Basis-Futter bei vierbeinigen "Magen-Kandidaten”
Heu pflegt den Magen: Dass Pferde Magenprobleme bekommen – von Entzündungen der Schleimhaut bis zu schweren Läsionen –, liegt nach Erfahrung von Tierärztin Dr. Anne Mößeler in den meisten Fällen am Heu. Genauer: dass die Pferde das Raufutter nicht in ausreichender Menge oder guter Qualität bekommen. Dabei beugt Heu Magenproblemen doppelt vor: Beim Kauen bilden Pferde Bicarbonat-reichen Speichel; der puffert Magensäure auf natürliche Weise ab. "Zweitens bildet sich durch das gekaute Heu im Magen eine Art Futtermatte. Die führt dazu, dass der untere Teil des Magens mitsamt Magensäure quasi ‚abgedeckt’ wird”, sagt Dr. Mößeler. So kann die Säure beispielsweise bei Bewegung nicht in den oberen drüsenlosen Teil des Magens gelangen und dort die Schleimhaut reizen. Reiter sollten mit mind. 1,5 kg Heu je 100 kg Körpergewicht des Pferds kalkulieren.
Die Raufutter-Struktur ist entscheidend: Bei ausschließlicher Aufnahme von sehr fein vermahlenem Futter entsteht keine physiologische Schichtung im Magen. "Untersuchungen an Schweinen zeigten, dass sich bei fein vermahlenem Futter keine Matte im Magen bildet, eher eine homogene Plörre.” Gras wirkt ebenfalls positiv: Das langsame, kontinuierliche Mampfen verhindert Fresspausen und sorgt für natürliches Fressverhalten; beides reduziert Stress.
Getreide oder nicht? Stärke kann den Magen belasten. Aber nicht alle Pferde reagieren empfindlich darauf. Hafer ist aufgrund der in ihm enthaltenen Schleimstoffe und einem Stärkeanteil von 40% am besten verträglich. Bei Magenpferden ist aber oft ein Verzicht angebracht. "Als Grundsatz gilt: So viel Raufutter wie möglich, so wenig Kraftfutter wie nötig.”
Was in Magen-Futtermitteln steckt – und was davon wirklich hilft
Puffert die Magensäure: Ein beliebter Bestandteil in Futtermitteln für den Magen sind Magnesiumoxid und Calciumcarbonat. "Das wirkt ähnlich wie Bicarbonat, das im Pferdespeichel steckt. Auch das Sekret der Bauchspeicheldrüse enthält Bicarbonat, um den pH-Wert im Nahrungsbrei anzuheben, wenn der vom Magen in den Dünndarm rutscht”, erklärt Dr. Anne Mößeler. Aber: "Diese Pufferung der Säure, also das Anheben des pH-Wertes, funktioniert nur im Reagenzglas.” Was in der Humanmedizin schon länger bekannt ist, wurde auch in Studien der TiHo Hannover gezeigt: nämlich dass der Körper gegenreguliert, sprich: mehr Magensäure produziert, um den pH-Wert im Magen auf das (für die Verdauung) richtige Maß zu bringen. "Die Studien wurden am Schwein durchgeführt, sind aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Pferd übertragbar, da die Regulationsmechanismen ähnlich sind. Die Pufferwirkung ist damit obsolet.”
Bestandteile von Algen sollen ebenfalls puffernd wirken. "Auch bei denen kommt es im Anschluss zu einer erhöhten Bildung von Magensäure”, erklärt die Tierärztin. Und: "Wenn Carbonat und Magensäure zusammentreffen, entsteht CO₂ im Pferdemagen. Das kann bei sensiblen Tieren zu Problemen führen.”
Schützt den Magen: Anders sieht der Effekt bei Futterbestandteilen aus, die sich wie ein Schutzfilm auf die empfindliche Magenschleimhaut legen. Dazu zählen Leinsamen (klassisch aufgekocht, damit er seine Schleimbildung entfaltet), Leinkuchen, Leinschrot oder Pektine, wie sie in Apfeltrester stecken. "Das deckt die Schleimhaut ab und wirkt gleichzeitig wie ein Nährsubstrat für die Epithelzellen in der Magenschleimhaut. Das heißt, es hilft bei Neubildung und Reparatur der Zellen”, so Dr. Mößeler.
"Magen-Kräuter” wie Süßholzwurzel, Kamille, Minze oder Schafgarbe sollen entzündungshemmend und beruhigend wirken. Dr. Mößeler ist vorsichtig mit Empfehlungen: "Oft werden Erkenntnisse aus dem Humanbereich auf die Pferdemedizin übertragen. Meines Wissens gibt es keine validen Studien, die die Wirkung von Magenkräutern belegen.”

