Pferde als Lehrer
Was macht ein gutes Schulpferd aus?

Früher gingen alle Hohe Schule – heute haben sie ein eher schlechtes Image: unsere Schulpferde. Feine Professoren gibt’s jedenfalls nicht an jeder Stallecke.

Schulpferde gesucht
Foto: Lisa Rädlein

Zwischen Partner und Professor – die Ansprüche an Schulpferde sind hoch. Und nicht jedes Pferd taugt zum Lehrmeister. Um ein Pferd zu das physisch wie psychisch die Belastungen finden, verkraftet (ergo: häufig wechselnde Reiter mit unterschiedlichem Können), muss man mitunter lange suchen.

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Aber woran erkennt man, ob ein Pferd als Lehrer geeignet ist – und ein guter Lehrmeister bleibt? Und was passiert eigentlich mit den Tieren, wenn das Arbeitsleben vorbei ist und sie in Pension gehen? Doch vorab ein paar interessante Fakten rund um Schulpferde und Reitbetriebe.

Von Lehrermangel und Wartelisten

Wie viele Schulpferde gibt es eigentlich in Deutschland? Die Zahlen sind seit Jahren konstant: Etwa 64.000 Schulpferde wurden hierzulande zuletzt gezählt, laut Sportentwicklungsbericht Pferdesport 2015 der Sporthochschule Köln. Und das "in circa 6.000 Reitvereinen und ­betrieben", weiß Thomas Ungruhe, 55, Leiter der Abteilung Vereine, Umwelt, Breitensport und Betriebe der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Warendorf.

64000 vierbeinige Lehrer, das klingt viel. Doch wer eine Schulstunde buchen will, kommt in der Regel oftmals auf eine Warteliste, so Ungruhe. Bis sich der Interessent dann das erste Mal in den Sattel schwingen kann, dauert es durchaus schon mal bis zu vier Monate. Oder länger. Beim Reit- und Fahrverein Leonberg (einer der größten Reitvereine Baden-Württembergs) muss man teils bis zu einem halben Jahr auf einen freien Platz warten, wenn man auf einem der sechs Schulponys (von insgesamt 13 Schulpferden) reiten möchte, erzählt Pferdewirtin Nadine Dieterle, zuständig für das Schulpferde-Management des Vereins.

Dieses Jahr gibt es einen neuen SEB (Sportentwicklungsbericht Pferdesport). Die Zahlen der im Mai abgeschlossenen Umfrage werden bis Herbst 2020 ausgewertet. Die Definition fürs Schulpferd ist hier weit gefasst: "Das sind Pferde, die ich vorhalte, damit Dritte auf ihnen reiten können", erklärt Thomas Ungruhe.

Neben Pferden, die für den Reit- und Voltigierunterricht eingesetzt werden, zählen auch Wanderreitpferde im Tourismus dazu. Die Lehrpferde der einzelnen Landesreitschulen sind ebenfalls inbegriffen. Beim RFV Leonberg gibt es auch Ponygruppen. "In denen werden Kinder spielerisch an Pferde herangeführt", erklärt Nadine Dieterle. Die Ponys werden von den Eltern geführt und gehen nur Schritt und Trab.

Doch welche Voraussetzungen muss ein Reitbetrieb rechtlich erfüllen?

Was der Amtsveterinär zu sagen hat

Wer (…) gewerbsmäßig (…) einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, (…) will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde." So steht es im Tierschutzgesetz, § 11. Die Genehmigung, um ein Pferd gewerblich einsetzen zu dürfen, "muss man beim örtlichen Amtsveterinär einholen. Ob ein Reitschulbetrieb oder -verein genehmigt wird, ist Sache des örtlichen Amtsveterinärs", sagt Thomas Ungruhe.

Als Orientierung dienen in der Regel die "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten" des BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), in denen die Mindestanforderungen an eine artgerechte Pferdehaltung definiert sind. Sie sind rechtlich nicht bindend. "Inzwischen haben die Leitlinien vor Gericht aber den Stellenwert eines antizipierten Sachverständigengutachtens und damit einen höheren Bindungscharakter", betont Ungruhe.

