Hilfe bei Equinem Asthma
Atemnot bei Pferden: Neue Behandlung

Equines Asthma hat viele Gesichter, von leichten Atemwegsproblemen bis zu schwerer Atemnot. Können Tierärzte in punkto Diagnostik und Behandlung von Humanmedizinern lernen? Zwei Lungen-Fachärzte tauschen sich aus.

Medizin Kompendium Hufkrebs
Foto: Lisa Rädlein

Equines Asthma kann durch zahlreiche Reize ausgelöst werden: von kalter oder feuchter Luft über hohe Ammoniak-Belastung in den Ställen bis hin zu Staub oder genetischen Veranlagungen. Die Atemwegserkrankungen haben dabei ganz unterschiedliche Ausprägungen, von der gering- bis zur hochgradigen Form. Um Equines Asthma möglichst gut behandeln zu können, muss der Tierarzt die Erkrankung präzise diagnostizieren. Kann der Tierarzt dabei von der Erfahrung von Humanmedizinern profitieren, was Diagnose und Behandlung angeht? Tierärztin Dr. Bianca Schwarz, die gemeinsam mit Tierärztin Dr. Heike Kühn ein Zentrum zur Diagnostik und Therapie von Atemwegserkrankungen leitet, tauscht sich darüber mit Lungenfacharzt Dr. Thomas Voshaar aus.

Lungengesundheit

Die Experten

Dr. med. vet. Bianca Schwarz ist selbstständige Pferdeinternistin und Diplomate des European College of Equine Internal Medicine mit langjährigen praktischen Erfahrungen an privaten und universitären Pferdekliniken in Deutschland, Österreich und England.
(www.equizyt.com)

Dr. med. Thomas Voshaar ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Allergologie und Gründer der Arbeitsgruppe Aerosolmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP). Er ist Chefarzt im Lungenzentrum Bethanien in Moers und hat seit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Behandlung von Asthmapatienten.

Im Video: Besser leben trotz Asthma

Was können Tierärzte von Humanmedizinern lernen? Tierärztin Dr. Bianca Schwarz und Lungenspezialist Dr. Thomas Voshaar im Gespräch.

Lungenfacharzt und Pferdetierärztin im Gespräch

Dr. Bianca Schwarz: Asthma ist in der Humanmedizin ein Überbegriff für unterschiedliche Erscheinungsformen. Als Pferdeinternistin habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Wie viel Wert legen Sie darauf, diese Erscheinungsformen zu charakterisieren, und wie wird die Therapie entsprechend individuell an den Patienten angepasst?

Dr. Thomas Voshaar: Im Laufe der letzten Jahre haben wir versucht, immer mehr Asthma-Typen zu definieren. Trotzdem ist eine ganz einfache, klare Antwort erst einmal wichtig: Fast alle Asthmaformen werden primär mit einem inhalativen Steroid behandelt.

Dr. Bianca Schwarz: Beim Pferd ist es so, dass wir mit Bronchodilatatoren anfangen, also Mittel zur Weitung der Bronchien, und dann erst mit Kortikosteroiden ergänzen. Jetzt wissen wir aus der neuesten Forschung, dass Teile dieser Umbauvorgänge in der Lunge nicht reversibel sind. Würde Ihrer Einschätzung nach beim Pferd ein früherer Einsatz von Kortikosteroiden auch sinnvoll sein?

Dr. Thomas Voshaar: Ich werde jetzt der Prophet in der Veterinärmedizin (lacht), die Antwort ist: Ja, da bin ich ganz sicher. Wenn es wirklich so ist, dass das, was Sie als Equines Asthma bezeichnen, dem im Wesentlichen entspricht, was wir in der Humanmedizin als Asthma bezeichnen, dann ist ein früher Einsatz eines topischen Steroids extrem hilfreich.

Dr. Bianca Schwarz: Als Pferdetierärzte wissen wir auch, dass das hochgradige Equine Asthma in der Regel nicht heilbar ist, sondern nur die Symptome zu kontrollieren sind, ähnlich wie in der Humanmedizin. Welche Erfahrungen gibt es da aus der Praxis?

Dr. Thomas Voshaar: Wenn wir ein Asthma gut behandeln, und es wird nicht besser, dann muss man daran denken, dass das auslösende Allergen vielleicht noch da ist. Wir bremsen mit dem inhalativen Steroid den Entzündungsprozess, die Hyperaktivität geht runter, aber es wird alles immer wieder nachgetriggert.

Dr. Bianca Schwarz: Wenn man sich jetzt die Situation beim humanen Asthma ansieht, gibt es Situationen, in denen systemische Kortikosteroidgaben gegenüber den inhalativen bevorzugt werden?

