Zwei Abkürzungen sind in der Pferdewelt neuerdings in aller Munde: HPU (Hämpyrrollaktamurie) und KPU (Kryptopyrrolurie). Hintergrund ist ein Mangel an aktiviertem Vitamin B6 sowie Zink, welcher durch eine genetisch bedingte Störung der Hämoglobin-Synthese (roter Blutfarbstoff) zustandekommen soll.
Allerdings passt die Häufigkeit eines Vitamin B6- und Zink-Mangels nicht zur Häufigkeit einer gestörten Hämoglobin-Synthese. Daher wollen wir der HPU/KPU einen genaueren Blick widmen.
Was heißt HPU/KPU?

Die Pyrrole Hämopyrrollaktam bzw. Kryptopyrrol werden über unterschiedliche Verfahren im Urin nachgewiesen. Pyrrole sind Ab- und Aufbauprodukte der Hämoglobin-Synthese. Normalerweise wandelt die Leber den roten Blutfarbstoff Hämoglobin in den Gallenfarbstoff Bilirubin um, der dann über den Darm ausgeschieden wird.
Bei HPU/KPU soll folgendes passieren: Hämopyrrollaktam bzw. Kryptopyrrol bilden angeblich Komplexe mit Vitamin B6 und Zink, die dann mit dem Urin ausgeschieden werden – was zum Nährstoffmangel führen soll. Eine Fülle von Beschwerden kann die Folge sein wie Sommerekzem, Hufrehe oder Kolik (siehe „Anzeichen“ oben rechts).
Sowohl Vitamin B6 als auch Zink sind für die Entgiftung des Körpers von Bedeutung. Ein Mangel kann also dazu führen, dass sich zunehmend Fremdstoffe in sämtliche Zellstrukturen einlagern. Dies könnte das breite Beschwerdebild erklären.
Tatsächlich gelingt bei immer mehr Pferden der Nachweis von Pyrrolen im Urin, ohne dass allerdings spezifische Komplexe mit Vitamin B6 und Zink nachgewiesen werden konnten. Es stellt sich also die entscheidende Frage für die Behandlung der Pferde, ob die vermehrte Pyrrolausscheidung einem Stoffwechseldefekt zugrunde liegt und ob dadurch Zink und aktiviertes Vitamin B6 tatsächlich in großer Form gebunden werden? Oder bewirkt vielmehr eine Störung der Darmflora die vermehrte Pyrrol-Ausscheidung und den Mangel an Zink und Vitamin B6?
Zur Beurteilung der noch immer sehr hypothetischen Gedankenspiele wollen wir uns den Status quo der Forschungsergebnisse ansehen:
Stand der Forschung
Das Robert-Koch-Institut (RKI) beschäftigt sich seit Jahren mit den wissenschaftlichen Hintergründen. In einer Veröffentlichung aus 2007 heißt es u.a., dass ein Zusammenhang zwischen Pyrrolen im Urin und verschiedenen Erkrankungen nicht bestätigt wurde. Weitere Untersuchungen zur Diagnose der Pyrrolurie werden vom RKI nicht empfohlen. Zudem würde einer Therapie, die auf der erhöhten Ausscheidung von Pyrrolen im Urin aufbaut, jede wissenschaftliche Grundlage fehlen.
Hinsichtlich der diagnostischen Relevanz von erhöhten KPU- bzw. HPU-Werten für Mensch und Pferd ergab die erweiterte Auswertung unseres Instituts folgende Fakten:
1) Weder ein positiver KPU- noch ein positiver HPU-Test lässt sich einer bestimmten Erkrankung von Pferden derzeit zuordnen.
2) Eine kürzlich veröffentlichte Studie (Mirkirova, 2015) mit Patienten der Riordan-Klinik (Wichita, KS, USA) weist jedoch darauf hin, dass eine erhöhte Pyrrolausscheidung im Urin sehr häufig mit gastrointestinalem Stress, der z.B. durch eine gestörte Darmflora zustandekommen kann, verbunden ist. Gestörte Stoffwechselwege in der Leber sollten auch als mögliche Ursache für erhöhte Pyrrole im Urin in Betracht gezogen werden.
3) Da eine erhöhte Pyrrolausscheidung im Urin bei einem zweistelligen Prozentsatz der untersuchten Menschen und Pferde diagnostiziert wird, könnten gastrointestinaler Stress oder Leberfunktionsstörungen die Hauptgründe sein; genetisch bedingte Stoffwechselstörungen wie Porphyrien sind dagegen sehr seltene Krankheiten.
4) Insbesondere bei Pferden, die an Sportereignissen teilnehmen und daher häufig Stress ausgesetzt sind, werden erhöhte Harn-Pyrrolausscheidungen beobachtet – begleitet von gastrointestinalen Problemen wie Gastritis und Magengeschwüren.
5) In jedem Fall erfordert eine erhöhte Pyrrolausscheidung im Urin bei Mensch und Pferd eine anschließende Differentialdiagnostik, um eine spezifische Therapie einzuleiten. Die von vielen Autoren empfohlene Verabreichung von aktiviertem Vitamin B6 und Mineralstoffen als Standardtherapie ist nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gerechtfertigt.
