Heu geht immer!
Den Satz würden vermutlich nahezu alle Pferde unterschreiben. Kein Wunder, für sie ist es das wichtigste Grundfutter. Was ist an Energie und Nährstoffen drin? Heu ist nie gleich Heu. Das zeigt ein Blick auf die Auswertungen der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) Nord-West für 2023. Von den Kennzahlen, die in der Fachliteratur angegeben werden, weichen die Werte teilweise klar ab – und sie schwanken vor allem sehr stark: etwa beim Gehalt für Rohprotein (von 4,1 bis 15,6% der Trockensubstanz, TS), für verdauliches Rohprotein (2,7 bis 9,1% der TS), dem Anteil am Gesamtzucker (4,7 bis 20% der TS) oder der verdaulichen Energie, die in den Halmen steckt (6,2 bis 8,5 Megajoule (MJ) pro Kilo Heu.
Beispiel aus der Fütterungspraxis für Letzteres: Heu A hat 6,2 MJ Energie, in Heu B stecken 8,5 MJ. Rechnet man beides auf eine 10-Kilo-Tagesration hoch, entspricht die Differenz zwischen den beiden Rationen etwa dem energetischen Gegenwert von zwei Kilo Hafer.
Das Heu kann also eine ziemliche Black Box sein – keine Ahnung, was drin ist. Dabei macht es in vielen Fällen um die 90 Prozent der täglichen Futtermenge oder gar mehr aus. Eine Laboranalyse, die klar zeigt, wie viel Energie, Eiweiß, Zucker, Mengen- oder Spurenelemente darin stecken, lohnt sich daher. Diese bieten etwa die LUFA Nord-West an oder Futtermittelhersteller wie etwa Josera.
Für die unterschiedlichen Heu-Werte sind mehrere Bausteine verantwortlich. Erstens: die Pflanzenarten, also die Verteilung von Gräsern, Kleeartigen und Kräutern. Zweitens: der Untergrund. Was im Boden steckt oder ihm über die Düngung zugeführt wird, beeinflusst die Pflanzen- und deren Nährstoffzusammensetzung. Drittens: das Klima. In Trockenperioden beispielsweise speichert das Gras vermehrt Fruktane, langkettige Zuckermoleküle, die sich logischerweise auch im Heu wiederfinden.
Wie beeinflusst der Schnittzeitpunkt das Heu?
In der Theorie wird Pferdeheu ungefähr Ende Mai, Anfang Juni geerntet. Das fällt mit Mitte bis Ende der Gräserblüte zusammen, das Heu enthält dann ausreichend Energie, Eiweiß und ist faserreich. Und dann gibt es die Praxis, sprich: das Wetter und seine Launen.
Ist das Frühjahr feucht, aber der Zeitraum um die Heuernte trocken, wird die Ernte gut. Wettereskapaden machen aber schnell einen Strich durch diese Rechnung. Kann wegen Dauerregens nicht geerntet werden, wird das Heu überständig – enthält also (zu) viel Rohfaser und zu wenig Eiweiß. Oder es fällt zu wenig Regen in der Wachstumsperiode; dann sind die Erträge gering und der Fruktangehalt tendenziell hoch, weil das Gras im Trockenstress vermehrt Zucker einlagert. Selbst wenn die Gräsermischung perfekt auf Pferde abgestimmt ist (etwa wenig zuckerreiches Gras wie Weidelgras enthält) und die Heuwiesen passend gedüngt werden – ein klein wenig bleibt Heu ein (Wetter-)Glücksspiel.
Wie wirkt sich die Lagerung aus?
"Der Gehalt an verdaulicher Energie reduziert sich mit der Dauer der Lagerung kaum", sagt Dr. Hubert Schuster, am Institut für Tierernährung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirdschaft (LfL) spezialisiert auf Pferdeernährung. Ein qualitativ hochwertiges Heu könne meist nach zwei Jahren noch verfüttert werden. Aber: "Viele wichtige Vitamine werden durch UV-Licht und lange Lagerung abgebaut."

Schon während der ersten drei Tage Trocknung verliert das Gras bis zu 25 Prozent an Nährstoffen. Während der Heulagerung verflüchtigen sich vor allem Vitamine. Ein Beispiel: Laut Kentucky Equine Research Center gehen im Durchschnitt 7% des Vitamin-A-Gehalts pro Monat verloren.
Ein anderer Effekt langer Lagerung: Der Keimgehalt kann sich reduzieren. "Bakterien, Hefen und Keime der sogenannten Feldflora, die das Heu also vom Feld mitgebracht hat, verringern sich bei sachgemäßer Lagerung, weil sie im Laufe des Trocknungsprozesses irgendwann nicht mehr lebensfähig sind", erklärt Dr. Johannes Ostertag, Experte für Futtermittelkonservierung an der LfL. Wird Heu feucht, bilden sich schädliche Keime (Lagerflora). Bei schimmeligen oder muffigen Stellen heißt es: komplett weg mit dem Ballen.

