Jessica von Bredow-Werndl im Goldrausch

Olympische Spiele 2024
Fein an die Spitze

Zuletzt aktualisiert am 05.08.2024
Jessica von Bredow-Werndl mit Olympischen Gold auf TSF Dalera BB zur Siegerehrung 2024
Foto: Gettyimages/ Maja Hitij

Olympisches Gold in Folge

Jessica von Bredow-Werndl hat es wieder getan: Sie holt mit ihrer Stute TSF Dalera BB nach den Olympischen Spielen in Tokio auch in Paris Doppelgold im Einzel und mit der Mannschaft. Die Reiterin steht wie keine Zweite für feines Reiten – und echte Liebe zum Pferd.

Schon damals eine echte Pferdefrau

Das war auch deutlich spürbar, als CAVALLO-Redakteurin Barbara Böke 2016 Jessica beim Turnier "Pferd International" in München begleitete. Damals war Jessica von Bredow-Werndl mit ihren Pferden Unee und Zaire am Start. Deutlich zu spüren: die Ruhe, die Jessica von Bredow-Werndl im Umgang mit ihren Vierbeinern ausstrahlte; der volle Fokus auf die Pferde, das Hineinhorchen in sie; und die Liebe, die Zeit, die sie gerne mit ihnen verbringt. Und sei es beim Einflechten der Mähne. (Übrigens: Mit Dalera schlummerte sie in Paris in der Box; Dalera stehend, Jessica in einer Hängematte.)

Jessica von Bredow-Werndl: ein Rückblick auf ihre Karriere

Schon damals sagte Jessica, dass ihr Fernziel die Olympischen Spiele seien. 2016 in Rio hatte sie es nicht in die Equipe geschafft – dafür begeisterte sie in Tokio 2021. Und jetzt in Paris 2024. Anlässlich ihres erneuten Triumphs haben wir unseren Artikel von 2016 aus dem Archiv geholt. Lesen Sie selbst, wie unser damaliger Eindruck von Jessica war!

Freundschaft gewinnt! (CAVALLO 2016)

Ihre Pferde sind für sie keine Schleifensammler, sondern echte Partner: Mit dieser Einstellung zu ihren vierbeinigen Dressur-Cracks erobert Jessica von Bredow-Werndl gerade die Weltspitze.

Anspannung liegt über dem Abreiteplatz. Ernste Reiter spulen mit ihren Pferden Lektionen ab – die Hälse eng, die Tritte spannig, der Schweiß tropft und immer wieder peitschen Schweife. Doch dann kommt Unee. Am langen Zügel bummelt der schwarze Hengst um den Abreiteplatz, schaut entspannt in den Trubel. Seine Reiterin legt die Zügel auf den Hals und rückt in aller Ruhe den Zylinder gerade.

Es ist "Pferd International" in München. Jessica von Bredow-Werndl und ihr Pferd Unee starten im Grand Prix Special – so wie diverse andere Top-Reiter auch. Nach auffallend lockerem Abreiten mit viel Dehnung und wenigen Lektionen gewinnt das Paar die Prüfung auf wunderbar leichtfüßige Weise und mit großem Abstand. Unee ist dabei so locker, dass er mehrmals abschnaubt. Wie schafft Jessica von Bredow-Werndl das bloß? Wie können Pferde solche Höchstleistungen so spielerisch aussehen lassen?

Jessicas Tipp: Damit Ihr Pferd gerne etwas leistet, sollte es Spaß bei dem haben, was es tut, und als echter Partner behandelt werden.

Grundpfeiler des Erfolgs ist eine gute Beziehung. "Ich habe die Erfahrung gemacht", sagt Jessica von Bredow-Werndl, "dass es wichtig ist, sich auch neben dem Reiten mit den Pferden zu beschäftigen." Wie mit Stute Zaire: Die war als junges Pferd ein kleiner Angsthase. "Ich habe die letzten Jahre viel Zeit mit ihr verbracht, Bodenarbeit gemacht und ihr Dinge wie laute Musik oder Klatschen gezeigt, damit sie Selbstvertrauen bekommt."

Jessica von Bredow-Werndl und ihre Stute Zaire bei „Pferd International“ 2016
Barbara Böke

Auch auf dem Turnier nimmt sich die Reiterin Zeit für ihre "Püppi": Sie geht mit Zaire auf dem Gelände grasen, zöpfelt die Mähne selbst ein. Das zahlt sich für die Beziehung aus. Auf dem Weg zum Reitplatz sieht man Zaire an, dass ihr das Treiben nicht ganz geheuer ist. Aber auf ein beruhigendes "Na komm" ihrer Reiterin schreitet sie mutig durch das Gewusel. Turniere sind daher ein guter Vertrauenstest. "Das ist wie ein Spiegel, der mir zeigt: Wo stehe ich mit meinem Pferd, wie gut ist das Vertrauen?"

Jessicas Tipp: Nehmen Sie sich bewusst Zeit für Ihr Pferd und die Beziehung zu ihm, auch wenn im Alltag die Zeit manchmal knapp ist.

