Hat Videoüberwachung am Stall seine Grenzen?
Als auch noch in der Reithalle Kameras filmten, reicht es Christiane Wüst (Name von der Red. geändert). Sie zieht mit ihrem Pferd in einen anderen Stall. "Überwachung schön und gut, aber das war zu viel!”, betont sie. "In dem Stall gab es eine alte Kamera-Anlage, die den Haupteingang des Hofs überwachte. Durch Zufall bekam ich mit, dass der ganze Hof, die Paddocks und sogar die Reithalle neu mit Kameras bestückt und alles aufgezeichnet sowie gespeichert wurde.”
Christiane Wüst sprach mit den Betreibern und machte sie darauf aufmerksam, dass eine Überwachung ohne Einverständniserklärung der Einsteller nicht erlaubt sei. Doch es hieß nur: "Wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen." Der Grund für die Videoüberwachung im Stall, insbesondere in der Reithalle hinterließ Christiane Wüst sprachlos: "Sie würden dann endlich sehen, wer die Halle abäppelt und wer nicht. Oder wer wem in den Weg geritten ist.” Berufen haben sich die Betreiber auf ihr Hausrecht.
Ist das wirklich erlaubt? Rechtsanwalt Dr. Gerrit Hötzel aus Stuttgart ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht. Er erklärt, was laut Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlaubt ist und was nicht: "Eine wichtige Rolle spielt der Paragraph 6, Absatz 1 der DSGVO, die Interessensabwägung”, erzählt er. "Welches Interesse hat derjenige, der filmt, und welches derjenige, der aufgenommen wird? Es ist wichtig, diese Interessenslage herauszuarbeiten. Warum filme ich? Besteht eine erhöhte Einbruchsgefahr? Möchte ich repressiv oder präventiv überwachen?”

Das Bedürfnis nach Sicherheit lässt Kameras im Pferdestall boomen.
Die Überwachung mit Kamera setzt immer ein legitimes Interesse voraus
Wer sich auf sein Hausrecht beruft, muss beachten, dass – wie im Fall von Christiane Wüst – Dritte betroffen sind: die Einsteller. "Dann sieht das mit dem Hausrecht gleich ganz anders aus”, so Dr. Hötzel. "Der Stallbetreiber muss seine Einsteller um Einwilligung zur Videoüberwachung bitten. Denn den Einstellern muss klar sein, dass und vor allem was dort gefilmt wird.”
Es stellt sich zudem die Frage, wo das Hausrecht verletzt wird, wenn einer die Reithalle nicht abäppelt. Hier geht es eher um die Einhaltung der Hausordnung. Wer eine Kamera installiert, sollte immer die Verhältnismäßigkeit im Blick behalten. "Es ist ein legitimes Interesse von Nöten, und es muss nicht alles überwacht werden. Erst recht nicht mit Audio”, sagt Dr. Hötzel.
Die Überwachung mittles Audio ist ein heikler Eingriff
Die DSGVO unterscheidet nicht zwischen Audio und Video. Werden die Einsteller aber nicht nur gefilmt, sondern auch noch deren Gespräche aufgezeichnet, hat das gleich eine viel höhere Eingriffsintensität – und damit liegt eine besondere Interessensintensität vor. "Die Menschen im Stall erzählen sich eventuell etwas Privates, im Glauben, dass sie alleine sind”, so Dr. Gerrit Hötzel. "Eine Audioüberwachung wäre ein heikler Eingriff. Denn Gespräche belauschen ist schnell außerverhältnismäßig.”
Heikel ist die ganze Geschichte vor allem, wenn die Einsteller von nichts wissen. "Die datenschutzrechtliche Überwachung im Stall muss mitgeteilt werden”, sagt Dr. Hötzel. "Ein Schild, dass die Anlage videoüberwacht ist, reicht im Falle des Pferdestalls, in dem neben Hof und Einfahrt auch die Paddocks, die Stallgasse und in der Reithalle gefilmt wird, nicht. Es ist nicht konkret genug.” Eine Rolle spielt auch die Eingriffsintensität. Welche Auflösung hat das Video? Ist es gestochen scharf oder kann ich nur Umrisse erkennen? Was wird gefilmt und wie lange? Und eben die Frage nach der Audioaufzeichnung.
Speicherung der Daten: Sind Kinder betroffen, wird es schnell unzulässig
Eine bedeutende Rolle spielt auch die Speicherung der Daten. "Oft werden die Aufzeichnungen in einer Cloud gespeichert. Das läuft unter ‚Übermittlung an Dritte’ und ist laut DSGVO nicht legitim”, erklärt Dr. Gerrit Hötzel. "Sind zudem noch Kinder betroffen, schlägt es schnell in Unzulässigkeit aus. Denn Kinder gilt es besonders zu schützen.” Das dürfte bei der Videoüberwachung in Reitställen durchaus ein Thema sein.
"Was die Speicherung der Daten betrifft, ist das Gesetz flexibel”, sagt Dr. Hötzel. "Auch hier muss eine Interessensabwägung stattfinden. Was will ich erreichen? Welche Maßnahmen will ich dazu umsetzen?”, zählt der Experte auf. Eine Datenspeicherung von drei Wochen, wie im Fall von Christiane Wüst, "erscheint mir recht lang , wenn keine gewichtigen Gründe vorliegen”, meint Dr. Gerrit Hötzel.
Abfohl- oder Intensivboxen: Kameras tragen zur Sicherheit bei
Das Interesse von Tierarzt und Pferdezüchter Dr. Stephen Eversfield ist eindeutig. Auf seinem Gestüt Am Schlossgarten in Massenheim bei Wiesbaden/Hessen setzt er Kameras vor allem in den Abfohlboxen, auf den hofnahen Paddocks und Weiden ein: "Für uns ist das ein Marketinggesichtspunkt und eine vertrauensbildende Maßnahme.”
Die Einsteller wissen nicht nur Bescheid, sie haben Zugang zu den Kameras und können ihren Liebling jederzeit beobachten. "Wir haben davon schon profitiert, weil etwas entdeckt wurde, was wir nicht so direkt bemerkt hätten. Wir sind ja nicht rund um die Uhr da”, erzählt Dr. Eversfield. "Und für unsere Mitarbeiter entfällt durch die Kameras in den Abfohlboxen die Nachtwache. Das ist eine enorme Arbeitsentlastung.”
Dr. Stephen Eversfield ist begeistert von den Möglichkeiten, die sich durch die Kameras im Stall ergeben. "Ich kann jederzeit, auch abends oder nachts, nach den Pferden sehen und überlege ernsthaft, auf den Weiden, die weiter vom Hof weg sind, ebenfalls Kameras zu installieren. Damit ich jederzeit sehen kann, ob alles in Ordnung ist.”
Dieser Sicherheitsaspekt kommt auch in der Tierklinik von Dr. Stephen Eversfield zum Tragen und war sicherlich ursprünglich einmal der Grund, warum überhaupt Kameras in Pferdeboxen installiert wurden. "In der Klinik haben wir Kameras nur in den Intensivboxen und ohne Zugang für die Besitzer”, erzählt Dr. Eversfield. "Es sind insgesamt sechs Kameras, die alle auf einen Monitor laufen. Davor sitzen abwechselnd Kollegen und wachen über die Pferde. Die Aufzeichnung wird nach 24 Stunden überschrieben.”
Thomas Breu arbeitet im Vertrieb bei der Albert Kerbl GmbH im bayerischen Buchbach und erlebt derzeit einen starken Trend: "Die Nachfrage nach Überwachungskameras für Stall und Hof ist riesig, weil wirklich ein Mehrwert geschaffen wird. Eine Überwachung gibt Stallbetreibern und Pferdebesitzern ein ruhiges Gefühl. Sie können jederzeit nach ihrem Tier schauen. Das ist gerade dann von Vorteil, wenn eine Geburt ansteht oder das Pferd krank ist. Und in gewisser Weise schrecken Kameras auch Einbrecher ab.”
Die Sicherheit und die Gesundheit der Pferde sind gute Gründe, sich für eine Installation von Überwachungskameras zu entscheiden. Ebenso der Schutz vor Diebstahl. Wenn es im Einverständnis mit den Einstellern passiert und sie genau wissen, was Sache ist. Ohne diese Grundregeln klagen Einsteller zurecht über die Einschränkung ihrer Persönlichkeitsrechte und ständige Kontrolle. Gespräche belauschen und Einsteller überwachen sind indiskutabel. Da bleibt nur eins: Stall wechseln und die Kameras leere Boxen filmen lassen.
Welche Überwachungskamera eignet sich für Stallgebäude?
Wir haben uns zwei Kameras der Firma Kerbl genauer angesehen. Der Unterschied der beiden Kameras liegt im Detail. Etwa im Zoombereich: Das schwarze Modell (IPCam 360 FHD Compact, rund 280 Euro) bietet einen digitalen Zoom, wodurch das gezoomte Bild pixelig erscheint und hat außerdem Ton. Für die Installation ist eine WLAN oder LAN-Verbindung nötig.

