Pferdeauge: Hornhaut-Geschwüre erkennen
Hornhaut-Geschwüre erkennen

Pferdeaugen sind sensibel: Scheuern, Insektensprays oder schief wachsende Wimpern können das Pferdeauge so reizen, dass sich Geschwüre bilden. Wie kann der Tierarzt die Erkrankung stoppen?

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Foto: Sarah Berge_privat

Die Hornhaut des Pferdeauges ist die transparente vordere Begrenzung des Augapfels. Sie sitzt wie eine gläserne Kuppel vor der Regenbogenhaut und bildet mit der Linse das optische System des Pferdeauges. Sie ist nur knapp einen Millimeter dick und besitzt keine eigene Blutversorgung. Nährstoffe erhält sie über den Tränenfilm, vom Kammerwasser und der angrenzenden Lederhaut (Sklera). Der Tränenfilm ist außerdem wichtig, damit die Hornhaut sauber bleibt.

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Die Hornhaut (Kornea) besteht aus fünf Schichten, wenn man den Tränenfilm mitzählt. Die oberste Zellschicht ist das Epithel, das direkt unterm Tränenillm liegt und sich ständig erneuert. Darunter liegt das schmerzempfindliche Stroma. Daran schließt sich die widerstandsfähige, elastische Descementsche Membran an. Sind Epithel und Stroma verletzt, schützt sie das Auge als letzte Barriere vor dem Auslaufen. Auf der Rückseite der Hornhaut liegt das empfindliche Endothel. „Das Endothel funktioniert ähnlich wie eine Wasserpumpe“, sagt Dr. Willy Neumann, Fachtierarzt für Augenheilkunde und Chirurgie an der Tierklinik Hochmoor in Gescher-Hochmoor/Nordrhein-Westfalen. „Es sorgt dafür, dass die Hornhaut durchsichtig bleibt.“ Wird das Endothel zerstört, kann es sich nicht mehr regenerieren, das Auge bleibt trüb.

Hornhautgeschwüre (Ulzera) sind häufig bei Pferden. Unter einem Ulcus versteht man eine nicht traumatisch verursachte Schädigung des Gewebes, die chronisch nicht abheilt. Damit verbunden ist der allmähliche Abbau des Gewebes. „Mehr als 50 Prozent der Hornhauterkrankungen sind Entzündungen, davon sind rund zwei Drittel Ulzera“, sagt Dr. Neumann.

Ursachen erkennen

Hornhautgeschwüre im Pferdeauge können entstehen, wenn das Epithel verletzt ist. Normalerweise bildet es eine Barriere gegen Bakterien, Viren und Pilze, die dann ihre Funktion verliert. Streptokokken oder Pseudomonas sind Erreger, die im Bindehautsack jedes Pferds vorkommen. Ist das Hornhautepithel verletzt, können sie sich vermehren und Entzündungen verursachen.

„Pilzinfektionen können auch Hornhautgeschwüre verursachen, was hierzulande eher selten vorkommt“, sagt Dr. Willy Neumann. Sehr lange Cortisonbehandlungen oder schlechte Hygiene können sie begünstigen. „Eine Unsitte ist, Augensalbe auf den Finger aufzutragen und sie dann dem Pferd ins Auge zu schmieren“, warnt der Experte.

Verletzungen des Epithels entstehen oft, wenn sich das Pferd mit dem Kopf an Gegenständen scheuert. Sehr selten dringen Fremdkörper ins Auge ein. Das liegt am Lidschlussreflex: Sobald sich ein Gegenstand dem Auge nähert, schließt das Pferd reflexartig die Lider, was Verletzungen meist verhindert. Manchmal sind Insektensprays oder andere Chemikalien schuld: Gelangen sie ins Auge, können sie das Epithel schädigen.

Eine Fehlstellung einzelner Wimpern kann das Entstehen von Hornhautgeschwüren begünstigen. Mediziner sprechen von einer Trichiasis, also dem Reiben der Wimpern auf der Hornhaut. Fohlen, die zu früh geboren wurden, haben manchmal nach innen gerollte Augenlider. Neumann: „In der Regel gibt sich das von selbst.“ Zur Trichiasis kommt es bei Pferden eher, wenn Verletzungen am Lidrand vernarben und eine Wimpernfehlstellung verursachen.

Sehr selten führen stoffwechselbedingte Epitheldegenerationen zum Ulcus.

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Schlechte Hygiene ist eine Gefahr fürs Pferdeauge.

Prognose

Oberflächliche Defekte des Pferdeauges heilen im Normalfall innerhalb von drei bis sieben Tagen vollständig. Bei tieferen Ulzera hängen Prognose und Heilungsdauer vom Behandlungszeitpunkt, der Schwere der Erkrankung und Sekundärinfektionen ab.

Hornhautperforationen sind immer kritisch. Ist das Augeninnere bereits infiziert, kann es unmöglich werden, das Auge zu erhalten. Heilt die Hornhaut, bleiben oft Narben zurück in Form von weißen Trübungen, welche die Sehkraft oder das Gesichtsfeld einschränken.