Eine gewisse Anzahl an Keimen ist im Heu völlig normal – es dürfen nur nicht die falschen oder zu viele sein. Unterschieden wird zwischen feldbürtigen Keimen – sie stammen von der Wiese und wandern hier aufs Gras – und Verderb anzeigenden Keimen. Letztere entstehen bei falscher Lagerung, etwa durch Schimmelnester.
Wie sieht es mit Bedampfen aus?
Wasserdampf macht aus schlechtem Heu kein gutes; aber es kann Heu hygienischer machen und Staub binden, was Pferden mit Allergien oder Asthma hilft.
Für eine geringere Anzahl von Pferden eignen sich kleinere, handliche Bedampfer. Eine aktuelle Untersuchung der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen widmete sich dem Großballenbedampfer der Firma Gebhardt Anlagentechnik. In ihm können Heuballen bis zu 400 Kilo bedampft werden. Die Forschenden aus Nürtingen analysierten 14 Proben aus Heu-, Heulage- und Strohballen. Die Ergebnisse: Staubpartikel wurden deutlich reduziert, die mikrobiologische Belastung verbesserte sich ebenfalls sehr klar – und das bedampfte Heu war auch nach einer Lagerzeit von über einer Woche noch top!
Heubedampfen wirkt sich auf die Nährstoffe aus: Der Gehalt an leichtlöslichen Kohlenhydraten im Heu sinkt um bis zu 25 Prozent, Kalium sogar um bis zu 50 %. Eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Bochnia et.al.) zeigte zudem, dass beim Bedampfen Protein und Aminosäuren verlorengehen (bis zu 17 bzw. 35 %). Dies sollten Pferdebesitzer über Zusatzfutter (etwa Soja- oder Leinextraktionsschrot, spezielle Aminosäurenergänzer) ausgleichen.
So wird Raufutter gesund und praktisch serviert
Im Idealfall ist die Fütterung von Heu wie im Restaurant: die passende Portion wird perfekt serviert (und spart dem Kellner, pardon, Stallbetreiber noch Zeit). So gelingt’s:
Gesund servieren: Die natürliche Fresshaltung von Pferden ist mit tiefem Kopf und einem vorangestellten Vorderbein. Die können sie bei Heu einnehmen, sofern man das Raufutter vom Boden aus füttert. Nachteil: Das Futter vermischt sich mit Einstreu, Kot, Urin oder wird zertrampelt. Heuraufen speziell für Pferde verhindern das, sollten aber gleichzeitig eine physiologische Fresshaltung ermöglichen, sodass sich Pferde beim Futtern nicht verbiegen müssen. Heißt: Durchfressgitter sollten einen Ausfallschritt erlauben; geht das nicht, sollte die Fressebene auf ca. 20 bis 60 cm angehoben werden. Wird Heu aus einer Wandraufe serviert, sollte der Fressbereich auf einer Höhe von ≤0,3-mal Widerristhöhe angebracht sein.

Raufen sollten wie hier den Pferden einen Ausfallschritt beim Fressen ermöglichen.
Zeitgesteuert futtern: Heuaufen, die nur zu bestimmten Zeiten Fressen ermöglichen, haben in vielen Offenställen Einzug gehalten. Sie vermeiden Fresspausen, sorgen aber gleichzeitig dafür, dass sich leichtfuttrige Tiere nicht rund um die Uhr den Bauch vollschlagen. Neben Raufen von Anbietern wie Schauer oder Hit gibt es etliche Nachrüst-Möglichkeiten. Mit einem Bausatz von Raufomat lassen sich viereckige Holzraufen per Zeitschalter steuern. Stall-Heimwerker können sich mit den Elementen von Turbo Heuautomat eine Heuraufe nach Maß bauen.
Und wenn ich nur was für meine eigene Box brauche? Auch hier gibt es mittlerweile zeitgesteuerte Portionsraufen, die vom Aufbau her an einen Schrank erinnern. Zu festgesetzten Zeiten öffnen sich die Klappböden mit Heu darin nach unten, z.B. der Raufutterautomat Heinätin von Großewinkelmann.
Länger fressen: Unter natürlichen Lebensbedingungen verbringen Pferde rund 12 Stunden mit der Futteraufnahme. Bei 12 Stunden Heu-Fresszeit gehen leichtfuttrige Kandidaten aber auf wie ein Hefekloß. Die Lösung: Heunetze oder andere Slow-Feeder wie Heukisten mit Fressgittern verlängern die Fresszeit, aber drosseln die Energiezufuhr.

Slowfeeder oder Heunetze verlängern die Fresszeiten.
Wie sehr sich Heunetze, Heutaschen und Co. auf die Fressdauer auswirken, darüber gehen die Zahlen teils auseinander. Eine Studie der Hochschule Van Hall Larenstein ergab, dass ein Pferd bei Heu aus dem Netz (4x4cm Maschenweite) etwa 66 Minuten für ein Kilo braucht; das wäre eine Steigerung von fast 50 Prozent. Wichtig bei Heunetzen: Nicht die komplette Ration aus ihnen anbieten, sondern immer auch loses Heu füttern.