Wir werden Worker! Unter diesem Motto probieren drei ganz unterschiedliche Reiterinnen die Trend-Disziplin Working Equitation für CAVALLO aus. Mit dabei sind CAVALLO-Autorin Christiane Wehnert, 34, Dressurreiterin Maria Vetter, 20, und Yvonne Gutsche, 38. Sie führt einen eigenen Berittbtrieb in Bad Wimpfen. Unsere Test-Reiterinnen haben eine besondere Trainerin: die amtierende Working-Equitation-Weltmeisterin Mirjam Wittmann.
Trail-Hindernisse sorgen für Schwung im Training
Im letzten Heft lernten die drei Frauen bereits mehrere Übungen für Einsteiger mit typischen Worker-Trail-Hindernissen, etwa einem Holz-Stier, kennen. Heute zeigt Mirjam Wittmann, wie man die Dressur mit Hilfe der Working Equitation verbessern kann. „Und da starten wir mit dem Reiten auf gebogenen Linien wie Zirkel und Volten“, sagt die Trainerin. Diese Bahnfiguren sind unverzichtbare Basis der „Worker“, wie die Reiter der Working Equitation umgangssprachlich genannt werden.

Warum? „Bei der Rinderarbeit auf freiem Feld, wo Working Equitation ihren Ursprung hat, müssen die Hirten ständig Kringel reiten, um die Herde durchs Gelände zu verfolgen“, erklärt Mirjam Wittmann. Auch wer keine Kühe treiben muss, profitiert vom Kurven- Training: Die Bahnfiguren sind eine tolle Gymnastik fürs Pferd. Mirjam Wittmann kombiniert die Figuren mit einfachem Trail-Equipment wie Pylonen. „Damit haben Pferd und Mensch Fixpunkte, an denen sie sich in der Bahn orientieren können. So verstehen sie die Aufgaben besser und führen sie von Anfang an korrekter aus“, sagt die Trainerin.
Vier Pylonen geben Pferd und Reiter Orientierung
Für die CAVALLO-Trainingseinheit auf dem Pferdehof Czeschner in Hohenstadt bei Ulm schnappt sich Mirjam Wittmann vier Pylonen. Zusätzlich steckt sie jeweils eine Slalomstange in jedes Hütchen. „Damit nehmen Pferd und Mensch die Markierung noch besser wahr“, erklärt Wittmann. Die Stangen gibt es übrigens in der Fußball-Abteilung von Sportgeschäften zu kaufen. Die drei Test-Reiterinnen stehen bereits in den Startlöchern. „Ich freue mich aufs Training“, sagt CAVALLO-Autorin Christiane Wehnert. „Mir haben die ersten Übungen schon sehr viel Spaß gemacht. Und man macht so schnell Fortschritte. Danach wird man richtig süchtig. Ich bin gespannt, was sich Mirjam für uns überlegt hat.“
Zirkel und Volte – jetzt geht’s richtig rund
Die beiden Bahnfiguren sind absolute Worker-Basis-Übungen. Außerdem sind Zirkel und Volten Bestandteil jedes Working-Equitation-Parcours.

