Das graue Grauen
Eine Maus kommt selten allein. Eine Ratte auch nicht. Denn die Nager sind äußerst vermehrungsfreudig, sagt Schädlingsbekämpfer Jens Deschner aus Oranienburg. Ratten sind nach zwei bis drei Monaten geschlechtsreif, sie bringen pro Wurf (bei vier bis sieben Würfen pro Jahr) acht bis zwölf Junge zur Welt; macht bis zu 84 Nachkommen in einem Jahr. Mäuse sind schon nach etwa 35 Tagen geschlechtsreif, haben acht bis zwölf Junge pro Wurf, bei etwa zwölf Würfen im Jahr – also bis zu 144 Jungtiere. "Daher sollte man schon beim ersten Schadnager im Stall umgehend Maßnahmen einleiten", sagt Deschner.
Kein Stall ohne Maus?
Ställe ohne Schadnager, das ist nicht möglich; da sind sich die Experten einig. "Man wird nie komplett verhindern können, dass Ratten und Mäuse im Pferdestall unterwegs sind", so Deschner. Auch Veterinärin Sigrun Klose aus Sandstedt ist überzeugt: "100 Prozent Mäusefreiheit sind nicht möglich – nicht mal in einer Tierklinik, wo es ja ausgesprochen sauber und hygienisch zugeht. Aber einen Misthaufen haben die ja auch."
Vor allem, wenn es draußen kalt wird, sowie in der Brunftzeit (Herbst und Frühling) suchen sich Schadnager Plätze für den Nestbau. Deschner: "Allgemeingültige Empfehlungen für Häuser und Wohnungen wie Eintrittslöcher zu verschließen und Hohlräume auszuschäumen, sind in einem pferdefreundlichen Stall wenig effektiv. Es gibt einfach zu viele Zutrittsmöglichkeiten." Auch in selten genutzten Pferdetransportern oder –anhängern machen sich Ratten und Mäuse breit.
Krankheitsüberträger
Um den Nagern auf die Spur zu kommen, rät Deschner dazu, "mit offenen Augen durch den Stall zu gehen und auch mal hinter Schränke oder selten genutzte Arbeitsgeräte zu schauen, ob man Kot oder Nagespuren entdeckt". Gleiches gilt für Heu- und Futterlager. Hier werden Kot und Urin der Nager gefährlich: Darüber können Mäuse und Ratten Salmonellen übertragen, Koliken und Infektionskrankheiten auslösen.
Dazu kommt: "Mäusekot und Rattennester verursachen Schimmelpilze in Heu und Kraftfutter." Die so entstehende Staub- und Schimmelpilzbelastung führt zudem häufig zu Atemwegserkrankungen, betont Tierärztin Klose. Die Gefahr von Botulismus sieht sie eher in Silageballen, "wenn da mal eine tote Maus drin ist". Mitunter fressen Ratten aber auch Hufe an, gerne am Kronsaum, "wo es etwas weicher ist", weiß Sigrun Klose. "Das stört die Nachtruhe der Pferde, was zu REM-Schlafmangel führen kann, weil die Pferde sich nicht mehr ablegen möchten."
Was hilft im Nager-Kampf?
Stallhygiene ist im Vorfeld das A und O, um das Risiko eines starken Befalls zu minimieren, betont Veterinärin Sigrun Klose. "Kraftfutter, Mineralien und toll riechende Müslis sollten unbedingt in fest verschlossenen Eimern und Tonnen aufbewahrt werden", empfiehlt Deschner. Alles, was bei der Zubereitung daneben fällt, ist umgehend zu entfernen. Die Aufbewahrungsbehälter sollte man regelmäßig auf Beschädigungen kontrollieren. Wichtig: Stallangestellte und Einsteller entsprechend sensibilisieren und aufklären.
