Was tun bei Atemwegsproblemen beim Pferd?
Hilfe für Pferde mit Asthma

Ihr Pferd hat Asthma? Hier finden Sie die wichtigsten Aspekte, die es rund um Atemwegserkrankungen zu klären gilt – und kompetenten Rat, wie Sie die Lunge optimal schützen.

Pferd mit der Nase an einem staubigen Boden
Foto: Lisa Rädlein

Diese Studie aus Belgien ist erschreckend. Tierärzte untersuchten über 700 Sport-, Renn- sowie Freizeitpferde – und 88 Prozent hatten entzündliche Atemwegsprobleme. Sie litten unter Leistungsabfall, Atemnot, Husten oder Nasenausfluss. Das deckt sich mit den Erfahrungen vieler Pferdebesitzer: Längst hört man in unseren Ställen nicht nur in den Wintermonaten hustende Pferde, auch im Sommer stockt immer mehr Vierbeinern der Atem. Trotz der wachsenden Zahl von Pferden, die in Offenställen leben; trotz der wachsenden Zahl von Stallbetreibern und Besitzern, die um die Bedeutung von hygienischem Futter und viel frischer Luft für die Lungengesundheit wissen. Wie erklären sich Experten diese Entwicklung? Und worauf sollten wir noch größeres Augenmerk richten, damit die Atemwege unserer Pferde frei bleiben?

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Was betroffenen Pferden hilft:

Bei vielen Pferden mit akuten entzündlichen Problemen kommt man nicht drum herum, mit entzündungshemmenden Mitteln zu arbeiten – und das ist bei Equinem Asthma oft Kortison, inhalativ oder oral. Wobei vernebelte Medikamente den Vorteil haben, direkt in der Lunge zu wirken; das verringert auch die Risiken möglicher Nebenwirkungen auf ein Minimum. Übers Inhalieren können Patienten zudem immer dann gezielt Medikamente bekommen, wenn die Lunge mal wieder auf Reize reagiert und Symptome auftreten. Bronchodilatoren lindern die spastische Verengung.

Bei der regenerativen Nachbehandlung setzt Tina Wassing auf entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren und zusätzliches Magnesium, ergänzend zu einer Therapie mit biologischen Arzneimitteln. Und natürlich muss die Staubbelastung als wichtigster Trigger so gering wie möglich gehalten werden. Die zentralen Punkte, an denen Sie einhaken können, sind zwar vielfältig. Aber es lohnt sich!

Raufutter-Tipp

Bedampftes Heu ist optimal für Pferde mit Equinem Asthma. Durch die hohen Temperaturen von 100 Grad Celsius nimmt allerdings die Verdaulichkeit der enthaltenen Eiweiße (Rohprotein und Aminosäuren) vor dem Blinddarm um über 30 % ab. Die Futterportion sollte dementsprechend erhöht werden (z.B. 12 kg Heu für ein 500 kg schweres Pferd = 140 %); oder Sie ergänzen die Ration etwa mit Luzerne, Soja oder Bierhefe.

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Kraftfutter-Tipp

Füttern Sie Pferden mit entzündlichen Atemwegsproblemen möglichst kein gequetschtes Getreide. "Das produziert am meisten Staub in der Krippe, direkt vor den Nüstern", sagt Dr. Kathrin Irgang. Die Expertin rät, lieber auf pelletiertes Futter umzusteigen; die Behandlung mit Hitze und Druck optimiert die Futterhygiene zusätzlich. Und achten Sie darauf, Ihr Krippenfutter geschützt und nicht zu lange zu lagern.

Zusatzfutter-Tipp

Omega-3-Fettsäuren (z.B. in Leinöl) sind aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wirkung optimal für Asthmatiker. "0,2–0,5 Milliliter pro Kilo Körpergewicht können Sie zufüttern – aber erst nach Gewöhnung! Zu Beginn sollten Sie einem ausgewachsenen Pferd nicht mehr als 80 Milliliter pro Mahlzeit geben", sagt Dr. Irgang. Langsam steigern, stets an den Ernährungszustand anpassen. Aus Eimer/Schüssel füttern (= gut zu reinigen!). Öl kühl und dunkel lagern, kann ranzig werden.

