Stromversorgungsnetze, Haushaltsgeräte, Mobilfunk und WLAN
All das erzeugt Strahlung. Ständig, Tag für Tag. Zu unserem Nachteil und dem unserer Pferde? Wir sind der Frage nachgegangen, was über die (schädliche) Wirkung von Strahlungen bekannt ist. Starten wir mit der Definition: Elektrische und magnetische Felder werden im niederfrequenten Bereich getrennt voneinander betrachtet. Sie gehen beispielsweise von Stromleitungen aus und können elektrische Ströme im Körper erzeugen. Im hochfrequenten Bereich spricht man von elektromagnetischen Feldern. Sie werden etwa durch Smartphones verursacht und können Gewebe erwärmen.
Für hochfrequente elektromagnetische Felder gibt es Grenzwerte, um die Bevölkerung zu schützen, festgehalten im Bundesimmissionsschutzgesetz. Sie sollen verhindern, dass sich gesundheitsrelevante Wärmebelastungen entwickeln. Kritiker merken jedoch an, dass dabei andere vermeintlich negative Auswirkungen außer Acht gelassen werden – so zum Beispiel die Erzeugung von freien Radikalen, Beeinflussungen des Hormonsystems und der Nervenzellen oder schlechtere Durchblutung. Zudem kritisieren einige Umweltmediziner, dass die Grenzwerte zu hoch angesetzt sind.
Die Frage, ob und inwiefern Strahlung für Mensch, Tier und Umwelt schädlich ist, versuchen zahlreiche Studien zu beantworten – und kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Das Problem: Viele dieser Untersuchungen gelten als wissenschaftlich nicht fundiert, teils sogar unseriös und ideologisch gefärbt. Kein Wunder, dass die Ergebnisse der Untersuchungen weit auseinanderliegen und sich oft widersprechen. Für Pferde liegen unseren Recherchen nach überhaupt keine Studien vor.
Sind Menschen und Tiere elektrosensibel?
Auch wenn die Studienlage keine hieb- und stichfesten Belege liefert, bezeichnen sich viele Menschen als "elektrosensibel". Sie reagieren auf "Elektrosmog" mit Beschwerden wie Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Schlaf- und Herzproblemen. In verschiedenen Interessensgruppen kämpfen sie um die Anerkennung ihres Leidens als Krankheit und für die Vermeidung weiterer Strahlenquellen. Und auch so mancher Tierhalter ist sich sicher, dass Haustiere wie Hunde und Katzen durch Strahlung krank werden. Pferdehalter berichten davon, dass elektrische Anlagen wie Führmaschinen oder die Nähe zu Umspannwerken, Hochspannungsleitungen oder Mobilfunkmasten Ursachen für Symptome wie Headshaking, Wesensveränderungen, Widersetzlichkeiten, Verspannungen und Lahmheiten seien. Das Netz ist voll von individuellen Erfahrungsberichten. Das Entfernen der Strahlenquellen, das Umstellen der Tiere oder Geräte zur Abschirmung der Strahlung hätten Abhilfe geschaffen – für die Halter der Beweis, dass die Strahlung schädlich ist. Belastbare Studien zu solchen Fällen fehlen jedoch.
Stört Strahlung durch Mobilfunk die Zellen?
Verständnis und Hilfe finden Betroffene zum Beispiel bei "Diagnose-Funk – Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung e. V.". Der Verein vertritt den Standpunkt, dass Strahlung von Handys oder WLAN schädlich für Menschen und Tiere sei. "Ein Gutachten im Auftrag der Schweizer Bundesregierung zur wissenschaftlichen Studienlage kommt zum Schluss, dass Mobilfunkstrahlung Auslöser für oxidativen Zellstress ist", erklärt Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Diagnose Funk. "Das bedeutet, dass durch Mobilfunkstrahlung, genauer durch modulierte, gepulste und polarisierte elektromagnetische Strahlung in den Zellen vermehrt Sauerstoffradikale entstehen, die eine Vielzahl entzündlicher Erkrankungen auslösen können, bis hin zu Krebs und zu verminderter männlicher Fruchtbarkeit."
Auch Luftverschmutzung, Autoabgase, Schwermetalle, Pestizide, Ozon, Lösungsmittel, UV-Strahlung, Antibiotika, Hormonpräparate würden diesen oxidativen Zellstress auslösen. Der Körper könne sich bis zu einem gewissen Grad helfen, solange der oxidative Zellstress nicht überhand nehme. "Es ist wie ein Wasserfass, das irgendwann überläuft, wenn zu viele Auslöser zusammenkommen und der Abfluss nicht mehr gut funktioniert bzw. gestört ist", sagt Matthias von Herrmann. "Das gilt mit Sicherheit auch für Pferde."

Für eine gute Netzabdeckung sollen Sendemasten sorgen – auch für mehr Belastung? Vor allem der Ausbau der 5G-Mobilfunkttechnik ist seit Jahren umstritten, weil sie – so Kritiker – möglicherweise krebserregend sein könnte.
