Sternchen ist ein Frechdachs, wie er im Buche steht. Anstatt fürs Porträtfoto stillzustehen und charmant unter seinem blonden Schopf hervorzublinzeln, versucht der siebenjährige Haflingerwallach seine Besitzerin in den Arm zu zwicken. Auch beim Reiten ist Sternchen eine kleine Herausforderung. "Im Galopp kommen wir nicht richtig weiter", klagt Besitzerin Nicole Junga, die ihr Pony selbst ausbildet. "Entweder rennt er mir unter dem Sattel davon oder er fällt gleich wieder aus."
Sternchen war ein Mitleidskauf. Nicole Junga hatte ihn als Schlachtfohlen gerettet. Der Plan war: ausbilden und in gute Hände verkaufen. Ist aber vor geraumer Zeit gescheitert. Erstens, weil es noch an der Ausbildung hapert. Aber vor allem wohl, weil der nette Haflinger seiner Besitzerin tatsächlich Sternchen in die Augen zaubert. Dressurausbilderin Dr. Britta Schöffmann, die Pferd und Reiterin heute helfen möchte, hat jedoch einen kritischeren Blick. "Die Kruppe ist rassetypisch schwierig, er ist leicht überbaut", stellt sie prüfend fest. "Aber ansonsten ist sein Gebäude gar nicht so verkehrt." Na also.
Unter dem Sattel wirkt Sternchen recht harmonisch. Seine Reiterin lässt ihm Raum, sich zu finden und wartet, bis er bereit ist, an den Zügel heranzutreten.

Die Trainerin beobachtet Pferd und Reiter genau. Ihr fällt auf: Die Reiterin agiert zu viel mit Absatz und Unterschenkeln, was Sternchen meist total ignoriert. Seine Hinterhand müsste aber aktiver werden, damit er sich besser ausbalancieren und tragen kann. "Auf einen Schenkelimpuls sollte er reagieren", erklärt sie. "Lieber wirst du einmal energisch, als jeden Schritt und Tritt nachzutreiben."
Annehmen und nachgeben
Außerdem soll Nicole Junga darauf achten, dass sie auf dem Zirkel auf der inneren Seite Sternchens Wimpern und den Rand seiner Nüstern sehen kann. Vor allem auf Sternchens etwas festerer Seite gestaltet sich jegliche Stellung sehr schwierig. Um Pferd und Reiterin hier zu helfen, hat Dr. Schöffmann einen Tipp: Die Reiterin soll die innere Hand ein wenig nach oben führen und dort halten, bis das Pferd beginnt, leicht zu kauen. In diesem Moment muss sie mit dem Zügel mit einer ruhig-fließenden Bewegung wieder nachgeben.
Der Vorteil dieser Übung: Der Zügel wirkt nicht rückwärts und drückt das Gebiss auf Zunge und Laden, sondern erzeugt nur leichten Druck auf die Maulwinkel. "Wenn du die Stellung hast, musst du aber innen sofort loslassen", mahnt Dr. Britta Schöffmann.

Nun aber auf zum eigentlichen Problem: Dem Galoppieren. Die Reiterin lässt ihr Pferd aus dem Trab anspringen und möchte auf einem großen Zirkel bleiben. Als die beiden von der Reitplatzumzäunung weg auf die offene Seite Richtung X zusteuern, bricht der Haflinger aus dem Zirkel aus und rennt geradeaus davon.
Körpersprache entlarvt die Reiterin
"Du bist schon mit einer negativen Erwartung angaloppiert", erkennt die Trainerin. Die Haltung der Reiterin hat ihre Gedanken verraten: Nicole Junga ist mit ihrem Oberkörper nach vorne gekippt und hat gleichzeitig ihr Gewicht aus dem Sattel genommen. Ihre Einwirkung ist damit verloren gegangen. "Nun probierst das Gleiche nochmal", ermuntert Dr. Schöffmann die Reiterin.
Nicole Junga soll beim Angaloppieren darauf achten, schwer im Sattel sitzen zu bleiben und ihren Oberkörper aufrecht zu halten. "Und nimm die Gerte in die äußere Hand. Wenn du wieder an den Punkt kommst, an dem er dir aus dem Zirkel abgehauen ist, tippst du mit der Gerte gegen seine äußere Schulter."
Gesagt, getan: Beim nächsten Mal sehen wir Sternchen an, dass er wieder einen Versuch in die falsche Richtung starten möchte, doch Nicole Junga reagiert rechtzeitig mit der Gerte – und ihr Pony galoppiert weiter auf dem Zirkel. "Das Galoppieren an sich ist nicht Sternchens Problem, wohl aber seine Schiefe: Er ist rechts sehr steif und links extrem hohl", erkennt Dr. Britta Schöffmann. "Für die weitere Arbeit bedeutet das, die Geraderichtung zu verbessern."

