CAVALLO-Coach: Hilfe bei klappernden Zähnen
"Mein Pferd klappert beim Reiten mit den Zähnen"

Leserin Cathleen Gutgesell versucht seit zwei Jahren herauszufinden, warum ihre Stute in der Bewegung die Zähne lautstark aufeinanderschlägt. Kann unser Coach helfen?

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Foto: Lisa Rädlein

Autsch, da kriegt man ja vom Zusehen Zahnschmerzen! CAVALLO-Leserin Cathleen Gutgesell schickte uns ein Reitvideo von ihrer Stute. Klack, klack, klack – die Zähne des Pferds schlagen im Takt des Trabs laut aufeinander.

Auch ohne Reiter an der Longe zeigt sich das Verhalten. Die Pferdebesitzerin ist verzweifelt: „Davon bekommt Luisa ja Kopfschmerzen“, meint sie.

Anzeichen für Stress?

Cathleen Gutgesell hat über Monate alles probiert, die Ursache für das Zähneklappern zu finden. Erfolglos. Dann kamen im Sommer noch Magenprobleme hinzu – obwohl die Stute zu der Zeit Reitpause hatte. Das alles sind Zeichen für Stress. Aber woher kommt der? Die Besitzerin ist verzweifelt und kurz davor, ihr Pferd nur noch auf die Weide zu stellen und decken zu lassen. „Dann sah ich den Kummerpferde-Aufruf in CAVALLO und dachte: Das ist unsere letzte Hoffnung“, erzählt sie.

Ihre siebenjährige Stute hat top Papiere. Die Vorbesitzer waren reiche Russen, die aus der bildschönen Braunen einen Dressurstar machen wollten. Was während der Ausbildung schief lief, ist unklar. Die Stute klapperte bereits mit den Zähnen, als sie zu ihrer jetzigen Besitzerin kam. Hat sie das nicht vom Kauf abgeschreckt? „Mein Schwiegervater handelt mit Altmetall. Er hat Luisa von einem Geschäftspartner als Bonus zu einem Schrotthandel bekommen“, erzählt Cathleen Gutgesell.

So hatte die Reiterin plötzlich ein Pferd mehr im Stall. Ihr wurde gesagt, mit ein bisschen Vorwärts-abwärts-Reiten würde die Stute bald wieder laufen. Doch so einfach war es nicht. „Luisa war da und ich brachte es nicht übers Herz, sie wieder abzugeben.“

Die Pferdebesitzerin gab der sensiblen Luisa anfangs viel Zeit. Sie ritt nur mit Halfter, ließ das Pferd vom Osteopathen checken und in der Klinik den Kiefer durchleuchten. Doch die Ursache fürs Zähneklappern blieb schleierhaft. Zudem wird Luisa immer schreckhafter. Beim Reiten ist sie schon immer ein Feuerstuhl. „Seit Kurzem ist Luisa sogar in der Box nervös“, sagt ihre Besitzerin. „Sie will immer alles richtig machen, hat aber Angst.“

Pferd unter Anspannung

Mit Connected-Riding-Trainerin Petra Sackschewski gehen wir zu Luisas Box. Die Stute schnauft aufgeregt. Ihre Augen sind aufgerissen, ihr Körper angespannt. Die Ausbilderin lässt Luisa an ihrer Hand schnuppern. Das Pferd sucht Kontakt.

„Die Stute ist vom Genick bis zur Brustwirbelsäule extrem verspannt“, sagt die Trainierin. Sie vermutet ein altes Trauma: Vielleicht wurde Luisa zu lange zu stark ausgebunden. Oder sie hat sich am Halfter aufgehängt. Was auch immer passiert ist – es hatte Folgen: Die tief liegenden Muskelfasern sind verklebt. „Das Genick kann nicht mehr schwingen und die gesamte Balance des Pferds ist gestört“, sagt Sackschewski. Sie hatte im Vorfeld bereits das Reitvideo gesehen.

Das Urteil der Trainerin: Luisas Bauch wippt in der Bewegung nicht mit, das Genick ist fest. Einzig der Kiefer bewegt sich. „Der muss den ganzen Schwung auffangen. Deshalb schlagen die Zähne im Takt aufeinander“, erklärt Sackschewski. „Luisa klappert nicht bewusst mit den Zähnen.“

Die Ausbilderin will Luisa gezielt vom Boden aus helfen, ihr Spannungsmuster zu überwinden und Stress abzubauen. „Solange die Stute noch so verspannt ist, sollte sie keiner reiten.“ Petra Sackschewski führt Luisa auf den Platz. Das Pferd steht mit hochgestrecktem Kopf neben ihr. Die Trainerin stellt ihr Becken in eine neutrale Position – sodass sie weder Rundrücken noch Hohlkreuz macht. Dadurch aktiviert sie die tiefe Rumpfmuskulatur und ihre Gelenke können federn. „Das hilft, klar mit dem Pferd zu kommunizieren.“

Petra Sackschewski tastet die Muskeln der Stute ab. Ihr Fazit: Durch die Spannung am Halsansatz lässt sich die Widerristkappe nicht hin und her schaukeln. Zwischen ersten Halswirbel und Kiefer müssten mehrere Finger passen. Bei Luisa findet nur der Daumen Platz. „Die Ohrspeicheldrüse wird gequetscht, wenn das Pferd gestellt wird. Das tut weh“, resümiert die Reha-Expertin.

