- Was verursacht die Krankheit?
- Wie macht sich Headshaking bemerkbar?
- Welche Folgen hat Headshaking für das Pferd?
- Wie stellt der Tierarzt die Diagnose?
- So behandeln Tierärzte die Krankheit
- Welche Pferde sind besonders gefährdet?
- Hilfsprojekt
- Die Expertin
Headshaking, englisch für Kopfschütteln, ist eine ernstzunehmende Krankheit. Das war nicht immer klar: Erst seit den 1970iger-Jahren wird die Nervenkrankheit tatsächlich als Erkrankung wahrgenommen, vorher galt sie als Unart. Tierärzte gehen davon aus, dass ein blitzartiger Schmerz das Tier durchzuckt, weshalb es ruckartig den Kopf hochreißt.
Das Verhalten tritt ohne äußerlich erkennbaren Reiz auf. Pferde schütteln den Kopf – plötzlich und unkontrolliert. Viele so heftig, dass sie unreitbar sind. Die meisten bewegen den Kopf hoch und runter. Andere von rechts nach links, manche kreisen ihren Kopf. Wie das Pferd seinen Kopf schüttelt und welche Ursachen dies hat, ist individuell.
Was verursacht die Krankheit?
Headshaking kann über 60 Ursachen haben. Je nachdem, was das Kopfschütteln auslöst, unterscheiden Experten die symptomatische oder idiopathische Form. In seltenen Fällen gibt es zudem stereotypes Headshaking, eine Verhaltensstörung, die psychische Ursachen hat.
Rund 10% aller betroffenen Pferde leiden unter der symptomatischen Form, ausgelöst durch diverse Erkrankungen oder körperliche Beschwerden. Diese können die Haut, Ohren und Augen, den Atmungs-, Verdauungs- oder Bewegungsapparat sowie das Nervensystem betreffen. Einige hängen direkt mit dem Trigeminus-Nerv zusammen. Der Trigeminus ist der stärkste sensible Gesichtsnerv. Er leitet Reize aus dem fast gesamten Kopfbereich zum Gehirn. Krankheiten könnten Zysten, Tumoren oder Entzündungen der Nasennebenhöhlen sowie hochgradige Erkrankungen und aufsteigende Infektionen der Zähne sein. Andere Grunderkrankungen können ebenfalls ein Kopfschlagen auslösen, sind aber nicht mit dem Trigeminus-Nerv assoziiert wie Erkrankungen der Sehnen, Bänder und Gelenke oder auch des Rückens.
Die weitaus häufigere Form des Headshakings ist die idiopathische Form, an der 90% aller betroffenen Pferde leiden. Tierärzte gehen davon aus, dass eine primäre Erkrankung des Trigeminus-Nervs (Neuropathie) das Kopfschütteln auslöst. Der Auslöser kann in diesen Fällen jedoch nicht ermittelt werden (im Gegensatz zur symptomatischen Form). Diese Form des Kopfschüttelns wird als idiopathisches Trigeminus-mediiertes Headshaking bezeichnet. Trigger, die normalerweise noch keine Reizung auslösen würden, führen bereits zum Reiz. Der Nerv ist überempfindlich, schon leichter Kontakt mit dem Gesicht kann Schmerzen und ein Jucken in der Nase auslösen. Staub, Wind, Regen oder Licht können den Nerv reizen. Sogar Stress kann ein Auslöser sein.
Laut der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) sind rund 60% aller Headshaker saisonale Kopfschüttler. Die meisten zeigen von Frühjahr bis Herbst Symptome. Es wird vermutet, dass unter anderem das vermehrte Aufkommen von Insekten und Pollen Auslöser fürs temporär verstärkte Headshaken sein können. Berühren sie den Kopf des Pferdes, kommt es zu einer Reizung, die das Kopfschütteln auslöst. Laut US-Forschern können zudem Sexualhormone eine Rolle spielen.
Ein Zusammenhang zwischen Herpesviren und/oder Impfung zum Headshaking wird immer wieder diskutiert, konnte bislang aber nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden.
Wie macht sich Headshaking bemerkbar?
Betroffene Pferde zeigen vor allem unter Belastung (etwa beim Reiten oder Longieren) Symptome. Besonders im Trab verstärken sie sich: 90% zeigen ein starkes Kopfschlagen.
Begleiterscheinungen sind vielfach häufiges Schnauben oder Niesen. Auch das Reiben der Nase an Beinen, Gegenständen oder Boden ist typisch. Zudem kann das Hochziehen der Oberlippe wie beim Flehmen, das Spielen mit der Zunge oder das Schlagen mit den Vorderbeinen in Richtung der Nase auf Headshaking hindeuten.
