Die Sonne ist ein heißer Ofen. Sie flutet die Erde mit ultravioletten und infraroten Wellen, glüht mit rund 5700 Grad Celsius, macht Tage hell, Gräser grün und Pferderücken wohlig warm.
Wenn's im Winter an natürlicher Wärme fehlt, können technische Mittel weiterhelfen. CAVALLO klärt, was künstliche Wärme für Pferd und Reiter bringt.
Basis: Warum Wärme gut für Pferde ist

Sie werden angewandt, um verkrampfte Muskeln zu entspannen, den Stoffwechsel auf Touren zu bringen, Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu hemmen. Wärme – trocken oder feucht – heilt Pferde mit Rückenschmerzen, lädierten Sehnen und Gelenken, Lungenleiden und Ekzemen.
Denn Wärme kurbelt vor allem die Durchblutung an. Die Energie geht ins Blut, erklärt Dr. Heike Kühn, Tierärztin an der Pferdeklinik München-Riem: „Je nach Temperatur werden feinste Blutgefäße in der Haut durch kleinste Muskeln geöffnet oder geschlossen.“
Bei sehr großer Kälte werden die Gefäße verengt; das Gewebe wird schlechter durchblutet und stirbt bei Erfrierungen ab. Wärme bewirkt das Gegenteil: Die Gefäße werden weitgestellt, die Durchblutung steigt.
Das glüht die Muskeln vor, die bei Kaltstarts so schleppend in Gang kommen wie ein alter Dieselmotor. „Mehr Wärme heißt einfachere und schnellere Energiefreisetzung; die Muskulatur kann effizienter arbeiten“, sagt Kühn.
Blut, das angeregt zirkuliert, lindert außerdem Schmerzen, weil es Botenstoffe aus kranken Körperregionen spült. „Durch die Gefäßweitstellung werden Entzündungsprodukte schneller abtransportiert“, erklärt Kühn, weshalb Wärme entzündungshemmend wirkt.
Pferde sind außerdem leistungsfähiger und verletzen sich seltener, wenn ihre Muskeln schon vor dem Ritt von außen aufgewärmt wurden und das Blut angeregt zirkuliert.
Entscheidend ist freilich, aus welcher Quelle die Wärme strömt. So sollen Sauna und Thermium Pferden gesund einheizen; Solarien taugen nach Ansicht von Tierärzten eher als praktische Trockenhaube.
So funktioniert ein Thermium für Pferde
„Das Thermium ist dem römischen Tepidarium nachempfunden, bei dem Steine erhitzt wurden“, sagt Gotthard Balles, Prokurist der Firma Ruku aus Illertissen/Bayern, die 2003 den Prototyp des Pferde-Thermiums auf den Markt brachte. Inzwischen gibt es sogar eine mobile Variante, die in den Pferdeanhänger eingebaut wird. Sportpferde können so vor dem Wettkampf im Hänger warmbaden.
Wirken sollen im Thermium langwellige Infrarot-C-Strahlen, wie sie auch die Sonne produziert – unter anderem, denn das infrarote Spektrum unterhalb des sichtbaren Rot ist gigantisch. „Wärmestrahlen sind ein Bereich mit riesigen Wellenlängen“, schwärmt Professor Gerhard Windischbauer, Leiter des Instituts für medizinische Physik an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Die infraroten Nachbarn der Mikrowellen reichen von Infrarot-A (0,78 bis 1,4 Mikrometer) über Infrarot-B (1,4 bis 3 Mikrometer) bis Infrarot-C (3 Mikrometer bis 1 Millimeter). 1 Mikrometer sind ein Tausendstel Millimeter. Mikrowellen beginnen bei einem Millimeter; sichtbar ist das Licht zwischen 0,38 und 0,78 Mikrometer. Die Wellen erhitzen aber nicht die Luft, sondern wirken erst in der Haut. Je langwelliger die Strahlung, desto geringer ist die Eindringtiefe.
Das langwellige IR-C ist nämlich wasserscheu. Es durchdringt kein Wasser – und das ist der Stoff, aus dem die Haut zu 70 Prozent besteht. Für IR-C-Strahlen rechnet man daher beim Menschen nur mit einer Eindringtiefe von etwa 0,5 Millimetern. „Da weder das Fell noch die Luftschicht zwischen Haut und Haaren besonders viel Wasser enthalten, gehen wir davon aus, daß es bei Pferden ähnlich ist“, sagt Tierärztin Sonja Kotzinger, die die Wärmestrahlen für ihre Doktorarbeit an der Universität Gießen studiert; betreut von Dr. Heike Kühn.
