So geil kann Geiz sein: Pferdehaftpflicht-Policen gibt es ja fast zum Nulltarif, und davon jede Menge! Der virtuelle Wühltisch, so der flüchtige Eindruck einer ersten Suchanfrage an einem trüben Samstagnachmittag, ist rappelvoll mit niedrigpreisigen Angeboten. Knapp 10.000 Einträge zum Thema spuckt mir das Internet aus.
Massig Auswahl
An Auswahl mangelt es nicht. So habe ich unter anderem die Wahl zwischen Plattformen wie www.tierversicherung. biz („Die besten Tarife 2019“), www.vergleichen-und-sparen.de („Vergleich der Testsieger“), www.financescout24.de („Günstige Tarife“) oder auch www.haftpflichthelden.de („In 3 Minuten online abschließen“). Viel, schnell und stets günstig – was will der gemeine Pferdebesitzer mehr?
Ganz oben im Google-Ranking: Eine Anzeige des Vergleichsportals Check24 buhlt erfolgreich um meine Aufmerksamkeit, mit belastbaren Zahlen, wie es scheint: „Im Vergleich bis zu 67 % sparen.“ Klingt gut. Aber warum nicht 68 Prozent? Oder 66? Hui: „Tarife ab 5,66 Euro mtl.“
Pony schlägt Warmblut
Fällt das Stockmaß etwas geringer aus, wird es wohl noch günstiger: Ponys lassen sich demnach schon „ab 4,07 Euro“ versichern, monatlich nehme ich an. Und für einen abfußkurzen Moment denke ich ernsthaft über einen Ponykauf nach.
Dabei will ich gar kein Pony. Vorgeblich versichern möchte ich ein Reitpferd, achtjähriger Westfalen-Wallach, ausgebildet bis L (Dressur und Springen), gern mit Option auf Reitbeteiligungs- und/oder Fremdreiterschutz.
Da ich vorerst aber den aufwendigen Vergleich scheue, bin ich ganz froh, dass mein Suchergebnis auch Werbung der Nürnberger Versicherung bereithält. „Für alle Fälle top versichert!“, das klingt schon mal gut. Selbstverständlich stimme ich beim Ausfüllen des Online-Formulars der Verarbeitung meiner Daten zu. Gerne Kontakt per E-Mail; dazu die Anfrage, ob auch eine rückwirkende Versicherung (in diesem Fall 1. Februar 2019) möglich ist. Schnell wird klar: Ist es nicht.
Das Angebot erfolgt prompt am nächsten Tag. Der Mail-Anhang ist umfangreich: Ein 45 Seiten umfassendes PDF-Dokument birgt meine Vertragsunterlagen. Klar, das ist viel Stoff, aber bei der Nürnberger haben sie scheinbar Sinn für Humor. „Tierisch guter Schutz“ steht da auf Seite eins; mein Beitrag: 129,16 Euro jährlich.
Das scheint mir nicht viel. Verglichen mit den monatlichen Kosten, die Pferde sonst so verursachen, fallen die nicht mal 130 Euro pro Jahr in etwa so viel ins Gewicht wie das derzeitige Zinsniveau meines Sparbuches bei der persönlichen Vermögensbildung.
Haftpflicht ist ein Muss
Trotzdem gilt: kleine Beiträge, große Wirkung! Wer als Pferdebesitzer glaubt, auf eine Haftpflicht verzichten zu können, geht ein Risiko ein, an dessen Ende schon mal der finanzielle Ruin stehen kann. Darauf verweist man auch bei der Verbraucherzentrale Bayern: Diese Versicherung, so heißt es aus München, sollte eine Pflicht für Pferdehalter sein.
Vor allem § 833 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) stimmt nachdenklich. Darin heißt es: „Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
Wichtig ist auch, was hier nicht steht: Dass der Pferdehalter selbst dann haftet, wenn kein „schuldhaftes Vergehen“ seinerseits vorliegt. Ich muss also nicht mal nicht aufgepasst haben, wenn mein vierbeiniger Liebling teure Limousinen auf dem angrenzenden Parkplatz demoliert. Zum Beispiel.
Das Angebot der Nürnberger deckt übrigens Personen- und Sachschäden mit 10 Millionen Euro ab, Fremdreiter und Reitbeteiligung sind nicht vorgesehen. Reicht die Versicherung aus? Ich merke: Ich habe keine Ahnung.
Auf der Such nach neutralen Infos
Also besuche ich die Homepage der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e. V. (VFD), um mich für meine Assekuranz-Recherche zu rüsten. Schade: Allgemeine Infos zum Thema Pferdehaftpflicht finde ich keine. Also E-Mail schreiben. Was ich unter anderem wissen will: Wie hoch soll so eine Jahresprämie sein? Muss ich mit Wartezeiten rechnen, ehe ich erste Leistungen in Anspruch nehmen kann? Wäre eine Reitbeteiligung automatisch mitversichert?
Die Antwort kommt fix: Christiane Ferderer von der Bundesgeschäftsstelle im niedersächsischen Twistringen reagiert prompt am nächsten Morgen: Meine Fragen könne mir „nur ein Versicherer selbst im Detail und verbindlich beantworten, da Versicherungsschutz immer abhängig ist von individuellen Faktoren“; das klingt sehr vernünftig. Dazu der Verweis mit Link auf die Uelzener Versicherung, „als Tier-Spezialversicherer seit über 40 Jahren Partner der VFD“.
Bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) scheint das Thema Haftpflicht auch eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Wer auf der FN-Homepage danach sucht, landet irgendwann im Bereich PM („Persönliche Mitglieder“). Die erhalten, so kann ich hier lesen, unter anderem jede Menge Rabatte auf allerlei, etwa ermäßigte Beiträge bei der R+V Allgemeine Versicherung AG in Sachen Pferdehaftpflicht: 15 %. Meine Mail-Anfrage an R+V bleibt bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Weil ich kein PM bin?