Um die Genehmigung zu bekommen, wird die Fachkompetenz der Betriebs- oder Vereinsgründer geprüft. Wie man sein Fachwissen nachweisen kann, entscheidet der jeweilige Amtsveterinär: "Das reicht von einem Sachkundenachweis für die Pferdehaltung bis hin zu einem Fachgespräch mit dem Amtsveterinär", sagt Thomas Ungruhe.

Einen Sachkundenachweis erlangt man, indem man etwa eine entsprechende Berufsausbildung (z.B. Pferdewirt) absolviert hat. Hat man keine Ausbildung, die mit Pferden zu tun hat, kann man einen Lehrgang (etwa bei der FN) machen, der speziell auf den Sachkundenachweis ausgerichtet ist. Doch manchem Amtsveterinär reicht auch ein Fachgespräch zur Überprüfung der Kompetenzen. Kernthemen sind hier die Pferdehaltung, die Anlage sowie die Organisation des Betriebs oder Vereins.

"Auch in bestehenden Reitschulbetrieben gibt es Veterinäramtskontrollen", so Thomas Ungruhe. Da wird geprüft, ob die Pferdehaltung fachgerecht ist: Haben die Pferde zum Beispiel regelmäßigen Koppelgang und ausreichend große Boxen? Grundlage erneut: die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten.

Arme Kreatur oder Konditionsbündel?

Die vierbeinigen Lehrer haben einen schwierigen Job, das ist keine Frage. Wie hart dieser ist, aber schon. "Von allen Pferden haben Schulpferde das schlimmste Schicksal", sagt der Fachtierarzt für Pferde und Tierschutz Dr. Maximilian Pick. Die meisten litten unter "den Fehlern von jungen und unerfahrenen Reitern." Viele Tiere seien nach einigen Jahren völlig abgestumpft, so Pick, doch könne man durchaus vorbeugen: "Regelmäßiges Korrekturreiten ist da ideal."

Andererseits: Wie soll man ohne Schulpferd reiten lernen? Pick hat ebenfalls auf ihnen angefangen, vor 65 Jahren. "Das vergisst man nicht. Es ist ja der erste intensive Kontakt zum Pferd." Davon kommen manche Reiter nicht mehr los.

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Lisa Rädlein
Tragende Rolle: Die Zeit mit Schulpferden prägt uns Reiter.

Andrea Tschiesche, Leiterin der Reitsportanlage Otterfing im Münchner Süden, weiß: "Es gibt viele Leute, die kaufen gerne ein Schulpferd." So komme es häufiger vor, dass eines ihrer Lehrpferde den Besitzer wechselt – zum Beispiel an Reitschüler, die sich in ein Schulpferd verguckt haben. Und ihren Pferden geht’s vergleichsweise gut – sie haben etwa täglich Koppelgang, was keine Selbstverständlichkeit ist.

Die regelmäßige Arbeit hat auch gute Seiten: Axel Schmidt, Leiter des Egon von Neindorff Reitinstituts in Karlsruhe, erzählt, dass vor allem Schulpferde richtige Konditionsbündel sein können: "Ein mir bekannter Reitverein hat mal auf der Alb im Bergland einen Gruppenausritt organisiert – Schulpferde und Privatpferde. Die Pferde sind bis zu fünf Stunden marschiert. Danach kamen sie auf eine Koppel. Wer hatte zuerst die Köpfe unten? Die Privatpferde. Die Schulpferde hingegen waren nicht so sehr erschöpft."

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Lisa Rädlein
Freie Bahn: Geländeritte gehören zum Repertoire von Privat- und Schulpferden.

Was kostet eigentlich ein guter Lehrer?