Süßholz wirkt schleimhautschützend und findet sich daher oft in Magenfutter.
Beruhigt Pferde: Stress gilt als Auslöser Nr. 1 bei Magenerkrankungen. Den können das Mengenelement Magnesium oder die Aminosäure Tryptophan abschwächen. "Aus Milchprotein gewonnenes hydrolysiertes Kasein (Alpha-Casozeptin) kann ebenfalls beruhigend wirken, wobei der Effekt individuell unterschiedlich stark ausgeprägt zu sein scheint”, sagt Dr. Mößeler. Sie betont: "Die Minimierung von Stress steht bei Magenproblemen an erster Stelle. Kein Futter wird auf Dauer helfen, wenn das Pferd im Offenstall zu wenig Platz hat oder es den Boxennachbar nicht mag.”
In welchen Fällen kann Magenfutter helfen?
Präventiv füttern: Manche Medikamente schlagen auf den Magen, vor allem nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID). Diese Art von Schmerz- und entzündungshemmenden Mitteln sorgen dafür, dass die Magenschleimhaut nicht mehr so gut durchblutet wird – und machen den Schutzschild somit löchriger und anfällig für Entzündungen oder Geschwüre. "Bei Pferden, die für längere Zeit mit einer hohen Dosis Schmerzmitteln behandelt werden müssen, sollte man daher überlegen, ob man zeitgleich ein Magenschutzmittel gibt”, rät Dr. Anne Mößeler. Das kann in Form eines Medikaments sein – oder man kocht seinem Pferd für die Dauer der Medikation zusätzlich schützenden Leinsamen. Empfehlung für ein Großpferd: 80 bis 100 g Leinsamen mit der dreifachen Menge Wasser für 15 Minuten kochen.

Leinsamen bildet eine schützende Schleimschicht; ein Klassiker bei Magenproblemen.
Stehen moderat stressige Situationen an wie ein Transport oder Silvester, ist Heu das Mittel der Wahl für Anne Mößeler. "Das wirkt am besten präventiv, weil sich eben eine puffernde Futtermatte im Magen bildet – aber auch, weil das Kauen selbst Pferde beruhigt.”
Bei einem Stallwechsel können Reiter den Stress durch Magnesium, Tryptophan oder Kasein mindern. Leinsamen und Pektine unterstützen den Magen in der Eingewöhnungszeit im neuen Zuhause zusätzlich.
In akuten Fällen füttern: Hat das Pferd eine entzündete Magenschleimhaut oder gar Geschwüre, hilft auf jeden Fall Heu. Je nach Art der Erkrankung sollten Reiter aber differenzieren.
Magenfutter passend zur Erkrankung wählen
Entzündung der Magenschleimhaut: Bei leichten Reizungen hilft es oft, dem Pferd ausreichend Heu ohne zu lange Fresspausen (über vier Stunden) zur Verfügung zu stellen. Reiter sollten nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass ihr Pferd genug Heu bekommt, sagt die Tierärztin: "Bei etlichen meiner Patienten mit Magenproblemen kamen die Tiere im Offenstall nicht an Fressplätze. Oder das Heu war nicht witterungsgeschützt und daher gammlig. Oder es war aufgrund von suboptimaler Ernte und Lagerung hygienisch nicht einwandfrei. Dann fressen etliche Pferde natürlich nicht genug.”
Nicht genug bekommen mitunter auch zu dicke Pferde auf Diät – was ihnen wiederum auf den Magen schlägt. "In solchen Fällen kann man nicht mit Heu ad libitum arbeiten. Es ist empfehlenswert, die rationierte Heumenge auf mehrere Portionen aufzuteilen und zwischendurch mit Fresspausen arbeiten, in denen das Pferd Stroh knabbern kann”, sagt die Ernährungsspezialistin. Oder man mischt die Raufutterration so, dass maximal ein Drittel aus Stroh besteht.
Magengeschwüre: Bei Pferden mit Magenulkus (oder immer wieder daran erkrankenden Tieren) steht strukturreiches Heu an erster Stelle. "Bekommt das Pferd damit nicht genug Energie, kann ich die Ration mit fett- und faserreichem Kraftfutter ergänzen, wie es etwa für Pferde mit Stoffwechselerkrankungen wie PSSM angeboten wird”, sagt Dr. Mößeler.