Preise zwischen 77 und 209 Euro
Ich klicke also auf den VFD-Link, der mich zur Uelzener weiterleitet. Hier habe ich die Tarifwahl zwischen „Basis“, „Premium“ und „Premiumplus“. Und kann mich entscheiden zwischen Deckungssummen von 5 bis 15 Millionen Euro, alles mit oder ohne Selbstbeteiligung. Für zehn Jahre Laufzeit gibt es zehn Prozent Rabatt.
Die Preise schwanken zwischen rund 110 Euro (Basis) und 180 Euro (Premiumplus) jährlich. Das ist okay. Fremdreiter und Reitbeteiligungen sind mitversichert. Warum ich für riskanten Unfug wie das „Führen eines Pferds ohne Halfter/ohne Trense“ Versicherungsschutz bekommen soll, will mir nicht einleuchten. Dafür ist bei „Mietsachschäden an gemieteten Boxen“ eine Selbstbeteiligung von 150 Euro fällig. Hm.
Klar: Pferdehaftpflichtverträge sind nicht gerade das Kerngeschäft der meisten Versicherungen. Eher mehr so Ergänzungsfutter, was wohl am überschaubaren Markt liegt. Zum Vergleich: In Deutschland sind aktuell rund 47 Millionen Pkw unterwegs, der Pferdebestand wird laut FN auf gut 1,3 Millionen geschätzt, von denen wahrscheinlich nicht mal alle versichert sind.
Weniger überschaubar geht’s auf Check24 zu. Die hatten ja einiges im Angebot: 30 Tarife gilt es zu vergleichen. Die Voreinstellungen gehen von 150 Euro Selbstbeteiligung aus („empfohlen“), mit 77 Euro lockt der günstigste, mit 209 Euro der hochpreisigste Vertrag.
Alles „gut“, „sehr gut“ oder „exzellent“
Ohne Selbstbeteiligung würde ich laut Check24 bei der Haftpflichtkasse (HK) 94,25 Euro im Jahr berappen: 10 Millionen Euro Deckungssumme, Reit-
beteiligung und Fremdreiter sind im Paket enthalten. Preis-Spitzenreiter ist die Ergo mit 255,72 Euro: Deckungssumme 50 Millionen Euro, Schutz für Fremdreiter- und Reitbeteiligungen sieht das Angebot nicht vor. Wo lauern Fallstricke, wo lümmeln Schnäppchen?
Ich lerne: Für Angehörige des öffentlichen Dienstes gewähren einige Anbieter Rabatte – und die portaleigene Bewertung ist wenig hilfreich. Check24 verleiht allen hier gelisteten Unternehmen die Prädikate „gut“, „sehr gut“ oder „exzellent“. Ich vermute, die Plattform verdient an jedem Abschluss mit.
Mein flüchtiger, letzter Eindruck: geringster Jahresbeitrag, beste Leistungen. Weitere Vergleiche spare ich mir. Ich will endlich eine Versicherung! Vielleicht doch meinen Versicherungsmakler anrufen? Dann hätte ich mir den ganzen Aufwand sparen können, wüsste aber jetzt sicherlich besser Bescheid.
Wenn ich jetzt online abschließe, habe ich immerhin 14 Tage Rücktrittsrecht. Für den Fall, dass ich noch was Besseres finden sollte.
„Im Schadensfall schnell ruiniert"
Vergleichen muss man. „Denn es gibt bei der Pferdehaftpflicht enorme Preisunterschiede“, so Sascha Straub, Leiter Referat Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Bayern in München.
Wer auf Portalen wie Check24, Verivox oder Financescout24 unterwegs ist, sollte sich Zeit nehmen, die Homepage der jeweiligen Anbieter zu besuchen. „Nicht nur der Preis ist wichtig, die Leistungen müssen stimmen“, rät der Versicherungsexperte. Es könne sich lohnen, die Abschlusskonditionen nochmals zu vergleichen.
Was die Auswahl der angezeigten Assekuranzen angeht: „Die Portale erhalten für verkaufte Policen eine Provision.“ Manche Versicherer sind gar nicht vertreten, „möglicherweise, weil ihnen die Kosten zu hoch sind oder sie andere Vertriebswege bevorzugen“. Schlechte Bewertungen würde man deshalb nicht finden. Und: „Es wird nur ein Marktausschnitt angeboten.“
Grundsätzlich gilt: „Eine Deckungssumme von 10 Millionen Euro ist für eine Pferdehaftpflicht ausreichend.“ Höhere Summen seien zwar kein Nachteil, „uns sind aber bislang keine Schadensfälle bekannt, bei denen 10 Millionen Euro nicht ausgereicht hätten“.
Von einer Selbstbeteiligung hält Straub wenig. „Die Beitragsersparnis ist meist so gering, dass man viele Jahre schadensfrei bleiben muss, bevor es sich auszahlt. Nur wer sicherstellen will, dass er im Schadensfall nicht in Versuchung gerät, Bagatellschäden zu melden, kann einen Selbstbehalt von bis zu 150 Euro vereinbaren.“
Mindestlaufzeiten seien kein Ausschlusskriterium: „Eine täglich kündbare Versicherung wäre nur sinnvoll, wenn man alle paar Tage das Pferd wechselt.“ Pferdehaftpflichtversicherungen sollten verpflichtend für Pferdehalter sein, fordert Straub. „Wer keine hat, ist im Schadensfall schnell finanziell ruiniert.“