Dr. Thomas Voshaar: Ja, das gibt es tatsächlich eigentlich immer dann, wenn wir die notwendige Dosis per Inhalation nicht mehr hinkriegen. Zum Beispiel bekommt der Patient einen Virusinfekt, dann wird das Asthma schlechter. Wenn wir es von Beginn an konsequent mit topischen Steroiden behandeln, und es wird nicht schlechter, dann haben wir eine gute Asthmakontrolle. Und die hat man eigentlich übrigens auch erst dann, wenn man das ganze Bronchialsystem, bis in die tiefen Atemwege hinein, behandelt.

Dr. Bianca Schwarz: Die Firma Boehringer macht in der Humanmedizin bereits seit über 15 Jahren sehr gute Erfahrungen mit einem speziell entwickelten Inhalationsgerät. Wo liegen dabei die Vorteile?

Dr. Thomas Voshaar: Wenn man über Inhalationstherapie spricht, ist Technik wirklich alles. Denn ob in den Bronchien viel oder wenig ankommt, hängt von der Technologie ab. Sind die Teilchen klein, sind die Teilchen langsam unterwegs, wird langsam inhaliert, kommt viel von der nominellen Dosis tief in der Lunge – in der Peripherie – an? Es hängt alles nur von der Größe, also eigentlich von der Masse, und von der Geschwindigkeit der Teilchen ab.

Dr. Bianca Schwarz: Was hat das mit dem verwendeten Inhalationsgerät zu tun?

Dr. Thomas Voshaar: Das Inhalationsgerät ist genau für diese Eigenschaften des Sprühnebels verantwortlich. Durch die verwendeten Düsen, die Technologie des Verneblers und die Bauart des Systems werden die Partikelgröße und auch die Geschwindigkeit, mit der die Partikel in die Luftwege geraten, festgelegt. Die Kombination mit einem Spacer (Inhalierhilfe) führt zu einer weiteren Optimierung und damit auch zu einer größeren Effizienz, da Sie dann natürlich noch viel mehr Ruhe haben, um langsam und tief zu inhalieren.

Dr. Bianca Schwarz: Die Inhalationstherapie beim Menschen ist ja im Vergleich zum Pferd deutlich einfacher. Wir sehen häufig auch Anwenderfehler. Wie sieht es da in der Humanmedizin aus?

Dr. Thomas Voshaar: Ja, da gibt es tatsächlich Unterschiede. Wenn die Anwendung nicht korrekt ist, dann hat man unter Umständen null Dosis. Die Inhalationstechnologie ist eine überlegene Behandlungsweise; mit welchen geringen Dosen Sie wunderbare Effekte erreichen können, also auch mit weniger systemischer Belastung – großartig. Aber kümmern muss man sich um die richtige Technologie und die richtige Anwendung, das ist das A und O.

Dr. Bianca Schwarz: Kann es bei der Anwendung eines Spacers Hygieneprobleme geben?

Dr. Thomas Voshaar: Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, wenn klar ist, dass ein Spacer immer nur für einen Menschen da ist.

Dr. Bianca Schwarz: Das heißt, wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass Inhalatoren für Pferde oft zwischen den Pferden wechseln und die Pferde unterschiedliche Atemwegserkrankungen haben, dann würden Sie das wahrscheinlich als bedenklich einstufen.

Dr. Thomas Voshaar: Wenn ich Pferd wäre, würde ich das nicht wollen (lacht).

Dr. Bianca Schwarz: Vielen Dank für das Gespräch! Ich denke, es ist sehr deutlich, dass wir in der Pferdemedizin und in der Humanmedizin ganz ähnliche Probleme haben.

Neue Hilfe bei Equinem Asthma

Seit Anfang des Jahres 2020 haben Besitzer von Pferden mit Atemwegserkrankungen einen neuen Trumpf in der Hand, was die Behandlung von Equinem Asthma angeht: nämlich den EquiHaler des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim. Der EquiHaler ist ein neu, speziell für Pferde entwickelter Inhalator. Er soll es ermöglichen, dass der feine Sprühnebel des Inhalats möglichst gut über die linke Nüster in die Atemwege eindringen kann. Die Technik des Geräts beruht dabei auf der von Inhalatoren, die Boehringer für die Humanmedizin entwickelt hatte.

Neben der neuen Technologie spielt auch das Inhalat des EquiHalers eine Rolle: Es ist das erste in der Pferdemedizin zugelassene Kortikosteroid-Präparat, das in der Inhalationstherapie eingesetzt wird. Kortikosteroide wirken entzündungshemmend und sind auch Bestandteil von Asthma-Sprays im Humanbereich. Der Equihaler ist verschreibungspflichtig und über den Tierarzt erhältlich.

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6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023