Spezielle Übungen

Für die Bodenarbeit hat die Trainierin ein spezielles Halfter mitgebracht. Die Erfinderin des Connected Riding, Peggy Cummings, entwickelte es. Es soll eine bessere Auflagefläche haben und verhindern, dass Pferde sich im Genick verkanten. „Wenn ich links den Strick annehme, schmiegt sich das Halfter rechts an den Pferdekopf“, erklärt Petra Sackschewski.

An dem Halfter sind Stricke mit hohem Baumwollanteil angebracht. „Die vibrieren leicht, wenn ich den Strick ausstreiche. Dadurch kann ich das Genick minimal links und rechts beeinflussen“, sagt die Ausbilderin. Luisa soll das Genick rotieren, damit sich die Spannungen lösen.

Sackschewski hilft ihr dabei, indem sie mit der einen Hand am Hals Kontakt aufnimmt und mit der anderen Hand den Strick entlanggleitet. Die Stute streckt den Kopf mal mehr nach vorne, mal dreht sie ihn leicht. Die Trainerin erklärt, dass Luisa selbst ausprobieren soll, welche Bewegungen ihr guttun. „Man sieht richtig, wie sie überlegt“, sagt Besitzerin Cathleen Gutgesell.

Der Effekt der Übung ist verblüffend: bereits nach wenigen Minuten senkt Stute den Kopf. Ihre Augen fallen zu. Sie schnaubt kräftig ab. „Jetzt sitzt meine Frisur“, lacht Petra Sackschewski. Besitzerin Cathleen Gutgesell beobachtet mit leuchtenden Augen, was geschieht: „So entspannt habe ich Luisa noch nie gesehen.“

Danach versucht die Trainerin, Luisa auch in der Bewegung in positive Selbsthaltung zu bringen. Die Stute tapst los – und bleibt bald stehen. „Sie muss sich noch sortieren. Vorher hat es sich für sie angefühlt, als würde sie auf High Heels gehen“, erläutert Sackschewski. Die sonst so schreckhafte Stute steht mit hängendem Hals und geschlossenen Augen neben ihr. „Den Kopf zu senken, heißt Kontrolle abzugeben – ein großer Vertrauensbeweis“, so die Trainerin.

Die Pferdebesitzerin bekommt Hausaufgaben: sie soll zweimal täglich je 20 Minuten übern. „Die Stute wird lernen, sich zu entspannen, wenn ihr zusammen seid“, sagt Petra Sackschewski. Die Ausbilderin zeigt der Reiterin die Handgriffe für die Bodenarbeit. „Ich brauche ja fast gar keinen Druck“, wundert sich Cathleen Gutgesell. Ihr Pferd senkt mittlerweile direkt auf die Hilfen den Kopf. Am Ende steht sie mit den Hinterbeinen deutlich mehr unter dem Schwerpunkt. Und die Übungen schafften Platz zwischen Genick und Kiefer: dazwischen passt nun eine Hand.

Die Reiterin und unsere Expertin verabreden sich direkt fürs nächste Training. Damit Cathleen Gutgesell bis dahin ihre Hausaufgaben erledigen kann, bastelt ihr die Trainerin aus dem normalen Halfter mit Baumwollstricken ein geeignetes Bodenarbeitshalfter.

Cathleen Gutsgesell ist glücklich. Die Stute mit den Verspannungen auf die Weide zu stellen, hätte ihr Problem nicht gelöst. Das Pferd braucht Unterstützung, um gesunde Bewegungen wieder zu lernen. Petra Sackschewski vermutet, dass die Magenprobleme der Stute auch von den muskulären Schmerzen kamen. „Es hängt ja alles zusammen“, meint sie.

Jetzt sind Pferd und Reiter auf einem guten Weg. Die Ausbilderin hofft, dass Cathleen Gutgesell in ein paar Wochen wieder reiten kann. „Demnächst werden die Ohren klappern und nicht mehr die Zähne“, lacht Petra Sackschewski. Damit meint sie, dass Luisa so entspannt laufen wird, dass die Ohren locker in der Bewegung wippen. Wir drücken die Daumen!

Die Leserin und ihr Pferd:

Cathleen Gutgesell ist ratlos, wie sie ihrer siebenjährigen Württemberger-Stute helfen soll. Das Pferd kam vor zwei Jahren zu ihr. Luisa wurde als Sportpferd ausrangiert: Sie klappert beim Reiten und Longieren mit den Zähnen. Die Reiterin gab der Stute Zeit, ritt zunächst mit Halfter, ließ das Pferd vom Osteopathen checken und in der Klinik den Kiefer durchleuchten. Doch die Ursache für das Verhalten blieb schleierhaft. Auch eine Weidepause nutzte nichts.

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