Dr. Maximilian Pick, auch als Hippologischer Gutachter unterwegs, schätzt den durchschnittlichen Kaufpreis eines guten Schulpferds auf 5.000 bis 6.000 Euro, manchmal sogar weniger. Martina Kratzer, Betriebsberaterin und erfolgreiche Stallleiterin aus dem bayerischen Lenggries, setzt den Preis höher an und rät: Für ein Pferd, das etwa Nachwuchsreiter schulen soll, sollte man schon mit ca. 8.000 bis knapp über 10.000 Euro rechnen.

Auf keinem Fall solle man ein Schulpferd kaufen, mit dem Kriterium: Günstig muss es sein (die Ausbildung ist nicht wichtig; beibringen kann man den Rest schon)! Das sei ein "oft fataler Fehler", findet Kratzer, "vor allem wenn ein Unfall passiert und sachverständigenseits festgestellt wird, dass das Schulpferd nicht über die entsprechenden notwendigen Voraussetzungen verfügt." Ein Haftungsschaden mit großen Folgen.

Ist das Pferd da, reichen die monatlichen Unterhaltskosten von etwa 390 Euro (z.B. Ponys oder Offenstall­-Pferde) bis 500 Euro, so kalkulieren Hofchefin Andrea Tschiesche und Pferdewirtin Nadine Dieterle, zuzüglich 100 Euro für Tierarzt, Hufschmied und Ausrüstung.

Auch eine künftige Rente sollte man laut Martina Kratzer einkalkulieren: "Passende Pferde können viel für den Verein tun und haben es verdient, eine altersgerechte Rente zu bekommen. Rentnerpatenschaften wären beispielsweise eine Option." Doch widmen wir uns erstmal der Lehrersuche.

Schulpferde-Suche – aber richtig!

"Wenn der Betrieb nur gewinnorientiert ist, will ihm niemand gerne sein Pferd abgeben", sagt Pferdebetriebsberaterin Martina Kratzer. Für sie zählt: Nicht der Profit ist wichtig, sondern eine funktionierende Wirtschaftlichkeit, auch mit Rücksicht auf die Pferde. Es reiche nicht aus, zwei bis drei Stunden pro Tag einzukalkulieren.

"Bei einer Notsituation wie der Corona-­Krise ist so eine Kalkulation sofort Makulatur, und Pferde können auch ausfallen." Denn neben dem Schulpferd müsse die Haltung, der Ausbilder und der Einsatzbereich eingerechnet werden. Kratzer rät: "Am besten, man lässt die Kalkulation von außen beleuchten", denn für jeden Betrieb und jedes Schulpferd gibt es individuelle Einnahmequellen – von Reitstunden, Ponyreiten, Ausritten, Kindergeburtstagen bis hin zum Ponybesuch im Seniorenheim.

Um das passende Pferd zu finden, beginnt die Schulpferd-Suche für Kratzer vor der eigentlichen Suche – und zwar mit einer professionellen Betriebsberatung. Ein Gespräch zwischen Berater und Vereinsvorstand kann helfen, eine genaue Vorstellung zu gewinnen, welches Angebot – und somit welches Pferd – zum Verein überhaupt passt. Beratungskosten: 200 bis 1.000 Euro. Das klingt viel.

Kratzer: "Aber wenn ein Pferd gekauft wird und man merkt, dass es sich nicht eignet, kann das mittelfristig viel teurer sein als das Beratungsgespräch." Fehlkäufe erlebe sie viel zu häufig: "Es wird auf junge günstige Pferde gesetzt. Das kann nicht gut gehen!" So müssten Pferde wieder aus dem Schulbetrieb genommen werden, da sie für den Job nicht geeignet seien: "Die lassen sich schwer wieder verkaufen." Einige würden dann etwa "Jahre auf der Koppel verbringen", und die monatlichen Kosten bleiben.

Ein Pferd für den Schulbetrieb zu finden, ist gar nicht so leicht! Schulbetrieb – das ist für viele Pferdefreunde gleichbedeutend mit stundenlangem im Kreis laufen und kurz vor tierschutzrelevant. "Noch immer gibt es das Vorurteil, sein Pferd bloß nicht an einen Schulbetrieb zu verkaufen", sagt Andrea Tschiesche. Über Anzeigen werde sie deshalb so gut wie nie fündig.