Infrarot-C-Wärme scheint für Mensch und Tier also sicherer als IR-A oder IR-B. „Vor allem IR-A-Strahlen sind mit Risiken verbunden, weil sie bis zu 27 Millimeter tief in die Haut dringen. Dadurch werden Schmerzreaktionen umgangen, denn die Thermorezeptoren liegen eher oberflächlich in der Haut“, so Sonja Kotzinger.
Maßstab ist das Auge als empfindlichstes Organ: „IR-A-Strahlen sind potentiell gefährlich für die Linse, IR-B-Strahlen gefährlich für die Hornhaut“, sagt Professor Windischbauer. „IR-C-Strahlung, die nicht durch Wasser dringt, kann dem Auge allerdings auch schaden, wenn dessen Feuchtigkeitsfilm gestört ist“, warnt Dr. Kühn. Pferde mit Hornhautverletzungen oder akut entzündeten Augen dürfen deshalb nicht ins Thermium.
Erzeugt werden die C-Strahlen darin über ein Heizsystem, das zwischen Außenhülle und Innenverkleidung steckt; Birkenholz leitet die Strahlen gleichmäßig ins Kabineninnere. „Das erzeugt eine angenehme Wärme wie ein Kachelofen“, sagt Gotthard Balles.
Das Thermium erwärmt den Körper um 0,3 bis 0,4 Grad, wenn das Pferd 30 Minuten bei 45 Grad darin badet, maßen Dr. Kühn und Sonja Kotzinger bei der Vorbereitung der Doktorarbeit. „Die Infrarot-C-Strahlen dringen offenbar auch bei Pferden bis in jene Hautregionen, in denen feinste Blutgefäße sitzen“, folgert Kühn.
Diese Mikrokapillaren verlaufen vor allem in der Dermis; jener Hautschicht, die zwischen Epidermis und Unterhaut (Subcutis) liegt. Das Blut in den Gefäßen wird erwärmt und leitet die Wärme an alle durchbluteten Bereiche des Körpers weiter.
Wärmebilder zeigten, daß der Körper des Testpferds vor der Bestrahlung ungleichmäßig warm war. Am kältesten war die Kruppe mit 25 Grad Celsius, die sich im Wärmestrahlungsbad am stärksten aufheizte: 42,9 Grad. Die Hüfthöcker waren 39,6 Grad warm, der Rumpf 37,8 Grad, und am Karpalgelenk wurden 36,5 Grad erreicht. „Das Pferd wird annähernd gleichmäßig vom Rücken bis zu den Hufen erwärmt“, urteilt Dr. Kühn.
Nach dem Strahlungsbad kühlt der Körper ganz langsam ab, was die Wärme-Wirkung erhöht. Noch zehn Minuten später war der Rumpf des thermografierten Vollblutwallachs gleichmäßig warm (31,9 bis 33,6 Grad). „Vermutlich steuert der Körper bei schonender Erwärmung weniger stark gegen“, glaubt die Tierärztin.
Die langfristigen Wirkungen des Thermiums
Sie untersucht, wie die Strahlen auf Sportpferde mit muskulären Rückenschmerzen wirken.
20 Pferde werden 14 Tage lang longiert und anschließend 30 Minuten im Thermium bestrahlt; die 20 Tiere der Kontrollgruppe werden nur longiert. Untersuchungen mit Druckmessungen und Bewegungstests zeigen, ob der Rücken weniger schmerzt. Nach vier Wochen müssen alle Kandidaten die Prozedur erneut durchlaufen.
„Wir wollen sehen, wie die Behandlung zumindest mittelfristig anschlägt; das ist maßgeblich“, sagt Dr. Kai Kreling von der Tierklinik Binger Wald in Waldalgesheim, der die Doktorarbeit betreut und nach 12 Pferden eine positive Zwischenbilanz zieht: „Die Thermium-Behandlung scheint tatsächlich einen längerfristigen Erfolg zu haben.“ Weshalb, wissen Tierärzte noch nicht.
Klären könnte das wiederum die Doktorarbeit von Sonja Kotzinger. Sie untersucht, ob die langen Wellen Muskelstoffwechsel und damit Leistungsfähigkeit des Pferds beeinflußen.
20 Pferde und Ponys werden dazu einen Belastungstest absolvieren und dann im Thermium für 30 Minuten bei 40 Grad infrarot bestrahlt. Im zweiten Durchgang werden dieselben Pferde mit demselben Arbeitspensum belastet, dürfen aber danach nicht ins Wärmebad.