In Äpfeln (und Apfeltrester) steckt das Polysaccharid Pektin. Das legt sich schützend auf die Magenschleimhaut.
Sie rät, Müslis mit Luzernehäckseln oder Sonnenblumenschalen links liegen zu lassen. Luzerne kann zwar aufgrund seines Eiweiß- und Calciumgehalts puffernd wirken. "Aber Untersuchungen der Uni Leipzig zeigten, dass Luzernehäcksel zu mechanischen Reizungen und Schleimhautverletzungen führen können.” Nach akuten Erkrankungen empfiehlt sich ein Schleimhautschutz, etwa durch Leinsamen oder Pektinen.
Entleerungsstörung: Die Symptome einer Magenentleerungsstörung können denen bei Magengeschwüren ähneln (Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit oder Zähneknirschen). Kontraproduktiv wäre aber, unreflektiert Zusatzfutter zu geben; schließlich sammelt sich das Futter am Magenausgang. Beim Verdacht auf Magenprobleme sollte zuerst der Tierarzt zu Rate gezogen werden, bevor die Erkrankung unwissentlich durch gut gemeintes, aber ungeeignetes Futter verschlimmert wird. Erst wenn die Veterinäre den Futterball aufgelöst haben, können Reiter zufüttern: in den drei Monaten danach mindestens fünfmal täglich Mash und Grünmehlpellets, um die Darmtätigkeit zu unterstützen.
Schlägt auf den Magen
Magenprobleme haben verschiedene Ursachen. Entzündungen der Magenschleimhaut können durch Stress, Training, Defizite in der Fütterung oder als Nebenwirkung von Medikamenten (NSAID) auftreten. Sie können zu Geschwüren im drüsenlosen Bereich der Magenschleimhaut (ESGD) führen. Was den Bereich der drüsenhaltigen Schleimhaut (EGGD) schädigt, ist noch nicht ausreichend erforscht. Bei Magenentleerungsstörungen bildet sich ein Futterball am Magenausgang.
Wie wirken Protonen-Pumpen-Hemmer?
Magensäure wird in den Zellen der Magenschleimhaut gebildet. Die Stoffe, die diese Zellen benötigen, werden über die sogenannte Protonenpumpe transportiert. Der Wirkstoff Omeprazol hemmt diese Pumpe; so wird bis zu 99% weniger Magensäure gebildet. Je nachdem, wie schwer die Schleimhaut geschädigt ist, wird Omeprazol mehrere Wochen verabreicht – und muss anschließend langsam ausgeschlichen werden.
Erfahrung aus der CAVALLO-Redaktion:
Therapie aus dem Trog
Meine Quarter-Stute Glenda stand innerlich so unter Strom, dass sie als 14-Jährige blutende Magengeschwüre bekam. Als Freizeitpferd, trotz Herde mit Lieblingsfreundin, ganztags Weide und gutem Heu satt.

Glenda (26) ist heute ein magengesundes Pferd – dank Zusatz-Futter.
Die tierärztliche Therapie mit Magenmedikamenten wirkte stets nur kurz, sie hatte immer wieder Koliken. Heute ist Glenda 26 – und ihr Magen ist seit Jahren gesund. Was sich geändert hat? Nichts, außer dass ich gezielt zufüttere. Nach einer Kur (für Stoffwechsel & Zellschutz) bekommt sie bis heute etwas Kraftfutter (kohlenhydratarm) und (inzwischen nur noch im Winter) ein Magen-Spezial-Futter. Nährstoffe waren unser Erfolgsrezept.

Linda Krüger, CAVALLO-Chefredakteurin
Linda Krüger, CAVALLO-Chefredakteurin
Die Expertin

PD Dr. Anne Mößeler ist Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik, European Veterinary Specialist in Comparative Nutrition (ECVN) und habilitierte an der TiHo Hannover in der Tierernährung. Seit 2017 ist sie mit eigener Praxis selbstständig tätig und berät Pferdehalter in Fütterungsfragen. praxis-moesseler.de