Und wenn doch: Sobald sie einem Anbieter erzählt, dass das Pferd im Schulbetrieb gehen soll, bekommt sie meistens eine Absage. Daher schreibt sie mittlerweile Leute an, die sie persönlich kennt. Prinzip Netzwerk. So ähnlich macht es auch Nadine Dieterle: "In der Regel suchen wir Schulpferde über bekannte Reitbetriebe und über Mund-zu-Mund-Propaganda."

Martina Kratzer hat noch einen anderen Ansatz: Sie plant auf ihrer neuen Internetseite (www.cleverhorse.de) ein von ihr ausgesuchtes "Schulpferd des Monats" zu empfehlen. Es sei wichtig, ein Pferd für den Schulbetrieb mit vollster Überzeugung zu kaufen. Einen Schulpferdkauf auf Probe hält sie nur bedingt für sinnvoll: "Ein Kauf auf Probezeit kann dazu anregen, voreilig ein Pferd auszuwählen. Es verleitet zu denken: Ich kann es noch in der Probezeit testen." Doch man sollte bedenken, dass sich ein Pferd in vier Wochen ändern kann. "Wenn ich mich für ein Pferd entscheide, schaue ich, was es in den letzten 10 Jahren gemacht hat. Das betrachte ich als Probezeit."

Was für ein gutes Schulpferd zählt

"Die Schönheit spielt beim Schulpferd keine Rolle, aber seine Gesundheit", sagt Dr. Maximilian Pick. Daher ist (wie bei jedem Pferdekauf) die Ankaufsuntersuchung ein Muss. Der Rücken und die Lunge sollten auf jeden Fall gesund sein, ebenso wie Beine und Hufe. "Gelenke und Sehnen müssen klar zu sehen sein", so Schmidt. Dressurausbilderin Anja Beran achtet zudem auf die Beinstellung, die beim Schulpferd nicht zu eng sein sollte. Das sei wichtig, damit es sich unter Reitschülern gut ausbalancieren könne.

Das Alter ist als Suchkriterium ebenfalls von Bedeutung. Fachtierarzt Pick rät: "Ein Schulpferd sollte mindestens fünf Jahre alt sein. Dann hat es seine ersten Erfahrungen gemacht, erste Krankheiten hinter sich und schon eine Grundausbildung." Axel Schmidt legt sogar noch ein Jahr drauf.

Optimal ist es, wenn Reitschüler von Pferden mit recht hohem Ausbildungsstand lernen. So nennt Axel Schmidt das Schulpferd etwa "Professor". Anja Beran erklärt: "Der Begriff Schulpferd kommt vom Hohe-Schule-Pferd. Früher gingen alle Schulpferde Hohe Schule." Die Ausbilderin empfiehlt ein Pferd mit M oder eher S-Niveau: "Je unerfahrener der Reiter, desto erfahrener sollte das Pferd sein. Damit der Reiter lernt, wie er Hilfen einsetzen muss, braucht er ein Pferd, das richtig reagiert. Dann hat er auch ein Erfolgserlebnis." Übrigens: Ein ausgeglichenes Pferd, das sicher an den Hilfen geht, ist laut Beran überhaupt erst die Basis für gefahrloses Reiten.

Ein Pferd müsse zudem zum Sitzen einladen, so Beran, "sonst klemmen die Reitschüler sich ans Pferd". Das heißt: Es sollte angenehme Bewegungen haben, fleißig vorwärts gehen, ohne zu rennen. Die Ausbilderin veranschaulicht das: Der Reiter muss innerlich loslassen und auf dem Pferd sitzen können, ohne Angst zu haben. Dann kann er geschmeidiger der Bewegung des Pferds folgen. Sitzt der Reiter auf einem gut zu sitzenden Pferd, kann er sich besser auf die Einwirkungen auf das Pferd konzentrieren. Allerdings seien nicht nur die weichen Gänge eines Pferds wichtig, sondern genauso die körperliche Fitness des Reiters, betont Anja Beran.

