Gleichgewichts-Training für Reiter
Tipps für die richtige Balance auf dem Pferd

Ob bergab reiten, schnelle Wendungen hinbekommen oder das Pferd versammeln: In all diesen Situationen benötigen Sie Balance. So bekommen Sie es hin!

CAV Geländelektionen Bergauf
Foto: Rädlein

Gas geben! Üben Sie Schlittschuhfahren – und schon bewegen Sie sich balanciert vorwärts.

Wie sieht’s aus? Bewegt sich das Pferd normal vorwärts, ohne sich zu sehr nach vorne zu lehnen, verlagert sich sein Schwerpunkt kaum. Nur bei großen und schnellen Vorwärtsbewegungen wie etwa dem Angaloppieren aus einer Startbox heraus, verlagert er sich plötzlich extrem vor. Auf gerader Rennstrecke hingegen bleibt der Schwerpunkt wiederum stabil, solange das Pferd den Rhythmus beibehält. Wichtig ist daher für jedes Tempo: Ihr Schwerpunkt bleibt stets über Ihren Füßen – selbst im Renngalopp.

Unsere Highlights

So geht’s: "Atmen Sie vor dem Anreiten tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus", empfiehlt Sonja Waggershauser. "Das befreit und entspannt Ihre Gelenke, so dass Sie mehr von den Bewegungen des Pferds spüren."

Benutzen Sie den Entlastungssitz, um Ihr Gleichgewicht zu stabilisieren. Der Test: "Können Sie nicht aufstehen oder fallen Sie in den Sattel zurück, dann sind Sie hinter der Bewegung. Fallen Sie nach vorne, sind Sie vor der Bewegung", so Waggershauser. Üben Sie den Balanceakt, bis Ihr Schwerpunkt stabil ein kleines Stückchen nach vorne über den Füßen bleibt – ohne zu klemmen oder sich am Pferdehals festzuhalten. Damit das klappt, müssen Sie den Winkel der Hüftgelenke etwas schließen. Heißt: Von der Seite betrachtet wandert der Hüftknochen Richtung Oberschenkel. Weil parallel der Po ein wenig nach hinten flutscht, bleibt der Schwerpunkt über den Füßen. "Nehmen Sie dieses Prinzip mit in jede Vorwärtsbewegung und Gangart. Mit etwas Übung werden Sie Ihr Gleichgewicht in jeder Situation prima kontrollieren können", verspricht Sonja Waggershauser, für die der leichte Sitz der Schlüssel zu gutem Reiten ist.

Um Ihre Beine unter dem Schwerpunkt zu halten, können Sie sich auch vorstellen, Schlittschuh zu fahren. "Ihre Schlittschuhe sind dabei waagerecht, sie dürfen weder nach vorne noch nach hinten kommen, sonst fallen Sie hin", sagt Susan Harris. Test beim Leichttraben: Bleiben die imaginären Kufen in der Waage, dann sind Sie in Balance!

Halt mal! Wie eine Kugel im Bauch für Gleichgewicht in Übergängen sorgt

Wie sieht’s aus? In Übergängen oder beim Anhalten verlagert sich der Schwerpunkt des Pferds nach hinten. "Aktiviert es dabei die Hinterhand, dann kann es locker ausbalanciert langsamer werden, sich versammeln oder halten", erklärt Susan Harris. "Gleichzeitig hat es die Chance, wieder anzutreten oder die Richtung zu wechseln." Wirft ein Pferd hingegen sein Gewicht beim Übergang nach vorne, indem es mit den Vorderbeinen stoppt, hüpft sein Schwerpunkt unkontrolliert vor und wieder zurück. Die Folge ist ein abrupter unbequemer Übergang – für Reiter und Pferd.

So geht’s: Stellen Sie sich Ihren Schwerpunkt als Kugel im Bauch vor. Diese sinkt nun langsam vom Bauchnabel ausgehend nach hinten unten. "Mit diesem Bild im Kopf unterstützen Sie eine halbe oder ganze Parade, für die Sie sich jeweils einen Moment ausbalancieren und Ihre Beine unter den Schwerpunkt bringen müssen", verrät Sonja Waggershauser. Weil sich Ihre Wirbelsäule verlängert, landen Ihre Beine automatisch am Rippenbogen des Pferds. Und Sie sitzen entspannt tiefer ein.

