Kolik: Ursachen, Therapie, Operation
Kolik bei Pferden - Ursachen

Bauchschmerzen sind stets ein Notfall, äußern sich aber nicht bei jedem Pferd gleich. Auf welche Alarmsignale müssen Besitzer achten – und wie beugt man einer Kolik vor?

CAV Kolik Tierarzt
Foto: Rädlein

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Kolik ist ein Sammelbegriff für Bauchschmerzen aller Art. Bei einigen Pferden löst bereits die kleinste Änderung ihres Umfelds Kolik aus. Da die Magen-Darm-Tätigkeit vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird, können Faktoren wie falsche Haltung, Stallwechsel, Wetterwechsel oder Aufregung sie negativ beeinflussen. Bei Pferden, die sich wenig bewegen, wird der Darm träge. Auch Parasiten können Kolik auslösen: Manche Würmer zerfressen die Darmschleimhaut bzw. die Darmwand. Bei anderen Parasiten verursachen die Larven eine Thrombose in den Darm-Blutgefäßen.

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Sehr oft ist falsches Futter die Ursache. Jede abrupte Futterumstellung, etwa beim Weideauftrieb, stört die Verdauung. Dasselbe gilt für verdorbenes, vermilbtes oder schimmeliges Futter. Gärfähiges, blähendes Futter führt häufig zu gefährlichen Gaskoliken im Magen, Dünn- oder Dickdarm. Dazu zählt: frisches Gras zu Beginn der Weidesaison, welkes oder erhitztes Grünfutter, große Mengen Obst, frischer Getreideschrot, weiches Brot oder Klee.

Zu viel Kraftfutter, das schlecht gekaut und eingespeichelt wird, kann Kolik auslösen, vor allem wenn zu wenig verdauungsförderndes Heu gefüttert wird. Mastfutter für Schweine, Rinder oder Geflügel, hat in der Pferdefütterung nichts verloren. „Es enthält häufig Futterzusätze wie Monensin, eine für Pferde in niedrigster Dosis tödliche Substanz“, erklärt Pferdefachtierarzt Dr. Wolfgang Scheidemann von der Tierklinik Domäne Karthaus in Dülmen/Nordrhein-Westfalen.

Zuviel Stroh und extrem grobstängeliges Heu können bei empfindlichen Pferden Verstopfungen auslösen, wenn sich die Stängel an den Übergängen von weiten zu engen Darmabschnitten sammeln. Verstopfungskolik droht auch beim Fressen von Sand oder Erde. Der Dreck sammelt sich und klumpt in den Wölbungen des Dickdarms, wo er einen Darmverschluss verursachen kann. Lebensbedrohlich sind Darmverschlingungen und -verlagerungen.

Da der Pferdedarm nur an bestimmten Stellen in der Bauchhöhle fixiert ist und viele Darmabschnitte ständig in Bewegung sind, können Teile des Darms sich drehen, einstülpen oder abknicken. „Der Dünndarm mit seinem unterschiedlich langen Gekröse vagabundiert in der Bauchhöhle und kann in natürliche Öffnugen wie den Leistenring geraten und dort eingeklemmt werden“, erklärt Dr. Scheidemann. Dadurch wird die Blutzufuhr unterbrochen, der betroffene Darmabschnitt kann innerhalb kurzer Zeit absterben, wenn er sich nicht wieder spontan befreit.

Pferde, die gierig zu viel Futter schlingen, sind ebenfalls gefährdet: Da der Magen nur etwa 5 bis 15 Liter fasst, droht Magenüberladung. „Tödliche Magenruptur ist häufig die Folge“, sagt Dr. Scheidemann. Auch Tumore, Geschwülste der Darmlymphknoten (Leukose) oder Abszesse können Koliken auslösen.

Kolik bei Pferden - Krankheitsverlauf

Obwohl sich einige milde Koliken von selbst bessern, ist der Verlauf häufig unberechenbar. Oft verschwinden die Schmerzen vorübergehend. Dann hat der Darm seine Tätigkeit eingestellt, die Schmerzrezeptoren arbeiten nur langsam oder gar nicht mehr. Vorsicht: Scheinbare Schmerzfreiheit ist nicht automatisch ein Zeichen für Selbstheilung; oft kehren die Schmerzen nach Stunden verstärkt wieder und der Zustand des Pferds verschlechtert sich dramatisch (Schockgeschehen unterschiedlichen Grades).

Pferde mit Zahnfehlern leiden häufiger an Kolik, weil sie ihr Futter schlechter kauen. Boxenpferde, die wenig Bewegung haben, und alte Tiere haben häufig einen „trägen Darm“, was das Kolikrisiko erhöht. Magenüberladungen können dazu führen, dass der Magen platzt. Alarmsignal: Mageninhalt quillt aus dem Maul oder einer Nüster. Wenn ein extrem aufgeblähter oder verstopfter Darm reißt, kann Darminhalt in die Bauchhöhle fließen. Dann droht eine lebensgefährliche und in der Regel tödlich verlaufende Bauchfellentzündung (Peritonitis).

In einem stark verstopften Darm können sich Stoffwechselprodukte sammeln, die das Pferd vergiften, den Kreislauf belasten und zum Schock führen können.