Die Pferderasse ist hingegen kein entscheidendes Kriterium. Selbst hoch im Blut stehende Pferde können durchaus für den Schulbetrieb geeignet sein, meinen etwa Ausbilder wie Axel Schmidt. Es komme aufs individuelle Verhalten an. Wichtig sei, das Pferd im Umgang zu beobachten. Lässt es sich unkompliziert satteln? Hebt es beim Hufeauskratzen willig die Beine? Ist es schreckhaft? Gelassenheit und Nervenstärke sind Primärtugenden.

Wie viel Einsatz im Schulbetrieb tut gut?

Die Anzahl der Arbeitsstunden ist ein Kriterium, aber nicht das einzige. Anja Beran: "Ich kann stundenlang laufen, doch mit einem schweren Rucksack bin ich nach drei Stunden schon fertig. Wenn ein Pferd immer seine Runden dreht und der Reiter nicht gut reitet, ist dies schon nach kurzer Zeit eine Belastung."

Wie viele Stunden das Maximum sind, schätzen Experten unterschiedlich ein. Vier, fünf Stunden mit vielen verschiedenen Reitern lehnt Anja Beran grundsätzlich ab. Ein bis zwei Reiter pro Pferd findet sie erträglich. Für Dr. Maximilian Pick sind maximal vier Stunden Arbeit pro Tag für ein Pferd vertretbar. Das meint auch Axel Schmidt: Man könne es beispielsweise zwei Stunden am Vormittag und zwei am Nachmittag laufen lassen. Pferde seien schließlich Bewegungstiere.

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Abteilung marsch: Gute Gruppenreitstunden bedeuten nicht nur „im Kreis laufen“.

Selbstverständlich komme es in erster Linie auf einen ordentlichen Umgang mit dem Pferd und einen angemessenen Unterrichtsaufbau an, betont Schmidt. Und ergänzt einen Aspekt, der im Alltag teils zu kurz kommt: Egal wie viele Reiter ein Schulpferd bewegen, sie sollten unbedingt aufs Pferd abgestimmt werden – indem man sie etwa vorreiten lässt. "

Jeder sollte sicher mit dem Pferd umgehen können. Denn das Pferd muss sich nicht auf uns einstellen, sondern wir aufs Pferd", sagt der Ausbilder. Das betrifft übrigens auch ein anderes Thema, das mit den reiterlichen Fähigkeiten nichts zu un hat: Um Schulpferde im Wortsinn nicht zu überbelasten, haben manche Schulbetriebe Gewichtsbeschränkung für Reiter.

Gestiegen sind offenbar die Ansprüche an die vierbeinigen Lehrer, zumindest beobachten das manche Ausbilder. Auf Nummer sicher heißt das Gebot der Stunde, bombensicher: "Vor 30 Jahren kam ein LKW mit zehn Pferden auf den Hof. Man setzte die sicheren Reiter drauf – und die Pferde, die niemanden abwarfen, wurden Schulpferde", erzählt Andrea Tschiesche.

Für Axel Schmidt hat sich hingegen wenig geändert: "Die Reitschüler kommen wegen dem Spaß am Reiten." Für ihn zählt grundsätzlich der Anspruch des Reiters an sich selbst: "Es ist egal, auf welches Pferd ich steige. Wenn ich etwas lernen will, lerne ich von jedem Pferd."

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Guter Umgang: Schulpferde sollten sich brav satteln und trensen lassen.

Für Anja Beran hat sich nicht der Anspruch ans Schulpferd, sondern an die Pferdeausbildung verändert: "Früher mussten die Pferde fürs Militär trainiert sein, da konnte sich das der Staat leisten." Heute fehle eher das staatliche Interesse. Natürlich sei der Anspruch nicht komplett verloren gegangen: Vor allem die Hofreitschulen legten noch immer viel Wert auf eine korrekte Pferdeausbildung, schon aus Imagegründen, so Beran.