Die trockenen Sommer fördern Atemwegsprobleme beim Pferd

Die Hitze stresste die Gräser vor der Ernte, die Koppeln waren abgegrast und staubig. "Im vergangenen Jahr haben sich dann viele Pferde schon im Herbst/Winter unterschwellige Infekte eingefangen, die erst gar nicht so dramatisch waren; aber die Patienten hörten nicht mehr auf zu husten", schildert Tierärztin Tina Wassing ihre Erfahrungen. Sie überwies viel mehr Pferde in umliegende Kliniken zur weiterführenden Diagnostik (Bronchoskopie mit Spülprobe aus der Lunge), um "eine Idee zu bekommen, wo wir uns gerade behandlungs- und lungenmäßig befinden". Zudem seien viele Pferdehalter heute deutlich aufmerksamer und reagierten schneller, meint die Lungenspezialistin Dr. Rosa Barsnick: "Vor 20 Jahren wurde der Tierarzt oft erst gerufen, als die Pferde schon eine schwere Atemstörung hatten und kaum noch Luft bekamen." Damals hieß es meist: Wenn die Pferde ein bisschen abhusten beim Reiten, sei das nicht so schlimm. Inzwischen wissen es Reiter besser.

Wie nimmt man eine Heuprobe fürs Labor?

Bei Fütterungsspezialistin Dr. Kathrin Irgang landen immer mehr mikrobiologische Untersuchungen von Heuproben. Fakt ist: Es gibt kein keimfreies Futter, sondern stets einen produkttypischen Keimgehalt. Proben werden in verschiedene Qualitätsstufen eingeteilt – von eins bis vier. Nur Heu der Stufen eins und zwei sollte überhaupt verfüttert werden; bei drei bis vier ist die Probe mehr oder weniger verdorben ist und für die Fütterung ungeeignet.

Wie aussagekräftig derartige Laborbefunde sind, liegt allerdings an der Probenahme. Hier hat Dr. Irgang diverse Ratschläge: Achten Sie darauf, dass Sie eine repräsentative Probe nehmen, also praktisch einen Querschnitt von dem, was die Pferde tatsächlich zu fressen bekommen. Nicht nur die Randbereiche eines Ballens, die vielleicht der Witterung ausgesetzt waren, sondern Material von mehreren Stellen sowie mehreren Ballen. Und nehmen Sie nicht nur eine Heuprobe, um diese an die LUFA (Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt) zu schicken, sondern auch eine Rückstellprobe, die im Betrieb bleibt. "So hat der Stallbetreiber die Möglichkeit, das Heu woanders hinzuschicken, wenn es Probleme gab", sagt die Tierärztin. Denn der Fairness halber sollte man nicht hinter dem Rücken des Stallbesitzers agieren, sondern ihn gleich mit ins Boot holen.

"Wichtig ist, dass man nicht nur eine Hand voll Heu einschickt, sondern ungefähr ein Kilo", betont die Tierärztin. Muss man warten, bis verschiedene Ballen offen sind, sollte man den Karton mit den bisherigen Heuproben so lagern wie die restlichen Ballen. "Wenn man Heulage oder Heu beprobt, sollte man diese zudem am Anfang der Woche einschicken, damit die Probe nicht übers Wochenende in einem Postauto liegt oder andere Lagerungsbedingungen Einfluss haben", empfiehlt Dr. Irgang. Heulage sollte zudem gekühlt (mit Kühlakkus) versandt werden; sonst gebe es auf dem Weg ins Labor womöglich mikrobiologische Prozesse, die das Resultat verfälschen.

Heufütterung bei Atemwegsproblemen

Die modernen Fütterungsbedingungen beim Heu erfordern zudem eine besonders gute Qualität und Fachkunde des Erzeugers: In vielen Ställen werden inzwischen vor allem große Quader- oder Rundballen verfüttert, die eng gepresst sind. Im Nachgang können sich hier leicht Pilze oder andere Keime entwickeln, die die Pferde direkt vor den Nüstern haben und mitfressen.

