Unsere Pferde sprechen mit uns

Wie gut wir unseren Pferden zuhören sollten
Reiten mit allen Sinnen

Zuletzt aktualisiert am 17.04.2024
CAVALLO Unsere Pferde sprechen mit uns, wenn sie merken, dass wir sie hören.
Foto: Lisa Rädlein

Zuhören lohnt sich

Reiten Sie mit allen Sinnen? Dann legen wir Ihnen nahe, sich mal ganz auf Ihr Gehör zu konzentrieren. Sie werden staunen, was Ihnen Ihr Pferd sagt, wenn Sie die Ohren spitzen! Beim Zuhören sammeln Sie eine Menge Informationen und kommen Ihrem Pferd ein ganzes Stück näher. Unsere Experten Uta Gräf, Burkhard Rau, Stefan Schneider und Tania Konnerth verraten, worauf Sie achten können.

CAVALLO Unsere Pferde sprechen mit uns, wenn sie merken, dass wir sie hören.
Lisa Rädlein

Von Leisetretern und Trampeltieren

Fußen schwere Pferde automatisch lauter auf? Manche scheinen wie eine Feder über den Boden zu schweben, andere stampfen Löcher in den Boden. Pferdeausbilder und Tierarzt Stefan Schneider denkt bei Letzteren zuerst an Friesen. "Manche Pferdetypen neigen dazu, sich stampfend oder polternd zu bewegen."

Pferdetrainerin Tania Konnerth glaubt nicht, dass schwere Rösser automatisch lauter zu hören sind als ihre leichtgewichtigen Kollegen: "Ein Kaltblut kann sich genauso leicht und federnd bewegen wie ein kleines Pferd." Wenn ein Pferd lauter auftritt, ist das für sie ein Zeichen, dass es seinen Bewegungsapparat nicht optimal nutzt. "Um Verschleißerscheinungen der Gelenke, Bänder und Sehnen zu vermeiden, sollte man darauf achten, dass das Pferd sich im Laufe seiner Ausbildung immer leichter und federnder bewegt." Ist ein Pferd schwerfällig, müsse sein Reiter auch sich selbst hinterfragen. "Unsere größte Aufgabe im Sattel ist es, das Pferd am wenigsten zu stören", betont Tania Konnerth.

Was die Art des Auffußens uns verrät: Burkhard Rau hat als Hufschmiedemeister und Barhufbearbeiter ein offenes Ohr für klappernde Hufe. "Ich höre Unregelmäßigkeiten im Gang besser, als ich sie sehen kann", sagt er. Eine leichte Lahmheit sei mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen, aber deutlich hörbar. Deshalb ist es ihm ein großes Anliegen, dass Pferdebesitzer mehr ihre Ohren spitzen. Jeder könne lernen zu hören, ob die Tritte seines Pferds gleichmäßig sind. "Das sollte Pflichtprogramm vor jedem Ritt sein, um zu prüfen, ob das Pferd klar geht", betont der Huf-Experte.

Am einfachsten schulen Sie Ihr Gehör im Schritt: Führen Sie Ihr Pferd geradeaus, mit durchhängendem Strick und ohne es dabei anzuschauen. "Das ist wichtig, da Sie sonst die Pferdebewegung beeinflussen", so Rau. Achten Sie auf einen klaren Viertakt. Verinnerlichen Sie, was Sie hören, und öffnen Sie dann die Augen wieder. Was Sie einmal bewusst gehört haben, ist schnell abgespeichert und sitzt wie ein Ohrwurm. Mit offenen Augen können Sie Ihre akustische Wahrnehmung nun mit der visuellen Beobachtung verknüpfen. Noch differenzierter können Sie lauschen, wenn Sie neben der Schulter Ihres Pferds gehen und sich dem Schritt Ihres Pferds anpassen. "Sie gehen im Gleichschritt mit Ihrem Pferd", erklärt Burkhard Rau. Horchen Sie zunächst auf die Vorhand, dann auf die Hinterhand. Mit der Zeit entwickeln Sie ein gutes Gehör für den Schritt Ihres Pferds.

Alle vier Hufe sollten im Schritt im gleichen zeitlichen Abstand mit dem gleichen Geräusch auf den Boden kommen. "Das wäre der Idealzustand", so Rau, "der aber häufig gestört ist." Fußt das Pferd mit einem Bein lauter auf? Dann ist der Takt gestört. Auch wenn Sie nicht identifizieren können, welches Bein betroffen ist und ob es sich um eine Stützbeinlahmheit (das Pferd möchte das Bein nicht belasten und fällt, meist zusammen mit einem Halsnicken, auf das gesunde Bein) oder eine Hangbeinlahmheit (das Pferd kann das Bein nicht weit vorschwingen und tritt kürzer), sollten Sie Ihre Beobachtung ernst nehmen. Bleibt die Taktstörung bestehen oder verstärkt sie sich sogar, sollte das Pferd genauer untersucht werden.