"Die Herausforderung ist immer gewesen, ein hohes Ausbildungsniveau auf Dauer zu bewahren. Wenn man nicht aufpasst, der Reiter das Pferd zum Beispiel nicht in der Balance halten kann, läuft ein Pferd nach einer sechsjährigen Ausbildung binnen zwei Wochen wieder schlecht." Ein Pferd müsse daher regelmäßig Korrektur geritten werden. Doch wie steht’s um die Lehrerfortbildung?

Wer korrigiert die Lehrmeister?

Beim Leonberger Reitverein werden die Schulpferde einmal wöchentlich von den festangestellten Reitlehrern gearbeitet, sagt Nadine Dieterle. Der Schulbetrieb wird über das Online­-Reitbuch von reitbuch.com organisiert, was auch beim Korrekturreiten hilft. Hier legen die Reitlehrer wöchentlich die Pferde­-Stundenpläne fest und können einsehen, wie die Auslastung der Schulpferde ist. Die Reitlehrer wissen so, wann ein Pferd wenig bewegt wird und von ihnen geritten werden kann.

Bei Andrea Tschiesche in Bayern werden neue Schulpferde erst vom Lehrling geritten, die Anzahl der Schulreiter wird nach und nach gesteigert. Jungpferde werden dann weiterhin wöchentlich korrigiert – die älteren Pferde, wenn sich gravierende Fehler einschleichen, so Tschiesche.

Optimal wäre, dass jedes Schulpferd zumindest einmal wöchentlich korrigiert wird, was in der Praxis teils an den Kosten scheitert. Das muss nicht sein! Tipps zur Umsetzung:

Einsatz fürs Korrigieren

Korrekturreiten kostet laut Dr. Maximilian Pick etwa 30 bis 50 Euro (pro Bereiter und Stunde). Für die meisten Betriebe, die keinen angestellten Reitprofi im Stall haben, ist das zu teuer. Am besten sollte ein Schulpferd aber mindestens einmal pro Woche Korrektur geritten werden. Diese Tipps für die Umsetzung hat Thomas Ungruhe (FN):

1. Image-Pflege fürs Schulpferd: Den Vereinsmitgliedern klar machen, wie wichtig die Schulpferde für den Verein sind (sie bilden schließlich die Reitschüler aus). "Dann zeigen versierte Reiter, Turnier- oder Privatreiter großes Verständnis und Leistungsbereitschaft für den Reitbetrieb." Gerade in der Corona-Krise hat das Ungruhes Erfahrung nach "super funktioniert".

2. Dankeschön-Geschenk statt Geld: Die Wertschätzung zählt. Es muss nicht immer eine finanzielle Gegenleistung sein. Ideen: Tageslehrgang mit den eigenen Pferden auf dem Hof oder Grillfest für Helfer auf Kosten des Vereins.

3. Gemeinschaft fördern: Fortgeschrittene Schulpferde-Reiter können Korrekturreiter etwa auf Turnieren unterstützen. Verbindet Arbeit, Spaß und Nutzen und stärkt zugleich die Gemeinschaft im Stall.

Wie die Lehrer in Rente gehen

Ein festes Rentenalter für Schulpferden gibt es nicht. "Warum sollte ich das Pferd nach so und so viel Jahren auf jeden Fall rausnehmen?", fragt Marina Kratzer. "Ich muss das Schulpferd so artgerecht halten und den entsprechenden Umgang pflegen, dass es glücklich ist und dann auch lange gesund bleibt." Und gesunde Pferde sind letztendlich wirtschaftlich.

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Grau und glücklich: Lehrpferde haben eine entspannte Rente verdient.

Auf der Reitsportanlage Otterfing arbeiten viele Schulpferde nur vier bis fünf Jahre, dann gehen sie an Privatbesitzer. Dieses Glück haben nicht alle, etwa weil sie nicht zu den schönsten gehören. Die bleiben im Betrieb, was die Lage nicht verbessert. Denn: "Je älter ein Schulpferd ist, umso schwieriger ist es zu verkaufen", so Tschiesche.

