Schuld sind die romantischen „Fury“-Ideen, die viele Reiter und mehr noch Reiterinnen im Hinterkopf haben. Sie müssen partout einen Hengst haben. Gerade Reitanfänger legen sich gerne so ein Renommierstück zu, mitunter spendieren auch die Eltern ihrer pferdebegeisterten Tochter einen „Schwarzen Hengst“.
Klingt nach Klischee? Habe ich aber oft genug so erlebt, weil mir solche Tiere häufig zum Schlachtpreis angeboten wurden. Denn nach dem Kauf folgt meistens schnell die Ernüchterung. So schön es sein mag, einen Hengst zu besitzen, so wenig sind die meisten so einem Tier gewachsen. Hengste bauen sich nun einmal gerne auf und reagieren heftiger als gemütliche Wallache.
Viele Reiterinnen überfordert das. Der Besitzerstolz wandelt sich dann schnell in Angst vor dem eigenen Pferd und die Abwärtsspirale beginnt. Der Hengst verbringt immer mehr Zeit in seiner Box.
Freien Auslauf für Reithengste
Pferde benötigen ausreichend Beschäftigung, freien Auslauf und Kontakte zu anderen Pferden. Das schreiben auch die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ vor. Sie gelten nicht nur für Wallache und Stuten, sondern auch für Hengste.
Wobei die Haltung von Deckhengsten sicherlich einen Sonderfall darstellt, aber auch sie sollten ausreichend Auslauf haben. Können sie sich nicht ausreichend bewegen und mit anderen Pferden beschäftigen, entwickeln sie mitunter Stereotypien wie Weben und Koppen. Bei Reithengsten entlädt sich die angestaute Energie bei den wenigen Möglichkeiten, sich halbwegs frei zu bewegen – eben beim Umgang am Boden und unterm Sattel. Da reagieren letztlich alle Pferde gleich, hormonell aufgepumpte Hengste allerdings noch entschiedener.
Gerade deswegen spielt die korrekte Haltung bei ihnen eine größere Rolle. Viele Pensionsställe sind für eine artgerechte Hengsthaltung gar nicht richtig ausgestattet. Oft haben sie ohnehin schon zu wenig Koppeln und Ausläufe. Meist sind diese auch nicht hengstsicher eingezäunt, was Unfälle geradezu provoziert. Viele Stallbetreiber trauen sich – auch aus Rücksicht auf die Bedenken ihrer Einsteller – nicht, einen Hengst mit Wallachen auf eine Koppel zu stellen.
Dabei funktioniert das nicht anders als bei der Eingliederung von fremden Wallachen in eine entsprechende Gruppe. Wir haben bei unseren Hengsten immer erst herausgefunden, mit welchem Wallach sie eine Freundschaft schließen könnten, indem wir sie in benachbarte Boxen oder Offenställe stellten und ihr Verhalten beobachteten.
Stimmte die Chemie, kamen die beiden längere Zeit gemeinsam auf einen Auslauf, später zusammen neben eine Koppel mit einer Wallachgruppe. So konnten sie ihre neuen Kumpel in Ruhe kennenlernen, bevor sie ganz in den Verband integriert wurden. Man kann Hengste auch im Offen- oder Laufstall halten. Das funktioniert sicherlich nicht auf Anhieb und möglicherweise auch nicht bei jedem Reithengst. Das Schweizerische Nationalgestüt (SNG) in Avenches hat in einem 2010 begonnenen Versuch sogar bewiesen, dass man Deckhengste außerhalb der Saison zusammen auf der Weide halten kann.
Zu Kabbeleien kam es demnach nur in den ersten drei bis vier Tagen. Danach sei das aggressive Verhalten deutlich abgeflaut. Keiner der inzwischen von fünf auf acht Hengste angewachsenen Gruppe hätte aufgrund von Verletzungen, die vom Verhalten zwischen den Pferden herrührten, aus der Gruppe entfernt werden müssen.
Keine Hengste für schwache Reiter
Voraussetzung für eine pferdefreundliche Art der Hengst-Haltung sei neben einer sicheren Einzäunung, dass die Deckhengste möglichst weit entfernt von Stuten stehen und etwa einen halben Hektar Platz pro Pferd haben. Außerdem sollten sich die Hengste vor der gemeinsamen Weidezeit aneinander gewöhnen können. Das funktioniert letztlich nicht anders als in gemischten Wallach-Reithengst-Gruppen.
Stattdessen werden auch Reithengste oft alleine in einer hochvergitterten Box weggeschlossen. Und dort bleiben sie dann auch häufig genug, wenn ihre angestaute Energie und Bewegungsdrang auf reitunerfahrene Besitzerinnen treffen. Das Schicksal teilen allerdings auch viele Hengste, die sich in Händen von angeblich qualifizierten Ausbildern befinden. Sie sind mit Hengsten oft genauso überfordert wie Durchschnittsreiter.
Das betrifft nicht nur selbsternannte Pferdeflüsterer, sondern nach meinen Erfahrungen leider viele von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) geprüfte Reitlehrer. So erinnere ich mich noch gut an einen sechsjährigen Araberhengst, der von einem renommierten Ausbilder trainiert wurde. Als er mir vorgeführt wurde, war der Rappe schneeweiß. Vor Angstschweiß, denn der Ausbilder ritt ihn mit Fahrradkette, um das nervöse Pferd zu beherrschen. So etwas muss nicht sein, so etwas darf nicht sein. Und vor allem: Es ist ganz leicht vermeidbar, leichter noch, als die Haltungsbedingungen im Pensionsstall umzustellen oder die Suche nach einem wirklich qualifizierten Hengstausbilder.
Die Lösung heißt: Kauft euch keine Reithengste. Durchschnittsreiter sind mit Wallachen und Stuten deutlich besser aufgehoben. Selbst ältere Hengste können nach meiner Erfahrung noch bis zu einem Alter von zehn Jahren kastriert werden. Sie behalten dann zwar teilweise ihre Hengstallüren, sind aber insgesamt ruhiger und viel besser und sicherer zu handhaben. Und sie lassen sich einfacher in Gruppen integrieren. Für manche Hengstbesitzer mag die Vorstellung von der Kastration ihres Pferds unangenehm sein. Aber letztendlich kann diese Operation dem Pferd das traurige Schicksal vieler Artgenossen ersparen.