Die Turniere sollen wunderbare Erlebnisse für die Tiere sein. Unee etwa wird nach seinem Grand-Prix-Sieg mit ein paar Äpfeln der Sorte Pink Lady verwöhnt, die der Hengst liebend gern frisst; alle anderen Sorten spuckt er aus. Jessica von Bredow-Werndl flechtet währenddessen Zaires Mähne ein und flüstert ihr Kosenamen zu; Mutter Micaela massiert die Stute.

Diese Ruhe im Umgang zeigt sich auch beim Reiten. In der Prüfung etwa erschrickt Zaire vor der umspringenden Anzeigentafel – das kostet Punkte. Kein Grund, Zaire dafür zu strafen, sagt Jessica von Bredow-Werndl: "Sie wollte alles richtig machen und ist halt erschrocken; sie ist ja keine Maschine. Deshalb strafe ich meine Pferde auch nicht, die wissen selbst, wenn was nicht gut lief."

Jessicas Tipp: Strafen Sie Pferde nicht für Fehler. Sie strengen sich lieber an, wenn sie positiv bestärkt und viel gelobt und belohnt werden.

Beim Abreiten lässt die Reiterin ihre Pferde regelmäßig am langen Zügel Schritt gehen, krault sie oder lobt mit der Stimme. Das honorieren Unee und Zaire und glänzen mit vollem Einsatz. Diese Leistungsbereitschaft verlangt Augenmaß: "Man muss die Balance finden, um sein Pferd zu fördern, ohne es zu überfordern", sagt Jessica von Bredow-Werndl. Deshalb gehen ihre Pferde meist nur alle vier bis fünf Wochen aufs Turnier.

Und wo ist die Grenze im Training? Das ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich. Fragen Sie am besten immer wieder behutsam, ob das Pferd mehr leisten kann. Die Tiere müssen erst lernen, mit ihrem Körper umzugehen. Ebenfalls wichtig: Pausen, während des Trainings und nach Prüfungen. "Nach Turnieren gehen meine Pferde viel Schritt, ins Gelände oder nur auf die Weide." Danach startet eine etwa einwöchige Konditionsphase mit Galopptraining und Traben am Berg. Nach ein, zwei Pausentagen folgt Technik-Arbeit mit Lektionen-Feintuning.

Jessicas Tipp: Trennen Sie Ausdauer- und Lektionentraining und legen Sie regelmäßig echte Pausentage mit Ausritten, Weidegang und Co. ein.

Jessica von Bredow-Werndl mit Unee
Lisa Rädlein

Die Trennung lohnt sich: "Die Pferde finden es cool, wenn sie mal nur auf die Rennbahn dürfen, und sind danach viel motivierter." Und noch was darf nicht fehlen: Spaß und Neues. Sei es Reiten ohne Sattel und Gebiss, Horsemanship mit Kenzie Dysli oder Warwick McLean oder Toben beim Freilauf. "Ich schaffe es nicht täglich mit jedem Pferd zu spielen, aber zehn Minuten ist besser als nichts", so die Reiterin. Für die Motivation und die Leistungsbereitschaft spielt auch die Haltung eine große Rolle. Deshalb dürfen die Pferde täglich auf die Weiden der Reitanlage Aubenhausen bei Rosenheim/Oberbayern. Auch wenn das zugegebenermaßen nicht immer einfach für die Reiterin war. "Ich musste lernen, meine Pferde hier loszulassen", gibt sie zu. Um die Verletzungsgefahr beim Toben zu minimieren, kommen die Turniercracks aufgewärmt auf die Koppeln. Aber: "Ich kann und möchte sie nicht in Watte packen. Sie können schon auf sich selbst aufpassen."

Jessicas Tipp: Erkennen Sie an, was Ihr Pferd leistet – und geben Sie es ihm zurück, indem es etwa beim Koppelgang einfach Pferd sein darf.

Eine pferdegerechte Haltung, abwechslungsreiches und angepasstes Training und dazu eine tolle Beziehung – fertig ist die erfolgreiche Mischung. Dass die Dressurreiterin mit ihrem pferdefreundlichen Konzept nicht falsch liegt, beweisen ihre Pferde: In München startete sie siebenmal mit ihnen, vom St. Georg Special bis zum 5* Grand Prix. Fünfmal landete sie auf Platz eins.

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Jessicas Erfolge

Jessicas bisher größten Erfolge waren (neben vielen anderen überragenden internationalen Platzierungen mit Höchstnoten):

  • Olympische Spiele 2021 in Tokio: mit TSF Dalera BB 1. Platz mit der Mannschaft und 1. Platz in der Einzel-Kür
  • Olympische Spiele 2024 in Paris: mit TSF Dalera BB 1. Platz mit der Mannschaft und 1. Platz in der Einzel-Kür
  • Europameisterschaften 2023 in Riesenbeck: mit TSF Dalera BB Silber mit der Mannschaft, Gold im Grand Prix Spécial und in der Grand Prix-Kür
  • Weltmeisterschaften 2018 in Tryon NC: mit TSF Dalera BB 1. Platz mit der Mannschaft