Und selbst in sehr schönen, luftigen Offen- oder Aktivställen liegen Quader- oder Rundballen zum Teil tagelang in der Raufe – während die Pferde einen großen Teil des Tages davon fressen. "Die Kontaktzeit, in der das Pferd seine Nase komplett in so einen Ballen steckt, der auch mikrobiologisch nicht einwandfrei sein wird, reicht völlig aus, um ein equines Asthma aufrechtzuerhalten – oder ist ein Trigger für Atemwegsprobleme", stellt Dr. Rosa Barsnick klar.

Besonders heikel wird es, wenn die Raufe nicht weiträumig genug überdacht ist – und Regen das Raufutter einweicht. Untersuchungen zeigen, dass gewässertes Heu, das länger auf einem Haufen liegenbleibt, mikrobiologisch so interessant wird, dass es besser nicht mehr verfüttert werden sollte. Gewässertes Heu verliert zwar Staub und Keime, aber es verdirbt auch recht fix, da sich verbliebene Schimmelpilze und Hefen in der Feuchtigkeit (und bei zusätzlicher Wärme) optimal vermehren.

Bedampfen (mit einem professionellen Gerät, das Temperaturen von 100 Grad Celsius erzeugt) ist die effektivere und sicherere Alternative. Laut Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verbessert sich so nicht nur die hygienische Qualität des Heus, diese bleibt auch während einer 24-stündigen Lagerung nahezu stabil. Einen Aspekt sollte man aber nicht vergessen: "Passen Sie auf, wo Sie den Bedampfer hinstellen", rät Dr. Kathrin Irgang. "Die feuchte Luft, die beim Ausdampfen entsteht, sollte nicht in den Heuvorrat ziehen." Denn auch diese Nässe verdirbt das Heu.

Feinstaub sorgt für Lungenprobleme beim Pferd

Das zeigte eine aktuelle Studie der Universität Krakau. Lungenspezialistin Dr. Rosa Barsnick sieht Feinstaub ebenfalls als wichtigen Faktor. "Ohne den Staub kommen die allergenen Partikel gar nicht in die Lunge. Das heißt, diese Staubentwicklung ist auch verantwortlich für das Atemwegsproblem beim Pferd", betont sie. Zu diesem Feinstaub gehören nicht nur mikrobiologische Komponenten wie Pilzsporen oder endobakterielle Partikel, sondern auch Pflanzenpartikel. "Diese können ebenfalls allergen wirken und ein Asthma triggern." Pferde reagieren zudem sehr unterschiedlich. Das betrifft nicht nur das Heu, sondern auch die Einstreu oder andere Faktoren in der Umwelt des Tiers. "Es kann in Einzelfällen ein bestimmter Hallen- oder Reitplatzboden sein", meint Dr. Barsnick, "manchmal ist es die Einstreu in einem Offenstall."

Staubarme Böden und Einstreu gegen Asthma

Tierärztin Tina Wassing nennt weitere Staubaspekte, denen sie in der Praxis begegnet: Einer sind die inzwischen meist befestigten Böden in Offenställen. Gut gegen Mauke, aber nicht unbedingt für die Lunge, wenn die Pferde um die Raufe kreiseln – und die ganze Zeit dem Staub der Befestigung ausgesetzt sind. "Hinzu kommt, dass wir alle Wasser sparen sollten, sodass Reithallenböden und Plätze nicht mehr oder nicht so viel gewässert wurden." Feinstäube aus der übrigen Umwelt noch gar nicht eingerechnet. Die Belastung bei den Pferden sei insgesamt so hoch, dass sie aus der Über-Reaktivität nicht mehr rauskämen, so Wassing. "Ähnlich wie wir Menschen bei einer starken Bronchitis auch auf alles, was mit Rauch, Qualm oder Staub zu tun hat, empfindlicher reagieren." Nicht zu vergessen: staubige Einstreu und staubiges Kraftfutter. "Bedampftes Heu und Späne als Einstreu schneiden zur Reduktion der Staubbelastung übrigens auch Untersuchungen zufolge besonders gut ab", ergänzt Dr. Kathrin Irgang.