Blutproben sollen zeigen, wie die Muskeln reagieren. „Enzyme wie Kreatin-Kinase (CK) und Laktatdehydrogenase (LDH) sitzen in den Muskelzellen; wenn der Muskel belastet wird, werden Zellstrukturen geschädigt, und die Enzyme gelangen ins Blut“, erläutert Kotzinger. Daß diese Abfallprodukte schnell abgebaut werden, ist der wichtigste Hinweis auf einen guten Muskelstoffwechsel, der Pferde leistungsfähig macht. Voruntersuchungen deuten darauf, daß das klappt: „Die Laktat-Werte sanken schneller nach dem Thermium“, sagt Dr. Kühn.
Ins Schwitzen kommen die Pferde im Thermium bei milden 35 bis 40 Grad nicht. „Der Kreislauf wird bei dieser Temperatur nicht belastet; um die Duchblutung anzuregen und die Muskulatur zu entspannen, können Sie Ihr Pferd also vor dem Reiten zum Aufwärmen 15 bis 20 Minuten ins Thermium stellen.“
So funktionieren Pferdesaunen
Weil die Pferde in der Sauna tiefer und schneller atmen, werden auch Medikamente gegen Bronchienerkrankungen besser inhaliert.
Wissenschaftliche Studien über saunierende Pferde gibt es nicht, lediglich praktische Erfahrungen. Im Rehazentrum Equo Vadis von Karin Kattwinkel im niedersächsischen Walsrode schwitzten rund 100 Pferde in der Sauna von Röwer & Rüb, die 2003 auf den Markt kam.
Die Sauna heizt mit Temperaturen von 60 bis 62 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von zirka 75 Prozent ein. „Der Kreislauf wird angeregt wie durch einen strammen Galopp“, sagt Kattwinkel. Tabu ist die Schwitzkammer deshalb für Pferde mit Herz-Kreislaufproblemen; geeignet ist sie für Pferde mit muskulären Problemen, chronischen Atemwegs- und Hautleiden.
„Wirbelblockaden führen dazu, daß sich die Muskulatur extrem verkrampft. Die Sauna entspannt die Muskeln“, erklärt Kattwinkel, die Patienten auch vor osteopathischen Behandlungen in die feuchtheiße Luft schickt. „Bei Ekzemern werden Gifte über die Haut beim Schwitzen ausgeschieden“, glaubt sie.
Sauna und Thermium sind freilich noch selten in Pferdeställen, was auch am Preis liegen dürfte. Die Röwer & Rüb-Sauna kostet rund 15 000 Euro, das Ruku-Thermium gibt es ab 21 000 Euro plus Mehrwertsteuer.
Das kostet eine Pferdesauna

Professor Björn von Salis, ehemaliger Leiter der Schweizer Pferdeklinik Uesslingen, besonnte Pferde in der Narkosebox vor rund 25 Jahren, als die ersten Geräte auf den Markt kamen. „Es entspannt Koliker und wärmt nach schweren Operationen; der Allgemeinzustand der Pferde bessert sich“, urteilte er.
Dr. Kai Kreling fand keinen therapeutischen Ansatz. „Wir setzen das Solarium nur noch ein, um Pferde zum Beispiel nach dem Aufenthalt im Aquatrainer zu trocknen.“
Viele Reiter stellen ihre Pferde auch gerne zum Aufwärmen vor dem Ritt unter die künstliche Sonne. Ob das etwas nutzt, bezweifeln Tierärztin Dr. Heike Kühn und Doktorandin Sonja Kotzinger inzwischen.
Sie hatten das Testpferd für die Thermium-Messungen zum Vergleich auch eine halbe Stunde unter ein handelsübliches Rundbogen-Solarium gestellt, das Infrarotlicht, ultraviolettes Licht und sichtbares Licht abstrahlte.
Die Wärmebilder unterm Solarium zeigen: Zuerst wurde die Kruppe heiß, kühlte dann ruckzuck ab. An den Beinen kam erst gar keine Wärme an.
„Die Kruppe heizte sich extrem auf, und zwar auf 56,2 Grad, obwohl der Abstand des Solariums zum Rücken 80 Zentimeter betrug“, berichtet Kühn. Armgard von der Wense, die dazu die Wärmebilder aufnahm, glaubte gar zunächst, „daß meine Kamera spinnt“.