Effekt aufs Pferd: "Das Ausbalancieren des Reiters bringt das Tier dazu, sein Gewicht auf die Hinterhand zu verlagern und erleichtert es ihm, das auch zu tun." Unterstreichen Sie Ihren Balancemoment mit einer sanften halben oder ganzen Parade – je nachdem, ob Sie das Tempo verringern oder anhalten wollen. Extra-Tipp der Trainerin: "Blasen Sie parallel Luft durch den Mund aus, als wollten Sie einen Luftballon aufpusten." Das dürfen Sie ruhig laut tun! Der Grund: Pferde reagieren prima auf das Pustegeräusch. Spüren sie im gleichen Moment, wie sich der Reiter entspannt und tiefer in den Sattel sinkt, reagieren sie mit etwas Übung in den Übergängen wie von Geisterhand ganz ohne Ruckler, sprich: ohne aufwändige Reiterhilfen.

Sehr gut eingespielte Paare schaffen so selbst Vollbremsungen wie den Sliding Stop – ganz ohne Zügelhilfen und im perfekten Gleichgewicht!

Rück mal ein Stück! Mit einem Tisch die Balance zum Seitwärts finden.

Wie sieht’s aus? "In Seitwärtsgängen kann das Pferd mit dem nach oben ragenden Hebel des Reiteroberkörpers am besten umgehen, wenn dieser schnurgerade in Balance bleibt, es die Hinterhand aktiviert und sein Gewicht nach hinten verlagert", erklärt Susan Harris. "So wird die Vorhand leicht und frei, kann bei Bedarf ausgleichend zur Seite gehen und den Pferdekörper in Balance halten."

So geht’s: Um seitwärts die Balance zu halten, sollten Sie die genaue Position des Pferdekörpers unter sich im Verhältnis zur Bewegungsrichtung kennen. Ein pfiffiges Bild von Centered-Riding-Erfinderin Sally Swift hilft Ihnen dabei:

Stellen Sie sich nun Ihr Pferd als Tisch mit seitlich wegrutschenden Beinen vor, auf dem Sie rittlings sitzen und den Sie ausbalancieren müssen. Kontrollieren Sie jedes vordere Tischbein mit einer Hand, jedes hinter Ihnen mit einem Bein. Der Anspruch: Nach jeder Hilfengebung müssen Sie mit einer Reaktion Ihres Pferds rechnen, die weitere Hilfen erforderlich macht. Beispiel Halten: Ihr Pferd weicht mit dem linken Hinterbein aus. Mit Hilfe des imaginären Wackeltischs spüren Sie die Verlagerung sofort als Wegrutschen des Tischbeins. Und reagieren instinktiv richtig, indem Sie den Druck Ihres linken Schenkels verstärken, ohne die Balance des Oberkörpers zu stören. Üben Sie mit Hilfe des imaginären Tischs Halten, Geradeausreiten und Zirkel. So bekommen Sie ein neues Gefühl für die Kontrolle des Pferdekörpers – und sind damit in der Lage, ein Pferd balanciert seitwärts zu schicken.

Bitte wenden! Wackelfrei mit Lampen am Bauch Wendemavöver meistern.

Wie sieht’s aus? Keine Frage: Ohne Reiter kommt jedes gesunde Pferd prima um jede noch so enge Kurve, kann wackelfrei Haken wie ein Kaninchen schlagen. "Mit uns da oben wird der Vierbeiner in Wendungen jedoch deutlich instabiler", erklärt Susan Harris. "Denn unser Oberkörper ist in Kurven ein regelrechter Hebel, mit dem sich das Pferd zusätzlich arrangieren muss."

So geht’s: Damit Pferd und Reiter locker um die Kurve kommen, sollten beide so aufrecht wie möglich bleiben.

So geht’s: Fürs Pferd heißt das: "Das innere Hinterbein muss gut unter den Pferdekörper treten, beide Hinterbeine den Spuren der Vorderbeine folgen, derweil der Rippenbogen leicht von der Innenseite der Biegung wegrotiert", erklärt Susan Harris. Parallel sollte das Pferd im Genick leicht in die Bewegungsrichtung gestellt sein. Ausnahmen: Schnelle und scharfe Wendungen so wie im Springparcours. Harris: "Hierbei muss sich das Pferd extrem nach innen lehnen – doch auch dabei mit dem inneren Hinterbein gut untertreten, um nicht auf die Seite zu kippen."

Für den Reiter bedeutet das: "Drehen Sie sich von der Körpermitte aus, anstatt zur Seite wie ein Motorradfahrer zu kippen", so Waggershauser. Wie wichtig das fürs Pferd ist, zeigt dieses Beispiel der Trainerin: "Begeben Sie sich in den Vierfüßlerstand und bewegen Sie sich in beliebige Richtungen. Denken Sie nun an ein imaginäres Gewicht auf dem Rücken, das hin und her rutscht. Sie werden automatisch Ausgleichsbewegungen machen – und Ihre Beine kommen nicht mehr hinterher. Bleibt das Gewicht dagegen ruhig zwischen den Schultern liegen, kommen Sie um jede Kurve."

