erst mit drei Stangen; je nachdem, wie groß der Galoppsprung Ihres Pferds ist, mit Abständen zwischen 3 und 3,50 Metern als In & Out.
Bei allen Pferden muss man darauf achten, die Abstände richtig zu legen, sonst stört man eher den Takt. Sind die Abstände zu groß, wird sich das Pferd eher festmachen. Bei passendem Abstand hingegen lösen sich oft Pferde, die sonst eher verhalten gehen. Klappt es mit drei Stange, nehmen Sie eine vierte hinzu. "Nur wenn man erfahren ist und alles sehr gut klappt, kann man auf sechs bis acht Stangen ausbauen", findet Bianca Rieskamp.