Die weiße Kamera (B: IPCam 360 FHD, circa 380 Euro) liefert mit ihrem fünffach optischen Zoom gestochen scharfe Bilder, der Aufnahmewinkel ist verstellbar.

Sie besitzt Mikrofon und Lautsprecher und funktioniert über eine LAN-Verbindung oder mit einer Sim-Karte. Perfekt für die Überwachung von Weiden, die weiter entfernt sind.
Das passende System finden
Kabelgebunden: Die Bildqualität kabelgebundener Überwachungskameras ist hoch, die Verbindung stabil und sie sind weniger störanfällig. Für eine nachträgliche Installation im Stall müssen jedoch Kabel verlegt werden. Das kann aufwendig sein. Besser ist es, bei der Planung eines Stalls schon Kabel für die Video-Überwachung zu verlegen.
Drahtlos per WLAN: Die Installation ist sehr einfach, flexibel und die Kamera kann leicht umplatziert werden. Vorausgesetzt, es gibt eine gute WLAN-Verbindung. Der Nachteil ist, dass die Überwachung von der Signalstärke und der Signalreichweite abhängig ist. Daher eignen sich solche Systeme eher für kleinere Ställe oder solche mit gutem WLAN-Empfang.
Mobilfunkbetrieben: Dieses System arbeitet über Mobilfunknetze, ist daher unabhängig von lokalen Netzwerken, flexibel einsetzbar und vor allem für Ställe ohne Internetzugang geeignet, solange die Netzabdeckung stimmt.
Solar oder Batterie: Manche Kameras werden mittels Solarzellen mit Strom versorgt. Das ist umweltfreundlich und ideal für Außenbereiche. Für die temporäre Überwachung eignen sich auch Kameras, die batteriebetrieben sind. Sie sind flexibel positionierbar und unabhängig von der Stromquelle, die Laufzeit ist aber natürlich an die Leistung des Akkus gebunden. Wobei manche Akkus Laufzeiten von rund 13 Monaten haben.