„Wenn die Haut vorgeschädigt ist, kann es bei solchen Temperaturen zu Verbrennungen kommen“, warnt Dr. Kühn. „Aber schon auf halber Höhe des Rumpfs stieg die Temperatur nur noch um 6,4 auf 37,3 Grad; an den Beinen gab es keine Erwärmung.“
Dem Hitzeschwall folgte die Kältewelle. „Kurz nach dem Solarium-Aufenthalt war die Temperaturverteilung wieder ähnlich der Ausgangssituation“, so Kühn.
Um Hitzestau zu vermeiden, baut zum Beispiel Solarium-Hersteller „Columbus Horse Equipment“ aus Gönnersdorf/Rheinland-Pfalz Temperaturfühler ein. „Der Fühler mißt die Lufttemperatur zwischen Pferderücken und Polyesterhaube; bei 28 bis 30 Grad wird automatisch ein Fön eingeschaltet“, erklärt Firmenchef Andreas Wegmann, der als Standard Lampen mit langwelligen IR-C-Strahlen verwendet.
Ob Solarium, Sauna oder Thermium: Der beste Ofen ersetzt niemals das mindestens zehnminütige Schrittreiten zum Aufwärmen. Dann dabei muß sich die Gelenkflüssigkeit überall im Gelenk verteilen. Steht das Pferd still, passiert das nicht – auch wenn ihm noch so sehr eingeheizt wird.
Experten-Interview: Dem Pferd unters Fell geschaut
CAVALLO: Was mißt die Wärmebildkamera?
von der Wense: Die Thermographie mißt die Abstrahlungswärme des Pferds im langwelligen Infrarotbereich von 7 bis 14 Mikrometer. Entscheidend ist das Temperaturmuster, nicht der einzelne Wert; Normalwerte gibt es nicht. Insbesondere der Vergleich beider Körperhälften ist wichtig, um die Bilderauszuwerten.
CAVALLO: Was sagen die Bilder aus?
von der Wense: Ein gut trainierter Muskel erscheint auf dem Wärmebild rot, weil Wärme starke bis extrem starke Durchblutung anzeigt. Auch entzündete Sehnen und Gelenke werden rot sichtbar, weil sie verstärkt Wärme abstrahlen; schlechte Durchblutung hinterläßt Kältemuster. Thermographie ist ein Wegweiser bei der Therapie und zeigt, wo sich etwas anbahnt. Wärmebilder der inneren Organe sind nicht möglich.
CAVALLO: Wo liegen Fehlerquellen?
von der Wense: Der größte Fehler ist, eine akute Krankheit mit einer intensiven Trainingsbelastung zu verwechseln. Nebeneffekte wie Sonneneinstrahlung oder nasses Fell verfälschen die Werte. Wenn Sie Ihrem Pferd die Hand auflegen, sieht man das noch 15 Sekunden später auf dem Wärmebild.
Ihr Handwerk lernte Armgard von der Wense in den USA bei Dr. Tracy Turner und Dr. Jim Waldsmith. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Thermographie und Regulationsmedizin und leitet den Arbeitskreis für Veterinärthermographie.

Wärmende Alternative: Wickel und Keramikfasern
Das macht zum Beispiel der Prießnitz-Wickel, der Pferde zum Schwitzen bringt: ein naßkaltes Leinentuch, ein wasserdichter Plastiksack und eine Wolldecke darüber.
Die High-Tech-Variante kommt aus China und heißt „Back on Track“. Bandagierkissen und Decken mit eingewobenen Keramikfasern sollen die Wärme (Infrarot-Strahlen) des Körpers reflektieren.
Eine Doppel-Blind-Studie an der nationalen Schule für Bereiter in Stockholm/Schweden zeigte, daß Pferde, die drei Wochen lang die Decken trugen, beim Reiten und an der Longe lockerer im Rücken wurden. Sehnen und Wunden sollen schneller heilen, Gallen verschwinden. „Weil Sie durch die Bandagen keine Wärme von außen zuführen, können Sie sie auch bei akuten Entzündungen anlegen“, sagt Claudia Mitterhuber von der Cetus GmbH aus dem bayerischen Kirchberg, die „Back on Track“ verkauft.
Bisher war Wärme bei akuten Entzündungen tabu; empfohlen wurde Kühlung. „Durch die Kühlung stellen Sie vorübergehend die Gefäße eng; wenn Sie den Eisbeutel aber herunternehmen, wird es richtig warm, weil es durch den gegensteuernden Prozeß zu verstärkter Durchblutung kommt“, erklärt Tierärztin Dr. Heike Kühn. Deshalb raten manche Veterinäre nun, heiße Bereiche warm einzupacken.