Einstreu und Heunetze können Keime verteilen

Die Suche nach den Auslösern fürs Atemwegsproblem ist entsprechend umfangreich. Tina Wassing geht bei chronisch lungenkranken Patienten als erstes mit dem Besitzer die Anamnese durch. Sie bespricht, was bisher gemacht wurde, wie lange und was welchen Erfolg hatte. "Klar ist, wenn man jemandem sagt, wir müssen das Heu bewässern oder das Pferd muss vom Stroh runter auf eine alternative Einstreu, und die Besitzer probieren das nur drei, vier Tage, kann man nicht erwarten, dass damit das Problem beseitigt ist." Wassing guckt sich die Haltungsbedingungen an, das Raufutter und die Einstreu. Da in immer mehr Ställen individuell gefüttert wird, jeder also seinen eigenen Futtersack hat, steht dieser teils mehrere Wochen oder sogar Monate herum. "Ich habe immer wieder Proben, die verkeimt oder von Käfern besetzt sind", sagt Wassing. In Offen- oder Aktivställen inspiziert sie die Heuraufen, und zwar auch von unten. "Gerade wenn nasses Heu gefüttert und nicht richtig saubergemacht wird , ist untenrum alles verpilzt oder verdreckt." Das gleiche gelte für Heunetze, die mit gewässertem Heu aufgehängt werden: "Die haben häufig einen Biofilm." In Reithallen sucht sie nach Pilznestern im Boden.

"Wenn man sich das alles angeguckt hat, wird das Pferd untersucht, um einen Status zu erheben – und dann wird mit den Besitzern besprochen, was als Therapie infrage kommt", erzählt die Tierärztin. Hier spricht sie auch das Thema Bewegung an: "Viele Pferde stehen den ganzen Tag an der Heuraufe, weil sie nichts Besseres zu tun haben; sie bewegen sich zu wenig.

Was bringt eine Bronchoskopie beim Pferd?

Pferde müssen aber richtig durchatmen, es sei denn, sie bekommen überhaupt keine Luft", betont die Tierärztin. In der Klinik geht Dr. Rosa Barsnick dem Lungenleiden mittels Bronchoskopie auf den Grund. Welche der drei Säulen des Equinen Asthma tauchen bei dem betroffenen Pferd wirklich auf?

1. Bronchialschleimhautschwellung,

2. übermäßige Schleimbildung,

3. Bronchospasmus, also die asthmatische Verengung der Bronchien. "Wir gucken, welcher dieser drei Faktoren vorrangig eine Rolle spielt, und passen die Medikamente an."

"Dann haben wir noch die Möglichkeit zur individuellen Diagnostik, einer bronchoalveolären Lavage zum Beispiel." Die tiefe Spülprobe aus der Lunge wird im Labor ausgewertet und zeigt, welche Form der Immunzellen vorrangig vorhanden ist und in welchem Schweregrad diese Zellen auftauchen. "Das ändert nicht so viel an dem, was wir tun, aber es gibt uns einen Ausgangspunkt und vielleicht eine Hilfe zu sagen, was wir noch vor uns haben."

Und in wenigen Einzelfällen handelt es sich gar nicht ums klassische Equine Asthma. "Die Patienten sehen manchmal ganz ähnlich aus, aber die müssen wir herausfiltern", so Dr. Barsnick. So helfen etwa Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen, sogenannte interstitielle Pneumopathien zu erkennen, also Erkrankungen der Atemwege, die das Lungengewebe selbst betreffen. "Diese Patienten brauchen andere Behandlungen, ein anderes Management und haben auch eine andere Prognose."

Die Expertinnen

Dr. Rosa Barsnick, Fachtierärztin für Pferde und innere Medizin. tieraerztliches-zentrum-pferde-kirchheim.de

Tina Wassing ist praktische Tierärztin mit Schwerpunkt Pferde und biologische Tiermedizin aus Ahaus.

Dr. Kathrin Irgang, Expertin für Rationsberatung und Diätetik für Pferde. tierarzt-ernaehrung.de

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6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023