Pferde haben es besser als viele Männer: Sobald ihre Haarpracht ausfällt, wächst bei ihnen prompt wieder was nach. Zwei Mal im Jahr lösen sich Pferdehaare aus der Verankerung und machen sich dünne. Schon bevor sie ausfallen, sprießen unter der Hautoberfläche neue Haare.
Haare bestehen aus Keratin, einer Hornsubstanz. Das einzelne Haar setzt sich zusammen aus Follikel, Haarwurzel und Haarschaft. Jedes Haar hat nicht nur eine Schweißdrüse, sondern ist auch mit einem Muskel verbunden. Dadurch kann es sich bei Kälte aufstellen. In den Haarfollikeln münden Drüsen, die Talg absondern. Der überzieht das Fell mit einem feinen Fettfilm, der ihm Glanz verleiht und Regenwasser abweist.
Den Startschuss für den Fellwechsel gibt nicht etwa die Außentemperatur, sondern die Tageslänge. Werden Ende August die Tage kürzer, machen die Sommerhaare Platz für den Winterpelz. Erst wenn die Tage wieder länger werden, fällt der Winterplüsch. Steigende oder sinkende Temperaturen spielen beim Fellwechsel eher eine Nebenrolle. Nur wenn das Thermometer partout nicht klettern oder sinken will, verzögert sich der Wechsel nach hinten. Die Haltungsform entscheidet, wie viel Fell wächst: Pferde, die im Winter in warmen Ställen stehen, entwickeln häufig kein so dickes Winterfell wie Offenstall-Pferde, die ständig den Außentemperaturen ausgesetzt sind. Winterplüsch ist auch rassebedingt. Ponys besitzen oft ein dickeres Fell als große Warmblüter.
Um ein neues Haarkleid zu stricken, benötigt der Pferdekörper viel Eiweiß und Energie. Das nachwachsende Haar muss sich langsam aus der Haut schieben. Auch der Bedarf an Spurenelementen wie Zink, Kupfer und Selen steigt. Mangelt es dem Pferd an diesen Stoffen, klappt zwar der Fellwechsel, aber das Immunsystem wird geschwächt. Das erklärt, warum viele Pferde im Fellwechsel anfälliger für Infektionen sind. Bei einer normalen Heu- und Kraftfutterration werden solche Versorgungslücken meistens leicht überbrückt, wenn Pferde gesund sind.
Während des Fellwechsels steigt bei Pferden der Bedarf an Aminosäuren und essentiellen Fettsäuren. Die findet man geballt in Leinsamen. Der kann zwar an der Geschwindigkeit des Fellwechsels nichts ändern, aber er kurbelt die Verdauung an und unterstützt den Stoffwechsel. Leinsamen enthalten Blausäure. Deswegen muss er vor dem Füttern abgekocht oder geschrotet werden. Im Handel gibt es mittlerweile fütterungsfertigen Leinsamen samt Mengenempfehlungen.
Wissen: Das Kältempfinden von Pferden
Pferde verkraften Kälte sehr gut. Ihre Thermoregulation funktioniert ähnlich wie ein Thermostat. Melden die Sensoren in der Haut Kälte, springt die Heizung an: Je stärker der Kältereiz, desto stärker wird die Muskulatur durchblutet. Die Haut ist für die Isolation zuständig und hat eine geringere Temperatur als das Körperinnere. Wird es richtig kalt, stellen Pferde ihre Haare auf. Die Luftschicht, die entsteht, isoliert den Körper.
Der Fellwechsel im Sommer
Allgemein positiv auf Haut und Fell wirken Öle, die möglichst kaltgepresst sind und mehrfach ungesättigte Fettsäuren haben. Vorsicht ist bei Fischöl geboten: Es enthält sehr viel Vitamin A und kann deswegen schnell überdosiert werden. An Öl im Futter müssen Sie Ihr Pferd 14 Tage langsam gewöhnen. Sie können höchstens 800 Gramm pro Tag übers Futter geben. Bei Pferden mit Leberproblemen sollten Sie allerdings ganz auf Öl verzichten. Noch ist nicht klar, ob es im Körper ranzig werden kann und damit die Leber belastet. Mit Öl wandern auch sehr viele Kalorien ins Pferd. Deswegen ist Öl für dicke Pferde tabu, ebenso für Hufrehe-Patienten. Pferde, die ausreichend mit Mineralstoffen versorgt und gesund sind, brauchen im Fellwechsel keine Zusatzfuttermittel. Ob für Ihr Pferd Futterzusätze infrage kommen, besprechen Sie am besten mit Ihrem Tierarzt oder einem Fütterungsexperten. Eine Überversorgung mit Mineralien schadet dem Organismus auch.
Für ältere Pferde ist der Fellwechsel anstrengender. Sie brauchen länger als Jungspunde und tragen oft noch im Juni Reste des Wintermantels. Ihr Stoffwechsel läuft langsamer ab als bei jungen Pferden. Deswegen stoßen sie alte Haare schwerer ab. Sie neigen dazu, im Fellwechsel abzumagern. Bevor Sie Ihrem Senior deswegen Zusätze in den Trog schütten, sollten Sie auf jeden Fall Rücksprache mit Ihrem Tierarzt halten.
Verliert Ihr Pferd im Frühjahr partout kein Winterfell, kann auch eine Krankheit dahinterstecken, die meistens ältere Pferde trifft: Das Equine Cushing Syndrom (ECS), eine Stoffwechselkrankheit, bei der Pferde einen gestörten Fellwechsel haben, an wiederkehrender Hufrehe leiden und Muskelmasse verlieren. ECS ist zwar nicht heilbar, aber mit Medikamenten gut in Griff zu bekommen.
Das Sommerfell

Im Frühjahr fallen die Winterfellhaare aus und werden durch 1 bis 2 Zentimeter lange Deckhaare des Sommerfells ersetzt. Dessen Haare sind meist dicker. Das Pferd trägt von Mai bis August das leichte Sommerfell. Mit ihm wird es leichter Körperwärme los als mit dem dicken Winterfell.
Das Winterfell

Im Herbst fallen die kurzen, aber gröberen Sommerfellhaare aus und machen Platz für die Winterhaare. Jetzt wachsen zwei Haartypen nach: Deck- und Langhaare. Winterhaare werden 2 bis 4 Zentimeter lang. Robustrassen wie Jakuten haben bis zu 14 Zentimeter lange Haare. Winterfell isoliert gegen Kälte.