Wozu ist das gut? Gerade zu Beginn einer Trainingseinheit sind Zirkel und Volten effektive Lockerungsübungen fürs Pferd. Während sich die Muskulatur auf der inneren Seite auf der Kreisbahn verkürzt, dehnt sich die Muskulatur außen. Das macht innen kräftig und außen geschmeidig. Zirkel und Volten fördern außerdem Hinterhandaktivität und Geraderichtung. Vom Kreiseln profitiert auch der Reiter. Er lernt exakt runde Bahnfiguren zu reiten, das Pferd über den Sitz zu wenden und die Hilfen besser aufeinander abzustimmen.
Aufbau: Für die Übung brauchen Sie eine Pylone sowie eine Slalomstange. Stellen Sie die Pylone in die Zirkelmitte und stecken Sie die Slalomstange ins Hütchen.
So geht's: Reiten Sie im Schritt auf dem Zirkel. Die Pylone ist Ihr Kreismittelpunkt, den Sie nicht aus den Augen verlieren. Drehen Sie dabei den Oberkörper mit. Der innere Gesäßknochen wird etwas mehr belastet. Legen Sie den äußeren Schenkel verwahrend zurück. Der innere Schenkel treibt am Gurt. Der innere Zügel sorgt für die korrekte Stellung nach innen, indem Sie die Hand leicht anheben. Der äußere Zügel lässt diese Stellung zu und begrenzt das Pferd nach außen. Setzen Sie Hand und Bein möglichst wenig ein. „Pass auf, dass dein Kreis kein Osterei wird“, sagt Mirjam Wittmann zu Maria Vetter.
Um einen exakt runden Kreis hinzubekommen, kennt die Trainerin einen Trick: Schritte zählen (A). „Stell dir auf der Zirkellinie das Ziffernblatt einer Uhr vor“, sagt Mirjam Wittmann. „Jetzt zählst du die Schritte deines Pferds in jedem Viertel, sprich von 12 bis 3 Uhr, von 3 bis 6 Uhr und so weiter. Ziel ist es, in jedem Viertel die gleiche Schrittzahl zu haben“. Klappt das, verkleinern Sie allmählich den Abstand zur Pylone bis Sie auf einer Volte sind. Um das Pferd gleichmäßig zu trainieren, reiten Sie die Übung abwechselnd auf beiden Händen. Legen Sie zwischendurch Pausen ein. „Mehrere Wiederholungen sind effektiver als endlose Kringel-Runden“, sagt Mirjam Wittmann.
Lust auf mehr? Klappt die Übung im Schritt, dürfen Sie um die Pylone traben oder galoppieren. Fortgeschrittene können den Kreis auch mit Seitengängen wie Schulterherein oder Travers aufpeppen. Wie das mit Hilfe der Working Equitation gelingt, lesen Sie im zweiten Teil. Liegende Acht – so werden Pferde ganz geschmeidig Die Acht ist nicht nur eine Steigerung von Übung 1, sondern auch ein Trail-Hindernis auf Working-Equitation-Turnieren.
Liegende Acht – so werden Pferde ganz geschmeidig
Wozu ist das gut? Eine Acht besteht aus zwei Volten in unterschiedliche Richtungen. Dementsprechend haben Achterschlaufen die gleichen positiven Effekte auf Ihr Pferd wie Übung 1, nur lockern und stärken sie die Muskulatur noch gleichmäßiger auf beiden Händen. Die ständigen Richtungswechsel machen darüber hinaus Pferde wacher und fleißiger. Achterschlaufen fördern auch Flexibilität, Reaktionsschnelligkeit sowie Geschick von Pferd und Reiter.

Aufbau: Für die Übung brauchen Sie zwei Pylonen mit zwei Slalomstangen. Für Worker-Neulinge empfiehlt unsere Expertin einen Hütchen-Abstand von sechs Metern.
So geht's Im Schritt reiten Sie zunächst rechte Hand auf einer Volte um die erste Pylone. Die Hilfengebung ist in Übung 1 beschrie- ben. Zwischen den Hütchen angekommen (Mitte anpeilen!), reiten Sie eine Pferdelänge geradeaus, schauen dann zum zweiten Hütchen und stellen das Pferd dabei um. Danach biegen Sie auf die linke Hand um die zweite Pylone ab. Wichtig: Beide Volten sollten gleich groß sein. Wenn es im Schritt klappt, traben Sie und sitzen zwischen den Hütchen um.

Lust auf mehr? Fortgeschrittene absolvieren die Acht im Galopp mit einfachen oder fliegenden Wechseln zwischen den Pylonen. Noch eine Worker-Variante: „Erst die Acht im Galopp ausführen. Anschließend in der Mitte beider Pylonen anhalten und beide Hütchen in einer Acht rückwärts umrunden“, ergänzt die Trainerin.
Slalom – Schlangenlinien zur Feinabstimmung
„Ich liebe dieses Trail-Hindernis nicht nur auf dem Turnier, sondern vor allem als Übung im täglichen Training“, sagt Mirjam Wittmann. „Egal, ob Pferd und Reiter auf E-Niveau oder Grand-Prix-Level sind, den Slalom kann ich so anpassen, dass er für alle eine Herausforderung ist und die Dressur richtig schön verfeinert.“

Wozu ist das gut? Durch die ständigen Richtungswechsel werden Pferde geschmeidiger, rittiger, wendiger und balancierter. Auch der Reiter muss sich rasch umstellen, um in jedem Slalombogen die richtigen Hilfen zu geben. Das schult Koordination sowie Konzentration und fördert die Feinabstimmung zwischen Pferd und Reiter. Die Schlangenlinie hat einen weiteren Vorteil: „Die Übung entlarvt sehr gut Sitzfehler“, sagt Mirjam Wittmann. Anschließend kann man mit Hilfe des Slaloms den Sitz auch effektiv verbessern. Welche Erfahrungen unsere Test-Reiterinnen gemacht haben, lesen Sie rechts.