Susan Harris Tipp für Ihre Balance in Kurven: "Stellen Sie sich vor, das ein Lichtstrahl von Ihrem Bauchnabel aus nach vorne zeigt. Richten Sie diesen nach vorne in die Kurve, bleiben Sie locker in Balance, da sich Augen, Kopf, Schultern, Hüfte, Sitzknochen und Beine auf diese Weise nahezu wie von selbst richtig ausrichten." Alternativ können Sie sich vorstellen, ein Reklamepfahl zu sein. Drehen Sie sich im Uhrzeigersinn, wenn Sie nach rechts wollen, gegen die Uhr, wenn es links herum geht. Wichtig ist für die Ausbilderin außerdem, sich gedanklich stets schon auf die nächste Wendung vorzubereiten. "Auch das richtet den Körper wie von selbst aus."

Rauf und runter! Bleiben Sie auf Bergen im Lot – als würden Reiter und Pferd stehenbleiben.

Wie sieht’s aus? Spicken Sie doch einmal auf den blauen Punkt des bergablaufenden Pferds (links). Und Sie sehen: Sein Schwerpunkt bleibt im Lot, heißt: ungefähr an der Stelle wie im Stand. Läuft das Pferd bergauf, bleibt der blaue Punkt ebenfalls an dieser Stelle. So schön im Gleichgewicht bleibt Ihr Pferd freilich nur, wenn Ihr Schwerpunkt am Hang strikt über seinem bleibt.

So geht’s: Reiten Sie im Entlastungsitz. "Mit dieser Sitztechnik kann sich der Reiter dem Pferd schneller anpassen, wenn es zügig auf und ab geht", erklärt Sonja Waggershauser. Je steiler es hochgeht, desto weiter lehnen Sie sich nach vorne. Ihr Oberkörper bleibt hierbei fast parallel zur Steigung.

Ihre Unterschenkel liegen verwahrend, damit das Pferd gerade bleibt. Auch beim Bergab bleiben Sie im leichten Sitz und lehnen sich nach vorne. Zwar neigt man sich instinktiv nach hinten, "doch damit blockiert man den Pferderücken", sagt Sonja Waggershauser. Die Hinterhand kann nicht mehr untertreten. Geht es richtig steil runter (ab 45 Grad), stabilisiert Ihr vorgeneigter Oberkörper sogar die Vorhand des Pferds und verhindert, dass es wegrutscht. Rahmen Sie das Pferd mit den Oberschenkeln ein, damit es gerade läuft und geben Sie die Hand vor, um es nicht im Gleichgewicht zu stören. Tipp: Fassen Sie in steilem Gelände an den Maria Hilfsriemen des Sattels oder in die Mähne. Dadurch gibt Ihnen das Pferd automatisch den Bewegungsimpuls vor. Alternativ sorgt eine Zügelbrücke für ruhige Hände. Dabei halten Sie die Zügel über Kreuz und legen die Hände links und rechts am Hals an. Die Anlehnung bleibt konstant und weich.

Sammel Dich! Warum Sie zum Vorbereiten der Versammlung ein Flugzeug landen sollten.

Wie sieht’s aus? Ein richtig versammeltes Pferd bewegt sich "bergauf" mit angehobenem Widerrist, freier Schulter, gewölbtem Hals und weichem Genick, die Hanken sind gebeugt. Sein Schwerpunkt verschiebt sich dabei nach hinten. "Für Reiter fühlen sich versammelnde Bewegungen an, als würden sie mit dem Pferd tanzen", findet Susan Harris. Für den Tanz müssen Reiter und Pferd unabhängig voneinander in Balance bleiben – in hohen Dressurlektionen genauso wie etwa im Tölt. "Dieser erfordert eine höhere Versammlung als der Trab", sagt Waggershauser.

So geht’s: Verfeinern Sie die Übergänge und Ihre Balance, indem Sie sich im Schritt in den Rhythmus der Hinterhand einfühlen: eins und zwei und eins und zwei. Halten Sie daraus an, indem Sie sich vorstellen, ein Pilot zu sein, der sein Flugzeug vor der Landung so ausbalancieren muss, dass das Hauptfahrgestell (hinten) als erstes aufsetzt. Effekt: Ihr Körper sinkt weich in den Sattel, die Hände werden leicht. Wiederholen Sie die Übergänge zwei bis drei Mal. Traben Sie zwei Pferdelängen an, drei reiten Sie wieder Schritt. Nach ein paar Wiederholungen merken Sie, dass Ihr Pferd sich zunehmend selber aufnimmt, wenn Sie sich so gut ausbalancieren. Super Voraussetzungen für den Tanz zu zweit!

Die aktuelle Ausgabe
4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

Abo ab 42,99 €