Bisher bekannte mögliche Schäden durch Mobilfunkstrahlung beim Menschen sind seiner Aussage nach laut den Berichten des Europaparlaments und des Deutschen Bundestags zur Technikfolgenabschätzung eine steigende Krebsgefahr etwa am Hörnerv und im Gehirn sowie verminderte männliche Fruchtbarkeit. Mobilfunkstrahlung werde auch als Auslöser der Alzheimerkrankheit diskutiert. Um sich und sein Pferd vor Strahlung zu schützen, empfiehlt von Herrmann, das Handy nur anzuschalten, wenn man es wirklich braucht, und auch keine kabellosen Geräte wie Kopfhörer zu benutzen.
Studien werden unterschiedlich gedeutet
Ganz anders interpretiert das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Bericht des Deutschen Bundestags: "Die neue Evidenzlage" stelle "keinen Beweis für ein erhöhtes Krebserkrankungsrisiko für Menschen bei einer Exposition unterhalb der Grenzwerte durch Mobiltelefonnutzung" dar. Am Bericht des Europaparlaments kritisiert das BfS, dass "anscheinend definierte wissenschaftliche Kriterien nicht ausreichend berücksichtigt worden sind".
Das BfS soll als wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde Menschen und Umwelt vor Risiken durch ionisierende und nicht-ionisierende Strahlung schützen. Zum Effekt der Erwärmung und der Mobilfunkgeneration 5G heißt es auf der BfS-Webseite: "Gesundheitliche Schäden sind nur bei deutlichen Erhöhungen der Gewebetemperatur, oder aber bei einer Ganzkörpertemperaturerhöhung von mehr als 1°C nachgewiesen. Davor schützen die Grenzwerte."
Am Rande widmet sich das BfS auch den Auswirkung von Strahlung auf Tiere: Im November 2019 gab es einen Workshop zum Thema "Umwelteffekte elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder auf Flora und Fauna". Ziel war es, das derzeit vorhandene Wissen über mögliche Wirkungen auf Tiere und Pflanzen zusammenzutragen.
Das Ergebnis: Bisher konnten keine schädlichen Wirkungen auf Tiere und Pflanzen nachgewiesen werden, die durch künstliche elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder ausgelöst werden. "Es liegen bisher weder experimentelle Befunde noch theoretische Modelle vor, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Felder, die von Stromleitungen und Mobilfunkanlagen ausgehen, eine schädliche Auswirkung auf Insekten, Vögel, Säugetiere und Pflanzen haben", so das BfS.
Zwar konnten Wirkungen von nieder- und hochfrequenten elektromagnetischen Wellen auf Pflanzen und Tiere beobachtet werden. Diese Effekte waren aber zu schwach, um eine dauerhafte Veränderung in der Physiologie, dem Metabolismus oder bei Tieren eine Verhaltensmodifikation auszulösen. Doch: Die vorgetragenen Ergebnisse waren zum Teil widersprüchlich. Daher lautete das Fazit der Konferenz: Derzeit liegen keine gesicherten wissenschaftlichen Belege für ernsthafte schädliche Wirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt vor, es gebe aber Einzelhinweise, denen mit weiterer Forschung nachgegangen werden sollte.
Der Begriff "Elektrosmog" ist irreführend
Keine Gefahr für Menschen und Pferde sieht Diplom-Physiker Prof. Dr. rer. medic. Michael Deppe, Neurowissenschaftler an der Universität Münster und selbst langjähriger Pferdehalter und Reiter. Er räumt zunächst mit dem Irrglauben vom "Elektrosmog" auf: "Es handelt sich dabei um einen völlig unwissenschaftlichen Begriff, der suggeriert, dass es sich bei der Strahlung um etwas handelt, das grundsätzlich gefährlich ist und krank macht – das ist nicht der Fall", sagt er. Schon seit Jahren beschäftigt sich Prof. Dr. Deppe unter anderem mit den Auswirkungen von elektromagnetischer Strahlung auf das menschliche Gehirn und hat zahlreiche Versuche dazu durchgeführt. So wurde z. B. ein Proband Handystrahlung ausgesetzt und sein Gehirn währenddessen im MRT untersucht. "Es war kein Einfluss auf die Gehirnaktivität und auch keine Veränderung von Gewebe durch die Strahlung nachweisbar. Dabei können wir im MRT selbst kleinste Aktivitäten des Gehirns, etwa die Reaktion auf ein Bild, das sich bewegt und dessen Bewegung die Probanden gar nicht bewusst wahrnehmen, sichtbar machen."
Natürlich mache auch die Dosis das Gift, betont der Wissenschaftler. Doch die Strahlung, der wir gemeinhin ausgesetzt werden, sei nicht stark genug, um uns zu schädigen. Intensive Strahlung könne zwar das Gewebe erwärmen, indem sie die Moleküle schneller schwingen lässt – "Prinzip Mikrowelle". Die alltägliche Strahlung wie von einem Mobiltelefon schaffe das jedoch nicht. "Nach derzeitigem Wissensstand reicht diese Energie nicht aus, um das Gewebe signifikant zu erwärmen – und auch nicht, um unsere Geninformationen zu verändern.