Was den Mangel an Vitamin B6 und Zink beim Pferd betrifft, ergab die Auswertung folgende Fakten: Ein Mangel an Vitamin B6 und Zink als Folge einer erhöhten Urinausscheidung von nicht nachgewiesenen Pyrrolkomplexen ist höchst unwahrscheinlich. Da pro Pyrrolmolekül lediglich ein Molekül Vitamin B6 und ein Zink-Molekül gleichzeitig mit ausgeschieden werden könnten, läge der tatsächliche Verlust dieser Substanzen auch deutlich unter dem täglichen Bedarf.
Ursache des Mangels
Aus unserer Sicht liegt bei den meisten Pferden mit den unter HPU oder KPU beschriebenen Symptomem am Ende also eine Störung der Darmflora und im erweiterten Sinne auch eine Störung der Leberfunktion vor.
Wie in vorherigen Artikeln dieser Fütterungs-Serie über den Darm mehrfach beschrieben, haben wir beim Pferd durch Ernährungsmängel und eine hohe Belastung an Säuren, Fremdstoffen, Giften, Mykotoxinen, Zucker und Gluten eine geschädigte Darmflora – und am Ende auch eine Schädigung des Darmepithels.
Die Darmflora ist jedoch verantwortlich für die einwandfreie Verdauung der Nährstoffe. So ist z.B. die Verdauung der Cellulose bei einer veränderten Darmflora nicht optimal, worüber ein Mangel etwa an Vitamin B6 entsteht.
Die Anflutung von Giftstoffen bei erhöhter Durchlässigkeit des Darms führt in der Folge zu einer Störung der Leberfunktion, worüber auch die Aktivierung des Vitamins B6 zu Pyridoxal-5-Phosphat gestört wird.
Die Leber ist für die Umwandlung der Giftstoffe in fett- und wasserlösliche Substanzen verantwortlich. Für die Umwandlung benötigt das Organ neben Vitamin B6 auch Zink und andere Spurenelemente. Es ist daher leicht nachvollziehbar, dass die erhöhte Belastung durch Giftstoffe zu einer Reduktion dieser Nährstoffe führen kann.
Die Konsequenzen
Nach den vorliegenden Ergebnissen und unseren Erfahrungen ist der vermehrte Nachweis von Pyrrolen im Urin am wahrscheinlichsten mit einer Störung der Darmflora assoziiert. Diese bereits teilweise durch Studien dargestellte Annahme erklärt dann auch die Häufigkeit der mit Vitamin B6-, Zink- und Mangan-Mangel assozierten Störungen im Stoffwechsel.
Somit ergibt sich hieraus am ehesten die therapeutische Konsequenz – und zwar in der Sanierung der Darmflora durch eine ausgewogene Ernährung, wie sie in unseren Artikeln mehrfach dargestellt wurde. Die Ernährungsschwerpunkte, die wir empfehlen, lesen Sie zusammengefasst im Kasten unten links. Die Gabe von aktiviertem isolierten Vitamin B6 empfehlen wir ausdrücklich nicht.
Das Fazit
Die von Tierärzten immer wieder formulierten Widersprüche zur HPU oder KPU beim Pferd können wir durch unsere Erfahrungen und die Meta-Analysen unseres Instituts nur bestätigen.
Die Häufigkeit der unspezifischen Pyrrolausscheidung im Urin spricht für gestörte Resorptions- und Leberprozesse aufgrund zu hoher Stressbelastungen bei mangelhafer Nährstoffzufuhr. Es muss allerdings betont werden, dass die aktuellen Studienergebnisse nur erste Hinweise liefern, welche die hier diskutierten Annahmen bestätigen. Es müssen weitere Studien folgen, um eindeutige Belege zu erhalten.
Unser Rat: Verzichten Sie auf teure Analysen der Urinpyrrol-Ausscheidung. Am Ende sind die Werte ohne therapeutische Konsequenz. Vielmehr sollte man die oben aufgeführte Ernährungsumstellung beginnen – und Sie werden sehen, wie sich der Gesundheitszustand des Pferds zunehmend verbessert.
Anzeichen eines Vitamin-B- bzw. Zink-Mangels
Wenn Pferden Zink und Vitamin B6 fehlen, können vielfältige Beschwerden die Folge sein, insbesondere:
• Hautprobleme wie Mauke und Sommerekzem
• Hufrehe
• Koliken
• Metabolisches Syndrom
• Gestörter Fellwechsel
• Wachstumsstörungen
Fütterungsempfehlung bei Vitamin-B- und Zink-Mangel
Zur Sanierung der Darmflora:
• Verzicht auf Getreide
• Hochwertiges Heu
• Müslis mit Wiesenkräutern als Ergänzung
• Reduktion der Weidegrasfütterung
• Reiskleie, Sonnenblumenkerne, Leinsamen als Energielieferanten
• Sekundäre Pflanzenstoffe über fermentierte Pflanzenkonzentrate
• Bierhefe und Hefepilze für die probiotische Ernährung und zur Vitamin-Ergänzung
Zur Entgiftung:
• Mariendistel, Artischockenkonzentrate und Aloe Vera-Saft
Das sind die anderen Teile unserer Serie "Neues Futterwissen":
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