Studie zeigt, wie Pferde auf Wölfe reagieren
Stabile Herde könnte Pferde vor Wölfen schützen

Wolfskontakt auf der Weide: Wie reagieren Pferde auf die Raubtiere? Eine neue Studie zeigt, dass die Tiere relativ gelassen bleiben. Eine stabile Gruppenzusammenstellung könnte Pferde vor Wölfen schützen, so das Fazit der Studie.

Gruppe von drei Wölfen am Waldrand
Foto: Raimund Linke / GettyImages

Seit der Wolf im Jahr 2000 nach Deutschland zurückkehrte, führt er bei Pferdebesitzern zur Angst, dass ihr Pferd Opfer eines Wolfsangriffs werden könnte – und auch der Gedanke an eine panische Flucht von der Pferdekoppel, wenn ein Wolf auftaucht, bereitet Sorge. Doch wie reagieren Pferde tatsächlich auf die Anwesenheit von Wölfen auf oder nahe der Weide und wie gefährdet sind sie? Eine Langzeitstudie liefert dazu nun spannende Erkenntnisse. Der "Arbeitskreis Pferd und Wolf" in Niedersachsen hatte die Studie in Auftrag gegeben.

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Kameras zeichneten Pferde und Wölfe auf

Studien-Leiterin Prof. Konstanze Krüger, Pferde-Verhaltensforscherin an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen, hat mit ihren Forscher-Kollegen Theo Gruentjens und Enno Hempel die Ergebnisse jetzt in der Zeitschrift PLOS ONE vorgestellt (zur Veröffentlichung). Zwischen Januar 2015 und Juli 2022 führte das Team Feldbeobachtungen durch und zeichnete zwei Pferdeherden sowie wild lebende Tiere in der Umgebung auf. Die Beobachtungen fanden im Osten Deutschlands, zwischen Dresden und Cottbus, statt. Die Pferde wurden dauerhaft auf zwei nebeneinanderliegenden Weiden gehalten, die mit herkömmlichem Elektrozaun begrenzt waren. Durschnittlich 13 Pferde verschiedener Rassen grasten auf den Weiden – das jüngste Pferd war sechs, das ältestes 29 Jahre alt, unter ihnen sieben Stuten und sechs Wallache. Die Gruppe entsprach damit einer üblichen Gruppe von Reitpferden in Deutschland ohne Hengste und Zuchstuten. Die Weiden befanden sich im Lebensraum eines Wolfsrudels mit regelmäßigem Nachwuchs, dem sogenannten Knappenrode-Seenland-Rudel.

Keine Wolfsangriffe im Studienzeitraum

Zwischen Januar 2015 und Juli 2022 wurden 213.579 Kameraaufnahmen überprüft. 11.061 der Bilder zeigten klar erkennbare Tiere oder Personen und wurden für die weitere Analyse genutzt. Während des gesamten Beobachtungszeitraums gab es keinen Angriff der Wölfe auf die Pferde. 984 Mal wurden Wölfe nahe an oder auf der Koppel erfasst – die meisten nachts, nur wenige in der Dämmerung und ein paar tagsüber. Die meisten Wölfe liefen am Zaun entlang, andere schnüffelten in Richtung der Pferde. Nur sehr wenige rannten außerhalb der Weide umher (drei Fälle) oder standen auf der Koppel (9 Fälle). Außerdem dokumentierten die Forscher eine Vielzahl wild lebender Tiere (3.151 Aufnahmen) – am häufigsten Hasen, Wildschweine, Rotfüchse und Rehe.

Pferde blieben in Gegenwart nicht angreifender Wölfe gelassen

Die Pferde zeigten in Gegenwart der Wölfe keine Signale reduzierten Wohlbefindens oder von Panik – auch wenn das Wohlbefinden in weiteren Studien noch genauer untersucht werden müsse, so das Fazit. Zwar rannten die Pferde an sechs Aufzeichnungstagen auf der Weide, Wölfe waren aber nur an drei dieser Tage anwesend. Weitere Gründe für die Ruhelosigkeit könnten andere Wildtiere, Insekten oder von Menschen verursachte Geräusche gewesen sein. Das Verhalten der Pferde könne darauf hinweisen, dass die Pferde Zentraleuropas ihre Fähigkeit, mit nicht angreifenden Wölfen zu leben, nicht verloren haben.

Rasse, Alter und Gruppenbande entscheidend für Risiko

Während einer Vergleichsperiode von 1. Januar bis März 2022 wurden die beiden Pferdegruppen und ein Korridor zwischen den Weiden getrennt aufgezeichnet. Während auf Weide 1 mit einem Wallach und vier Stuten unwesentlich jüngeren Alters Wölfe aufgezeichnet wurden, machten die Forscher auf Weide 2 keinen Wolf aus. Hier grasten fünf Wallache und zwei Stuten, die unwesentlich älter waren und einer schwereren Rasse angehörten. Die Vermutung des Teams: Die Wölfe könnten die Gruppe mit den fünf Wallachen gemieden haben, da Wallache wie von Hengsten berichtet ihre Herdenmitglieder gegen Angreifer verteidigen könnten. Künftige Studie müssten die Effekte von Geschlecht, Rasse, Alter und Gruppengröße in Bezug auf die Abwehr von Wölfen vergleichen. In der vorliegenden Studie seien schwere Pferde nicht mit Wölfen konfrontiert gewesen, doch auch im Warmblut-Typ stehende Pferde seien nicht attackiert worden. Stabile Gruppen mit engen sozialen Banden könnten Pferde vor Wolfsangriffen schützen, so die Forscher auch mit Verweis auf andere, bereits vorliegende Studien zum Thema. Ein weiterer Schutzfaktor könnte ein reiches Wildtiervorkommen sein: Dann würden Wölfe womöglich leichtere Beute bevorzugen und Pferde wie im beobachteten Gebiet unbehelligt lassen.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023