Therapie

Das Pferdeauge sollte im Krankheitsfall schnell vom Tierarzt behandelt werden. Er entfernt das lose Epithel und desinfiziert die Wunde. Die benachbarten gesunden Epithelzellen werden so zur Teilung angeregt, die Verletzung wächst allmählich zu. Das Pferd wird einige Tage mit antibiotischer Augensalbe und Schmerzmitteln behandelt.

Bei tiefen Hornhautgeschwüren am Pferdeauge verabreicht der Tierarzt ebenfalls antibiotikahaltige Augensalbe. Zusätzlich bekommt das Pferd Schmerzmittel und Atropin, was den Krampf im Auge löst. Wichtig ist, dass das Pferd weiter blinzeln kann, damit ein Tränenfilm das Auge bedeckt. „Völlig falsch ist es, ein Lokalanästhetikum einzusetzen, das den Lidschlag verhindert“, sagt Dr. Willy Neumann. „Auch Cortison schadet mehr, als es nützt.“ Streptokokken und Pseudomonas produzieren Kollagenasen. Das sind Enzyme, die Stromagewebe auflösen. Cortison potenziert die Kollagenaseaktivität um das zehnfache. Der Tierarzt sollte also nur sogenannte nichtsteroidale Entzündungshemmer verabreichen. Außerdem empfiehlt der Augenexperte Acetylcystein-Spüllösung, weil es die Kollagenaseaktivität hemmt.

Manche Ärzte setzen zur Heilung auf Kontaktlinsen für Pferde, damit das Gewebe darunter schmerzfrei regenerieren kann. „Das ergibt aber nur bei oberflächlichen Defekten Sinn“, sagt Dr. Neumann. Sinnvoll kann eine subpalpebrale Lavage im Oberlid sein. Dazu wird ein Schlauch von oben durch das Oberlid hindurch zum oberen Bindehautgewölbe (Fornix) geführt. Das Pferdeauge wird so mit Spülflüssigkeit sauber gehalten und mit Medikamenten versorgt. „Wenn das Pferd ohnehin für die Diagnose sediert wurde, ist so eine subpalpebrale Lavage schnell angebracht“, sagt der Augenspezialist.

Schlägt die konservative Therapie nicht an oder ist die Erkrankung zu weit fortgeschritten, lässt sich eine Operation manchmal nicht vermeiden. Sind nur Epithel und Stroma angegriffen, kann der Chirurg das kranke Gewebe entfernen. Spezieller Gewebekleber kann den Defekt sofort verschließen. Er löst sich im Verlauf der Heilung langsam auf.

Sind die Geschwüre groß, bietet sich eine Bindehautabdeckung an. Das defekte Gewebe des Pferdeauges wird mit einer Bindehautschürze (Flap) geschützt, die auf der Hornhaut festgenäht wird. Damit verlaufen direkt Blutgefäße zur defekten Hornhaut und unterstützen sie bei der Heilung. „Da Bindehaut nicht transparent ist, wird das Pferd sehr eingeschränkt oder auch gar nichts mehr sehen.“

Stattdessen besteht bei tiefen Defekten die Möglichkeit einer Hornhauttransplantation. Dabei wird Hornhaut eines gerade gestorbenen Pferds transplantiert und dem Patienten eingesetzt. Dr. Willy Neumann: „Das funktioniert in der Praxis meist sehr gut, ohne Abstoßung der fremden Hornhaut und ohne Narbenbildung.“ Der Patient kann uneingeschränkt sehen. Problem sind die Kosten: Eine Transplantation wird nicht von OP-Versicherungen übernommen und kann einige tausend Euro kosten.

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Fragen Sie bei Erkrankungen der Augen immer sofort den Tierarzt um Rat.

Alternative Therapie:

Tierheilpraktikerin Julia Melanie Hahlweg aus Bad Liebenzell gibt Homöopathika wie Argentum nitricum, Arsen, Calcium carbonicum, Euphrasia, Hepar sulfuris, Kalium bichromicum. Organpräparate aus Cornea und Corpus vitreum haben sich bewährt.

Krankheitsverlauf

Zerstörung von Gewebe:

Ist ein Hornhautgeschwür zunächst noch oberflächlich, werden bald tiefere Schichten angegriffen und zerstört – bis zur Descementschen Membran. „Wird auch diese Membran perforiert, ist ein Auslaufen des Auges möglich“, sagt Augenspezialist Dr. Willy Neumann. Dabei tritt Kammerwasser aus und der Augapfel kollabiert. Die Zerstörung von Gewebe kann schnell voranschreiten.

Vorfall (Prolaps) der Iris:

Ist die Hornhaut im Pferdeauge ist perforiert, kann die Iris heraustreten und das Loch zeitweise verschließen. Die Iris, auch Regenbogenhaut genannt, ist die Blende des Auges. Sie trennt vordere und hintere Augenkammer. Das Auge muss schnell chirurgisch versorgt werden.

Ablösung der Netzhaut:

„Reißt die Descementsche Membran, löst das Prozesse im Auge aus, die bis zur Netzhautablösung führen können“, sagt Dr. Willy Neumann. Dazu zählen Blutungen im Auge und das Sinken des Augeninnendrucks. Außerdem werden Stoffe wie das Gerinnungsprotein Fibrin freigesetzt. Löst sich die Netzhaut ab, ist das Pferd dauerhaft blind, auch wenn man den Augapfel retten kann.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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