Beim RFV Leonberg kommen die Pferde mit Anfang 20 auf eine Rentner­-Koppel. "Um das finanzieren zu können, hat der Verein einen Schulpferdefonds eingerichtet, in den von jeder Reitstunde ein Euro fließt. Spenden kann man ebenso", erklärt Nadine Dieterle. "Es kam auch schon vor, dass Reitschüler Geld gegeben haben, um die Rente ihres Lieblingspferds zu ermöglichen."

Martina Kratzer empfiehlt für alle Schulpferde Patenschaften oder eine Art Reitbeteiligung – auch für die Rentner­-Schulpferde: "Das können gerne bis zu zwei, drei Pferdeliebhaber sein."

Manche Schulpferde sind irgendwann vielleicht keine Professoren mehr, aber immer noch zuverlässige Partner.

7 Tipps zum Proberitt

So nehmen Experten einen SchulpferdKandidaten unter die Lupe:

1. Aufsitzen: "Das Pferd immer erst vom Besitzer vorreiten lassen. Nie einfach drauf setzen. So passieren oft Unfälle." (Anja Beran)

2. Abfragen: Oft reiche beim Proberitt, die verschiedenen Gangarten und Schenkel­ weichen zu reiten und die Feinheit des Pferdszu prüfen. Das dauere oft nur 3 Minuten. (Anja Beran)

3. Anschauen: "Wenn ein Pferd schon Schulpferd in einem anderen Stall ist, genügt es manchmal, das Pferd im laufenden Schulbetrieb anzuschauen." (Nadine Dieterle)

4. Selbst machen: "Ich lege viel Wert darauf, das Pferd vor dem Probereiten selbst zu putzen und zu satteln. Wenn es ständig mit dem Schweif schlägt und ungeduldig ist, wenn mehrere Kinder in seiner Nähe sind, dann merkt man schnell, dass es das Schulpferd­Dasein vom Kopf her nicht packen wird." (Andrea Tschiesche)

5. Begleitet: Auch einen Schulreiter mit­nehmen. Es muss nicht der Erfahrenste sein, "aber einer, der sitzen bleibt". (Axel Schmidt)

6. Versichert: Vor dem Proberitt sollte der Betrieb/Verein abklären, wie das Pferd versichert ist. Normalerweise sollte der. Pferdebesitzer eine Tierhalterhaftpflicht mit Fremdreitereinschluss haben. (Thomas Ungruhe)

7. Verhandeln: Den Preis vor dem Probereiten aushandeln. "Denn wenn der Verkäufer sieht, dass der Tester gut mit dem Pferd klar kommt, steigt sonst sofort der Preis." (Axel Schmidt)

In eigener Sache: CAVALLO-Reitschultest

Schon seit der zweiten CAVALLO-Ausgabe im Juni 1996 testen wir Reitschulen in ganz Deutschland – mit unterschiedlichen Reitstilen und Angeboten. Um ein ungeschöntes Bild von Schulpferden und Betrieben am Testtag zu bekommen, sind wir inkognito unterwegs. Wir nehmen die Position eines neuen Reitschülers ein, der die Reitschule oder den Reitverein zum ersten Mal besucht. Beurteilt werden vier Kriterien:

  • das Schulpferd,
  • der Reitlehrer,
  • der Betrieb sowie
  • Pflege und Haltung der Schulpferde.

Bestnote: vier Hufeisen pro Kategorie. Reitbetriebe, die insgesamt mindestens 13 Hufeisen erhalten haben, bekommen eine Empfehlung von uns. Die unabhängige Sicht auf Reitbetriebe ist von großer Bedeutung – und vor dem Hintergrund der derzeitigen Tierschutzdebatte vielleicht wichtiger denn je. Sie haben in den vergangenen Ausgaben die Berichte unserer Testerin Miriam Kreutzer vermisst? Auch die CAVALLO-Reitschultests sind betroffen von der Corona-Pandemie und müssen derzeit ausgesetzt werden. Sobald wir wieder inkognito testen können, geht’s weiter.

Die aktuelle Ausgabe
10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023