Daher ist es unwahrscheinlich, dass es aufgrund dessen zu Krebs oder anderen Erkrankungen kommt", sagt Prof. Dr. Deppe. In Tierversuchen wurden zum Beispiel Ratten Strahlung ausgesetzt – mit einer extremen Amplitude und über einen langen Zeitraum. "Selbst hier konnte eine Schädigung nicht nachgewiesen werden. Generell sind mir derzeit keine ernstzunehmenden wissenschaftlichen Studien bekannt, die nachweisen, dass Mobilfunkstrahlung im Rahmen der Grenzwerte den menschlichen Körper schädigen kann. Das gilt sehr wahrscheinlich auch für Pferde, da ihre Physiologie dem Menschen sehr ähnlich ist."

Das Mobiltelefon ist die stärkste Strahlenquelle in unserem Umfeld. Das gilt vor allem bei schlechtem Empfang. Dagegen ist die Strahlenbelastung durch Stromnetze oder elektrische Geräte vergleichsweise gering.
Selbst wenn die Strahlung also nicht schadet: Im Stall aufs Handy zu verzichten und sich voll und ganz aufs Pferd zu konzentrieren, lohnt sich auf jeden Fall.
Diese Strahlungen umgeben uns
Bei Strahlungen werden zwei Arten unterschieden: Es gibt eine natürliche Strahlung, wie etwa die des Magnetfeldes der Erde oder von radioaktiven Elementen wie Uran oder Radon, und eine "menschengemachte", zum Beispiel durch Strommasten und Mobilfunk. In der Höhe (etwa im Flugzeug) ist man aufgrund der sogenannten Höhenstrahlung einer höheren Belastung ausgesetzt als an der Erdoberfläche.
Strahlung unterscheidet sich je nach Quelle in ihrer Stärke, Wellenlänge und Frequenz, also der Schwingungsanzahl pro Sekunde. Je höher die Frequenz, desto energiereicher ist die elektrische Strahlung.
Niederfrequente Schwingungen (im Bereich 1 bis 105 Hertz) entstehen durch Hochspannungsleitungen, Elektroinstallationen oder elektrische Geräte. Hochfrequente elektromagnetische Felder in einem Frequenzbereich von 100 Megahertz bis ca. 5 Gigahertz verursacht die Nachrichtenübertragung durch Mobiltelefone, Radio, Fernsehen oder WLAN. Besonders diskutiert wird das Thema hochfrequente Strahlung im Hinblick auf die Mobilfunkfrequenz 5G, wo die Frequenz noch höher und die Wellenlänge relativ kurz ist.
Alle hier beschriebenen Arten von Strahlung sind nicht-ionisierend. Ab einer Frequenz von ca. einem Petahertz (eine Billiarde Hertz) handelt es sich um ionisierende Strahlung. Das heißt: Diese ist so energiereich, dass sie Atomverbindungen spalten kann (=ionisieren). Das hat enorme Auswirkungen auf das chemische Bindungsverhalten und kann dem Körper Schaden zuzufügen. Ein Beispiel dafür ist die Röntgenstrahlung.
Das Geschäft mit der Strahlungsangst
Spezialfarbe, Gebäudeisolation, Matten, Baldachine, spezielle Kleidung, Amulette und Armbänder oder sogar Geräte, die durch die "Aktivierung eines natürlichen Schutzschildes" Strahlung in Haus, Reithalle und Stall neutralisieren sollen: Das Angebot von Produkten zum Schutz von Mensch und Tier gegen "Elektrosmog" ist groß. So manche Berater und Unternehmen machen damit ein gutes Geschäft.
Dabei ist die Wirksamkeit dieser Produkte nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Prof. Dr. Michael Deppe ordnet dieses Angebot so ein: "Krank macht nicht die Strahlung, sondern die Angst vor der Strahlung. Die Auswirkungen von Angst auf den Organismus sind wissenschaftlich zweifelsfrei belegbar. Die Symptome, über die elektrosensible Menschen in der Regel klagen, lassen sich durch das starke Gefühl der Angst erklären."
Solche Strahlenschutz-Angebote seien vor allem auch deshalb kritisch zu betrachten, weil selbsternannte Experten, Verbraucherorganisationen und andere Interessensgruppen ohne jeglichen wissenschaftlichen Background die Angst vor "Elektrosmog" gezielt und militant schüren, um den Menschen dann derartige Produkte als Lösungen für ihre Probleme zu verkaufen. Und wer von krankmachender Strahlung, Elektrosensibilität und der Notwendigkeit solcher Lösungen überzeugt ist, lässt sich zumeist nicht umstimmen. "Leider ist meiner Erfahrung nach keinerlei sachliche Diskussion mit diesen Menschen möglich", sagt Prof. Dr. Deppe.