Schiefes Pony gerade richten
Und wie wird das schiefe Pony wieder gerade? Die Trainerin rät: "Reite viele Wendungen und immer wieder ein Zirkel verkleinern und vergrößern." Die Aufgabe auf dem Zirkel: Den Haflinger auf der hohlen Seite (linke Hand) etwas weniger stellen und mit dem äußeren Zügel die äußere Schulter am seitlichen Ausweichen hindern. Auf der festen rechten Seite soll Nicole Junga bewusst auf korrekte Stellung achten. "Dabei darf deine innere Hand aber nicht stören. Du musst also aufpassen, rechts nicht mit dem Zügel rückwärts einzuwirken", beschreibt Dr. Schöffmann. Auf der rechten Hand wiederum soll die Reiterin versuchen, mehr vom inneren Zügel loszukommen, damit Sternchens rechtes Hinterbein nicht blockiert wird. Auch hier kann sie das leichte Anheben der inneren Hand nutzen.
Und noch etwas: Damit sich der Haflinger nicht auf die Reiterhand stützt, soll sie immer wieder zwischendurch für ein paar Meter die Zügel aus der Hand kauen lassen und dabei nachtreiben. "So hilfst du deinem Pferd, sich selbst zu tragen und sein Gleichgewicht zu finden", erklärt die Ausbilderin. Puh, da muss die Reiterin sich ganz schön konzentrieren. Doch trotz ihres roten Kopfs ist sie glücklich: "So einen guten Unterricht hatte ich noch nie!"
Fein gemeint ist oft nicht fein eingewirkt
Sternchen trabt fleißig auf dem Zirkel und sieht dabei zufrieden und konzentriert aus. Ein bisschen wundert uns das schon, so frech und selbstbewusst doch der junge Haflingerwallach im Umgang ist. Aber seine Reiterin gibt sich auch Mühe, ihm ein gutes Gefühl zu geben. Aber gerade deshalb gibt es etwas zu verbessern: Nicole Junga reitet mit offenen Händen. Die Reiterin macht das unbewusst, weil sie vorsichtig und fein einwirken möchte.

Aber: "Mit ausgestreckten Fingern kann man nicht nachgeben", erklärt Dr. Britta Schöffmann. "Eine feine Einwirkung ist so gar nicht möglich." Tatsächlich – wenn die Reiterin nachgibt, streckt sie ihre Hände weit vor. Die Arme werden steif, der Oberkörper folgt den Händen und kippt vor die Senkrechte.
Ihr Tipp: Die Reiterin soll die Zügel so tragen, ab so sie ein kleines Vögelchen in den Fäusten halten würde. Zum Nachgeben soll sie den Vogel gedanklich fliegen lassen, zum Annehmen energischer fassen. So kann sie punktgenau einwirken und ihr Oberkörper bleibt da, wo er hingehört.
Tipp gegen zu kurze Zügel
Ein weiteres Problem: Nicole Junga reitet mit sehr kurzen Zügeln. Dr. Schöffmann bittet die Reiterin, sich im Halten nach vorne zu strecken, bis sie mit den Händen die Gebissringe fassen kann. "Könntest du so reiten? Bist du locker?", fragt sie. "Nein", antwortet die Reiterin in ihrer unglücklichen Lage und lacht.

"Deine Arme können nicht länger werden, als sie sind. Je mehr du sie streckst, desto weniger kannst du sitzen und mitschwingen. Du brauchst zwar die Zügel als Verbindung zum Pferdemaul, aber du brauchst auch einen ausbalancierten Sitz, um korrekte Hifen geben zu können."
Die Trainerin rät Nicole Junga, die Zügel etwa zwei Zentimeter länger zu lassen, den Oberkörper um diese zwei Zentimeter weiter zurück zu verlagern und ihre gewinkelten Ellenbogen bewusster an den Körper zu nehmen. "So sitzt du stabiler und kannst besser einwirken", erklärt sie. Die Reiterin ist erstaunt. "Ich habe bislang immer nur gehört, dass ich die Zügel kürzer fassen soll. Diese Lösung kenne ich noch nicht."
Fazit: Galopp, marsch!
Was der Tipp bringt, sehen wir sofort: Sternchens Besitzerin gibt im Sattel nicht nur ein ganz anderes Bild ab, sondern auch der Wallach selbst. Er trägt sich besser und tritt aktiver mit den Hinterbeinen unter. Die Reiterin strahlt. Auch ein letzter Galopp klappt prima. "Mach weiter so", ermuntert Dr. Britta Schöffmann. "Bevor du angaloppierst, achte darauf, dass du Sternchen am Sitz hast und dass er in einem ruhigen Tempo trabt. Dann klappt das auch!"