So können Sie vorbeugen:

FÜTTERUNG: Pferdegerechte Fütterung mit viel Heu und wenig Kraftfutter ist die beste Prophylaxe. Auch die Futterzeiten sind wichtig: Verteilen Sie die Mahlzeiten über den Tag und halten Sie feste Futterzeiten ein, falls das Pferd daran gewöhnt ist; falls nicht, gewöhnen Sie es nur schrittweise um.

QUALITÄT: Lagern Sie Futter immer trocken und sauber – und füttern Sie nie schimmeliges Futter.

MENGE: Faustregel für Freizeitpferde: maximal 400 bis 500 Gramm Kraftfutter pro Mahlzeit und 100 Kilo Körpergewicht. Füttern Sie vor dem Kraftfutter ausreichend Heu. Wasser sollte immer zur freien Verfügung stehen.

UMSTELLUNG: Jede Futterumstellung muss schrittweise geschehen. Besondere Vorsicht ist beim Weideauftrieb im Frühjahr geboten.

RAUFUTTER: Heu ist optimal für die Verdauung. Bieten Sie es deshalb auch auf abgefressenen Weiden und im Paddock an. Neigt das Pferd zu Verstopfungskoliken durch Strohfressen, ist Stroh als Einstreu tabu.

BEWEGUNG: Sorgen Sie immer für viel Bewegung, damit die Verdauung in Schwung bleibt. Besonders wichtig sind lange Schrittphasen.

GESUNDHEIT UND PFLEGE: Würmer können Bauchschmerzen verursachen. Um den Parasitenbefall des Pferds einzudämmen, sind gezielte Wurmkuren und das Abäpfeln der Weide Pflicht. Lassen Sie mindestens einmal im Jahr die Pferdezähne kontrollieren.

Kolik bei Pferden - Operation ja oder nein?

Jede Kolik ist ein Notfall! Benachrichtigen Sie sofort den Tierarzt, und schildern Sie ihm genau die Symptome. Bis er kommt, darf das Pferd weder fressen noch trinken. Gehen Sie ruhig mit dem Pferd spazieren, wenn es freiwillig mitläuft – aber auch nicht stundenlang. „Stellen Sie das Pferd in eine große Box oder Reithalle, wo es sich wälzen kann“, rät Dr. Scheidemann. Wälzen führt nicht zu weiteren Komplikationen, sondern verschafft dem Pferd die dringend notwendige Erleichterung.

Tierärzte setzen gezieltes Wälzen bei bestimmten Dickdarmverlagerungen unter Vollnarkose in manchen Fällen sogar als Behandlung ein.

MEDIKAMENTE UND PUNKTION: Bei Krampfkolik spritzt der Tierarzt in der Regel krampflösende und kreislauffördernde Mittel. Bei Gaskolikern sollen Medikamente oder Einläufe die Darmtätigkeit anregen, damit Gase abgehen. In schweren Fällen lassen sich betroffene Darmabschnitte nur durch Punktion von außen (z.B. Blinddarmpunktion) entgasen.

Bei Verstopfung wird der Darminhalt durch Abführmittel wie Glaubersalz oder Paraffinöl aufgeweicht. Die Gleitfähigkeit des Darms wird durch Glaubersalzlösung und Paraffinöl verbessert. Infusionen wirken gegen Austrocknung und Bluteindickung. Überladene Mägen entleert der Tierarzt per Magenschlundsonde.

OPERATION: Bei Darmverschluss, Drehung, Knickung, Einklemmung, Einstülpung und Verlagerung von Darmabschnitten ist eine Operation häufig die einzige Rettung. Abgestorbene Darmabschnitte werden entfernt, gedrehte Darmteile zurechtgerückt. Doch die Operation bleibt riskant, auch weil die Vollnarkose das geschwächte Pferd belastet. Die Behandlungsdauer hängt immer von der Art der Beschwerden ab. So kann der Tierarzt eine Krampfkolik mit einem krampflösenden Mittel manchmal schon in drei bis fünf Minuten kurieren.

Die Behandlung einer Verstopfung kann hingegen zwei bis drei Tage dauern. Nach einer Operation braucht der Patient drei bis sechs Monate, bis er vollständig genesen ist und wieder voll geritten werden kann.

ALTERNATIVE BEHANDLUNG: Homöopathika wie Nux vomica, Belladonna, Colocynthis, Cuprum, Opium oder Colchicum können eine schulmedizinische Behandlung ergänzen. Als Alleintherapie können sie aber
nur leichte Krampfkoliken kurieren. Experimentieren kann lebensgefährlich sein.

OPERATION JA ODER NEIN?: Im Einzelfall kann strittig sein, ob eine Kolik-Operation sinnvoll ist. Anhaltspunkte für die Erfolgsaussichten sind unter anderem Pulsfrequenz, Hämatokrit- und Laktat-Wert des Bluts. Aus dem Abweichen eines einzelnen Laborparameters kann aber nicht auf eine ungünstige Prognose geschlossen werden. Experten fordern daher ein umfassendes Monitoring des Kolikpatienten. Die Überlebensrate nach einer OP ist unter anderem abhängig vom betroffenen Darmabschnitt. Die Überlebenschance steigt, wenn der Tierarzt schnell die korrekte Diagnose stellt.

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6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023