Besonders tückisch: In der Regel entwickeln sich die Symptome über einen längeren Zeitraum, treten nicht ad hoc regelmäßig auf. Besitzer berichten häufig, dass Pferde "immer mal wieder" Symptome gezeigt hätten. Möglich ist auch das Gegenteil: Die Krankheit scheint besonders im Frühjahr plötzlich aufzutreten. Wenden Sie sich bei Verdacht an einen Tierarzt.
Welche Folgen hat Headshaking für das Pferd?
Das Kopfschütteln drückt den Schmerz aus, den betroffene Pferde verspüren. Bei einer Erkrankung des Trigeminus-Nervs sind es vor allem enorme neuropathische Schmerzen.
Da sich Headshaking mit der Zeit entwickelt, werden fünf Schweregrade unterschieden: Während die ersten beiden Grade geringe Einschränkungen durch das Kopfschütteln beschreiben, ist das Headshaking ab dem dritten Grad so stark, dass das Reiten deutlich erschwert ist. Beim vierten Schweregrad gilt das Pferd als unreitbar, beim fünften als gefährlich.
Ob und inwieweit ein erkranktes Pferd reitbar ist, erkennen Pferdebesitzer oft selbst.
"Die Diagnose Headshaking bedeutet nicht, dass das Pferd nie mehr geritten werden kann. Die reiterliche Nutzung und Haltung muss entsprechend der Symptome und damit einhergehenden Schmerzen des Pferdes individuell angepasst werden", betont Tanja Kloock. Die Expertin rät Besitzern, auf die Erkrankung einzugehen: Leidet das Pferd etwa unter Lichtempfindlichkeit, sollte es nur noch in der Dämmerung oder Hallen geritten werden. Ist das Pferd z.B. durch Turniersport und intensives Training gestresst, sollten Turniere gemieden und Trainingseinheiten gekürzt werden.
Wie stellt der Tierarzt die Diagnose?
Ziel jeder Untersuchung ist es, die zugrundeliegende Krankheit für das Kopfschütteln zu finden – oder, wenn sich keine Ursache finden lässt, die symptomatische Form des Headshakings auszuschließen.
Untersuchungen beginnen mit der Anamnese: Je mehr Pferdebesitzer berichten können, umso besser. Hilfreich ist ein Tagebuch: Wann tritt das Headshaking auf? Ist es wetter- oder jahres-zeitenabhängig? Wie schüttelt das Pferd den Kopf? Bestenfalls wird das Headshaking mit Videoaufnahmen dokumentiert.
Im Anschluss folgt eine umfassende klinische Untersuchung, insbesondere des Kopfs nebst Augen, Ohren und Maulhöhle, aber auch der oberen Atemwege sowie von Hals und Rücken. Da auch unpassende Ausrüstung oder Stress zu einem Schlagen des Kopfes als Abwehrreaktion führen können, nimmt der Veterinär das Pferd beim Longieren und Reiten unter die Lupe. Sowohl Reiter wie Ausrüstung werden variiert, um diese als Auslöser ausschließen zu können.
Bildgebende Verfahren wie Endoskopien, Röntgen, CT oder MRT kommen zum Einsatz. Die Diagnostik umfasst zudem Blutuntersuchungen, um beispielsweise erhöhte Entzündungsparameter als Hinweis auf eine Grunderkrankung auszuschließen.
Erst wenn im Rahmen dieser Untersuchungen keine mögliche Ursache für das Headshaking gefunden werden kann, gehen Experten von einer idiopathischen Form des Headshakings aus.
So behandeln Tierärzte die Krankheit
Beim symptomatischen Headshaking behandeln Tierärzte die auslösende Krankheit, sofern diese diagnostiziert werden kann. Manchmal ist das leichter als gedacht: So wurden in einer Therapieserie der TiHo mit Zahnpatienten fünf Pferde mit kranken Backenzähnen spätestens ein halbes Jahr nach dem Entfernen des Zahns beschwerdefrei.
Für die meisten Pferde, die unter idiopathischem Headshaking leiden, gilt: Da die unbekannte Ursache nicht behandelt werden kann, zielt die Therapie darauf ab, Nervenschmerzen zu lindern und Symptome zu minimieren.
Nasennetze und Gesichtsmasken gehören zu den wirksamsten Behandlungen ohne Medikamente, helfen aber nur bei niedrigen Schweregraden. Lichtempfindliche Headshaker sollten möglichst nur nachts auf die Koppel. Die beste Trainingszeit ist zur Dämmerung. Auch Augenmasken aus Spezialgewebe oder UV-Schutzbrillen sind für die betroffenen Pferde eine Option.