Aufbau: Stellen Sie fünf Hütchen mit Slalomstangen auf der Mittellinie oder Diagonalen auf. Für Worker-Neulinge empfiehlt Mirjam Wittmann einen Abstand von neun Metern zwischen den Pylonen (A).
So geht's: Reiten Sie im Schritt auf einer flachen Schlangenlinie um die Pylonen. Versuchen Sie, die Bögen gleich groß anzulegen und jeweils die Mitte zwischen den Hütchen zu treffen. Das Pferd ist in die jeweilige Bewegungsrichtung gestellt sowie gebogen. Achten Sie darauf, Schultern und Oberkörper zum Abwenden mitzudrehen. Rahmen Sie das Pferd mit Ihren Hilfen ein, sodass Vorder- und Hinterhand auf einer Spur gehen. Nicht jedes Pferd bleibt dabei schön auf Kurs. „Manche brechen über die Schulter nach außen aus“, sagt die Expertin. „Das fühlt sich dann so an, als ob man einen zu großen Bogen reitet.“ Sie rät, in der Wendung die Vorhand schulterhereinartig etwas mehr in die Mitte zu führen. Zieht es das Pferd nach innen, soll der Reiter an ein Schenkelweichen denken und das Pferd mit dem inneren Bein nach außen dirigieren. Klappt die Übung im Schritt, können Sie traben. Denken Sie nur daran: Die flotten Richtungswechsel sind anstrengend fürs Pferd. Legen Sie daher nach jedem Mini-Erfolg eine kurze Pause ein.
Lust auf mehr? Experimentieren Sie mit Übergängen: Reiten Sie den Parcours im Trab. Parieren Sie jeweils zum Schritt durch, kurz bevor Sie die Mitte zwischen den Pylonen er- reichen, stellen das Pferd um und traben wieder an (B). Das geht auch im Galopp mit einfachen oder fliegenden Wechseln.

Cavallo-Test: Sitz-Analyse im Slalom
Schlangenlinien machen Pferde nicht nur herrlich geschmeidig, auch der Reiter profitiert davon gleich zweifach: Die Kringel zeigen, wie man im Sattel sitzt und helfen zurück zur Mitte zu finden. Wie geht das?
Knick in der Hüfte – Christiane Wehnert
„Meiner Araberstute Shimounah und mir fielen Rechtsbögen schwerer als Linksbögen. Shimounah driftete in der Wendung über die Schulter nach außen. Das habe ich bei den prompt aufeinanderfolgenden Richtungswechseln und im direkten Vergleich sehr deutlich gemerkt. Der Fehler liegt nicht beim Pferd, sondern bei mir: Ich knicke in der rechten Hüfte nach innen ein (A). Dadurch belaste ich meinen äußeren Gesäßknochen mehr und Shimounah folgt dieser Gewichtshilfe nach außen. Mirjams Tipp: Ich soll mich zu Beginn jedes Rechtsbogens ein Mini-Stück nach rechts im Sattel setzen. Dann belaste ich den inneren Gesäßknochen richtig. Der Lerneffekt dieser Übung ist phänomenal: Die ständigen Richtungswechsel zentrierten meinen Sitz“.

Steifer Oberkörper – Maria Vetter
„Die exakte Linienführung war für meine Stute Queeni und mich eine echte Herausforderung. Ich konnte machen, was ich wollte, der Rechtsbogen war stets größer als der Linksbogen. Mirjam hat sofort gesehen, woran das liegt: Rechtsrum drehe ich mit Schultern und Oberkörper zu wenig mit. Damit ich ein Gefühl dafür bekomme, wie weit ich mich rechtsrum bewegen kann, ist Mirjam im Slalom neben mir gelaufen und hat meine Schultern geführt (B). Das war für mich sehr hilfreich und ich war überrascht, welchen Effekt das auf Queeni hatte. Plötzlich lief sie gleichmäßige Bögen, ohne dass ich viel machen musste. Im weiteren Training ohne Mirjam soll ich mich an den Slalomstangen orientieren und sie nicht aus den Augen verlieren, dann dreht mein Oberkörper automatisch richtig mit. Das klappt sehr gut – ein toller Aha-Effekt!“