Und was ist mit Stallkatzen? Die sind immer gut, "aber irgendwann kommt auch die beste Stallkatze nicht mehr hinterher", so Jens Deschner. Den Einsatz von Hunden, etwa Jack Russel, sieht er skeptisch; deren Jagdstil sei nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. "Schlagfallen" oder "Lebendfallen" seien ebenfalls wenig effektiv, denn "Ratten und Mäuse sind sehr schlaue Tiere". Sollte sich ein Tier in eine dieser Fallen verirrt haben, sind die anderen gewarnt; "es ist sehr unwahrscheinlich, weitere Nager auf diese Art zu fangen".
So bitte nicht!
Abgesehen von der Nagerintelligenz werden im Kampf gegen die Schadnager häufig vier Fehler gemacht, weiß Jens Deschner. Nummer 1: Schlagfallen stehen mitten im Raum. Richtig wäre an der Wand, also an den Laufwegen der Tiere. Fehler Nr. 2: Köder wie Speck oder Käse sind so groß portioniert, dass die Nager sie seitlich aus der Falle ziehen können. Fehler Nr. 3: Lebendfallen werden tagelang nicht kontrolliert. Auch für Schadnager gilt das Tierschutzgesetz (§1, niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen). Und schließlich Fehler Nr. 4: Frei verkäufliche Ratten- und Mäusegifte einfach in großen Mengen auslegen. Sie erzielen nur selten die gewünschte Wirkung. "Ein professioneller Schädlingsbekämpfer wird zum Schutz von Nichtzieltieren immer manipulationssichere Köderboxen mit geeigneten, wirksamen Ködern aufstellen", sagt Deschner.
Wie macht's der Profi?
Ein Schädlingsbekämpfer bekommt ein Nager-Problem schneller und effektiver in den Griff: "Denn er hat die nötige Erfahrung, Fraßspuren, Trittsiegel – also Fuß- bzw. Pfotenabdruck –, Laufwege oder Nistplätze zu erkennen, um an den richtigen Stellen zu beködern", erklärt Jens Deschner. Die effektivste und sicherste Methode sei die Bekämpfung mit Rodentiziden (chemische Mittel zur Nagetierbekämpfung). Sie unterbinden die Blutgerinnung der Tiere, die dadurch innerlich verbluten. "Giftköder sind in manipulationssicheren und stabilen Köderboxen (aus Metall oder Kunststoff) auszubringen, damit Menschen, insbesondere Kinder, und andere Tiere nicht gefährdet werden." Köderboxen aus Pappe etwa sind deshalb nicht geeignet.
Anhand der Kotmenge und Trittspuren können Profis die Befallstärke abschätzen – und von der hängt ab, was der Profi-Einsatz kostet. Bis zu 20 Tiere gelten bei Deschner als leichter, 21 bis 50 Tiere als mittlerer Befall; dafür verlangt er rund 285 Euro. Ab 51 Tieren zählt das für ihn als schwerer Befall (ca. 700 Euro). Allerdings sei seine Skala nicht allgemeingültig, so Deschner; auch die Preise zur Bekämpfung können regional unterschiedlich sein. "Man sollte auf jeden Fall darauf achten, dass der Schädlingsbekämpfer nicht auf Vorkasse in bar besteht. Ein seriöser Anbieter schickt nach der Bekämpfung immer eine Rechnung."
Normgerechtes Vorgehen gegen die Nager
Für korrekte Schädlingsbekämpfungen gibt es eine Norm (DIN EN 16636). Daher läuft sie immer nach einem fixen Schema ab: Der Schädlingsbekämpfer beurteilt die Befallsstärke, das Schadensrisiko und analysiert die Ursachen. Dann legt er den Anwendungsbereich sowie den Schädlingsbekämpfungsplan fest (inkl. Angebot mit Kostenvoranschlag). Hat der Schädlingsbekämpfer die vereinbarte Dienstleistung erbracht, muss er die Behandlung nachweisen und die Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen bestätigen. Präventivmaßnahmen zu empfehlen, gehört ebenfalls zur Schädlingsbekämpfung.