Führen diese Behandlungen zu keiner entscheidenden Verbesserung, haben Tierärzte verschiedene andere Behandlungsmöglichkeiten.
"Die PENS-Therapie ist aktuell die absolute Therapie der Wahl", so Kloock. Bei der Perkutanen Elektrischen NervenStimulation wird unter sonographischer Kontrolle und Sedierung des Pferdes der Trigeminus-Nerv stimuliert. Mittels zwei Elektroden wird der Nerv mit unterschiedlicher Frequenz und geringer Voltzahl für etwa 25 Minuten angeregt. Das kann die krankhaft herabgesetzte Reizschwelle wieder erhöhen, wodurch schmerzauslösende Reize wieder stärker ausfallen müssten, um zum Gehirn weitergeleitet zu werden. Die Behandlung gilt als erfolgsversprechend und nebenwirkungsarm, muss aber stetig wiederholt werden, da die Beeinträchtigung der Reizübermittlung nur für einen gewissen Zeitraum anhält. Wie lange, ist unterschiedlich. Das zeigen aktuelle Behandlungsergebnisse der TiHo: Demnach variiert der Zeitraum, indem die Symptome gelindert werden konnten, je nach Pferd stark. Insgesamt milderte die Behandlung bei knapp 50% der behandelten Tiere die Symptome, nur selten verschwanden sie ganz. Bislang bieten nur wenige Kliniken neben der TiHo Hannover die PENS-Therapie an.
Bleibt eine PENS-Therapie erfolglos, geben Tierärzte Medikamente zur Schmerzlinderung. Die Erfolgsaussichten einzelner Mittel variieren allerdings je nach Studie stark. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen eine (mehr oder weniger umfangreiche) Symptomlinderung bei Gabe von Cyproheptadin, Carbamazepin sowie Gabapentin. Alle drei Medikamente können einzeln oder in Kombination verabreicht werden. Medikamente werden jedoch weitestgehend vermieden, da sie erhebliche Nachteile besitzen: Pferde werden müde und apathisch, auch kolikanfälliger. Die Kosten sind immens, da eine medikamentöse Therapie immer eine Dauerbehandlung ist. Einige Medikamente sind zudem dopingrelevant.
Manchmal lassen sich auch Erfolge mit Glukokortikoiden (oral oder intramuskulär) erzielen, während nicht-steroidale Entzündungshemmer als ineffektiv gelten.
Chirurgische Therapien (etwa Neurektomien oder Implantationen von Coils) seien nicht angezeigt, da es zu fatalen Komplikationen wie einer Symptomverstärkung oder Selbstverletzung (Automutilation) kommen kann.
Bislang gibt es keine wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit von alternativen Behandlungsmethoden wie Globuli oder Akupunktur.
Welche Pferde sind besonders gefährdet?
"Jedes Pferd kann an Headshaking erkranken", betont Tanja Kloock. Laut Fachliteratur beginnt die Erkrankung oft im Alter von sechs bis zehn Jahren. Eine aktuelle Studie der Kieler Forscherinnen Laura Maxi Stange und Dr. Irena Czycholl zeigt, dass das Durchschnittsalter erkrankter Pferde in Deutschland bei 12,7 Jahren liegt. Die Studie erfasste allerdings nicht, wann die ersten Symptome auftraten. Laut Kieler Studie waren Wallache häufiger betroffen als Stuten und Hengste. Ihre Ergebnisse stellten die Forscherinnen im Rahmen eines Webinars der Stiftung Pro Pferd (stiftungpropferd.ch) und der Universität Zürich vor.
Hilfsprojekt
Besitzer von Headshakern haben die Möglichkeit, ihr Pferd von Spezialisten der Tierärztlichen Hochschule Hannover untersuchen zu lassen. Diese führt seit 15 Jahren ein wissenschaftliches Projekt zum Headshaking durch. Im Rahmen der Untersuchung wird das Pferd für zwei Wochen klinisch aufgenommen und täglich untersucht. Bestenfalls lässt sich so der Auslöser des Kopfschüttelns finden und zugleich der Wissenstand zur Krankheit erweitern. Sofern ein idiopathisches, trigeminus-mediiertes Headshaking festgestellt wird, ist eine PENS-Therapie inbegriffen.
Den Großteil der Kosten trägt die Hochschule, Besitzer haben einen Selbstkostenbetrag von 2.500 Euro.
Nähere Informationen unter: tiho-hannover.de
Die Expertin
Tanja Kloock arbeitet als Tierärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Pferde der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich seit mehreren Jahren intensiv mit der Krankheit des Trigeminus-mediierten Headshakings.