Burkhard Rau kann sogar die feinen Nebentöne heraushören und einordnen. Ein großer Huf hört sich dumpfer an, ein kleinerer heller. "Ich kann auch hören, ob das Pferd plan auffußt oder ob es mehr auf der Seitenwand, den Trachten oder auf der Zehe landet." Für den Hufbearbeiter sind dies wichtige Informationen. Sein Ziel ist, dass das Pferd möglichst gleichförmige Hufe hat, sein Gewicht gleichmäßig auf alle vier Hufe verteilt und sich physiologisch korrekt bewegen, also richtig auffußen und abrollen kann.

Unregelmäßigkeiten sind Spuren des Trainings, individueller Bewegungsmuster und Schonhaltungen. Deshalb schult Burkhard Rau regelmäßig das Gehör seiner zweibeinigen Kunden, damit sie selbst erkennen können, ob bei ihrem Tier etwas nicht stimmt. Doch immer wieder macht er die Erfahrung, dass aufhorchende Pferdebesitzer nicht ernst genommen werden. "Das ist fatal! Wenn der Reiter einen Experten hinzuzieht, sei es Tierarzt, Hufbearbeiter, Physiotherapeut oder Trainer, dann sollte er auch gehört werden. Es darf nicht sein, dass Fachleute dies als Unsinn abtun, weil sie sich persönlich angegriffen fühlen und glauben, dass die Qualität ihrer Arbeit angezweifelt wird." Burkhard Rau rät deshalb, den eigenen Ohren zu trauen und im Zweifel einen anderen Experten anzusprechen.

Den Takt Ihres Pferds sollten Sie auch beim Reiten im Ohr behalten. Der Schritt ist besonders anfällig für Taktstörungen, wie etwa Pass, der durch zu viel Handeinwirkung entsteht. Er ist die natürlichste Gangart, weil das Pferd in freier Wildbahn hauptsächlich im Schritt unterwegs ist. Und er ist ein Gradmesser dafür, wie wohl sich das Pferd fühlt. Ein entspannter Schritt zeigt physische und psychische Losgelassenheit.

Zählen ist Ihr wichtigstes Tool, um dem richtigen Takt Ihres Pferds auf die Spur zu kommen. Der Schritt ist ein Viertakt. Sie zählen also: "Eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei vier...". Im Trab, der ein Zweitakt ist, zählen Sie besser von eins bis sieben als von eins bis zwei. Dann bleiben Sie beim Zählen und Reiten mehr im Fluss, als wenn Sie sich im Marschtempo "eins, zwei, eins, zwei..." vorsagen – so hat es Reitmeister Egon von Neindorff gelehrt. Der Galopp ist ein Dreitakt: "Eins, zwei, drei, eins, zwei drei...". Beim Zählen merken Sie sofort, wenn Ihr Pferd aus dem Takt kommt. Nebenbei stimmen Sie sich auf den Takt Ihres Pferds ein. So stellt sich ein harmonisches Teamgefühl mit Ihrem Pferd ein. Wird der Takt langsamer oder schneller, sollten Sie innerlich eine Checkliste abhaken: Zu viel Hand? Zu viel Bein? War die Lektion zu schwer, die Wendung zu eng? War das Pferd angespannt? Ob Sie und Ihr Pferd im Wohlfühl-Takt sind, können Sie übrigens nicht nur am Auffußen hören...

Braune Pferdebeine Nahaufnahme im Galopp in der Reithalle
Farah Kilani/ Gettyimages

Unsere Experten:

Uta Gräf im Porträt
Lisa Rädlein
Stefan Schneider im Porträt
Lisa Rädlein
Burkhard Rau im Porträt
Lisa Rädlein
Tania Konnerth im Porträt
Paasch

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Kommentar:

Als ich für diesen Artikel mit Hufexperte und Pferdemensch Burkhard Rau sprach, sagte er: "Wenn Pferde spüren, dass wir Ihnen unser Ohr schenken, sagen sie uns viel." Das hat mich berührt. Oft überhören wir in der Alltagsroutine die leisen Töne, sind mehr woanders als beim Pferd. Dabei entgeht uns so viel. Lassen Sie Ihr Tier nicht resigniert verstummen.