So ein Szenario hätte vor kurzem noch niemand für möglich gehalten: Abgesagter Reitunterricht, Zutrittsverbote für Nicht-Pferdebesitzer von gecancelten Turnieren ganz zu schweigen – und viele Pferdehalter treibt inzwischen die Frage um: Kann ich irgendwann gar nicht mehr zu meinem Pferd? Kann ein Stallbetreiber sein Gehöft für seine Einsteller schließen?
Auch die Juristen tappen da aktuell im Dunkeln. Gesetze, auf die man zurückgreifen kann, fehlen.
So spricht die Limburger Rechtsanwältin Lisa Adler-Malm denn auch von "ganz neuen rechtlichen Fragen", die da auf die Branche zukommen. Auch sie orientiert sich an den Empfehlungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). "In der Theorie ist es natürlich denkbar, dass ein Stallbetreiber seine Anlage dicht machen kann, wenn das Pferdewohlbefinden, also die artgerechte Haltung sowie ausreichend Bewegung, gewährleistet ist", sagt sie. In der Praxis sei derlei jedoch kaum machbar, zumal, wenn es gilt, eine größere Anzahl von Pferden entsprechend zu versorgen. Aus diesem Grund müssten die für die Versorgung und Bewegung der Pferde notwendigen Personen, sofern sie nicht unter Quarantäne stehen und symptomfrei sind, Zugang zum Stallbetrieb haben.
Tierärzte und Hufschmiede müssen Zutritt haben
Auch Tierärzte und Hufschmiede müssten jederzeit Zugang haben, so Adler-Malm. "Der Stallbetreiber kann selbstverständlich versuchen, deren Besuch zu koordinieren, damit nicht alle gleichzeitig auf dem Hof unterwegs sind." Auch das, weiß die erfahrene Juristin und zweifache Pferdebesitzerin, ist vor allem eine theoretische Möglichkeit.
Was ein Reitanlagenbetreiber machen kann: seinen Einstellern eine Genehmigung bzw. Bescheinigung ausstellen, dass sie zur Versorgung und Betreuung ihres Pferdes den Hof betreten dürfen. Eine entsprechende Musterbescheinigung in Sachen Zugangsberechtigung hat jüngst die FN zum Herunterladen veröffentlicht unter www.pferd-aktuell.de/coronavirus
Pferdebesitzer sollten einen Notfall-Plan haben
Auch Birgit Blank, Pferderechtsexpertin und Fachanwältin für Medizinrecht aus München, weiß: "Grundsätzlich befinden wir uns derzeit in einer Situation, die es so noch nie gegeben hat und insofern die rechtsverbindliche Auskunft nur mit Vorsicht erteilt werden kann."
Trotzdem sollten sich Pferdehalter rechtzeitig Gedanken machen. "Wer sich mit dem Virus infiziert hat, der unterliegt zum Schutz der Bevölkerung der häuslichen Quarantäne. In diesem Fall darf man tatsächlich das Haus nicht mehr verlassen. Weder zum Einkaufen noch zum Gassi gehen mit dem Hund oder Versorgen eines Pferdes. Wer Pferde hält, sollte also eine Art Backup-Plan haben, so wie sonst auch im Falle einer Erkrankung", so Blank.
Bei einer Ausgangssperre hänge es davon ab, in welcher Form diese ausgesprochen werde." Hierdurch können sich Auswirkungen auf die Pferdehaltung ergeben, die Rechte aus Eigentum oder Boxenmiete zurücktreten lassen", gibt Blank zu bedenken.
"Bislang ist es so, dass die notwendige Versorgung eines Tieres zu den Ausnahmen der Ausgangssperre zählt", so Blank. "Die FN aktualisiert die Informationen hierzu ständig. Wobei das auch nur Vorgaben, Anregungen oder Hilfsmittel sind, wie man mit der Krise als Stallbetreiber oder Pferdebesitzer verantwortlich umzugehen hat", sagt die Rechtsanwältin.
Ist der Stall geschlossen, muss der Betrieb für Bewegung sorgen
Und: "Sollte es aus betrieblichen Gründen, wie etwa beim Auftreten der Erkrankung am Betrieb selbst oder aber aus staatlichen Gründen zu einer Schließung eines Pensionsstalles für die Öffentlichkeit und einzelne Besitzer kommen, so ist der Stallbetreiber aus Tierschutzgründen verpflichtet, für artgerechte Haltung, notwendige tiermedizinische Versorgung und Bewegung aller Pferde zu sorgen." Sei dies nicht auf der Koppel möglich, dann müssten die Pferde zum Beispiel abwechselnd in der Halle laufengelassen oder geführt werden. "Hat man Pferde am Hof, die eine besondere medizinische Betreuung benötigen, so ist auch dafür zu sorgen. Dies alles aber nur in einem vertretbaren und medizinisch notwendigen Rahmen und möglicherweise nicht in dem Ausmaß, wie es sich der einzelne Pferdebesitzer in guten Zeiten wünschen würde", erklärt Birgit Blank.
Sinn und Zweck einer Ausgangssperre ist, die Verbreitung des Virus durch zu viele soziale Kontakte einzudämmen. Derzeit besteht bis auf in wenigen Gemeinden keine Ausgangssperre. "Vor diesem Hintergrund", so Blank, "erachte ich es als falsch, einen Betrieb nur wenige Stunden am Tag zu öffnen, wie es derzeit einige Anlagen im Münchner Umland machen. Es kann nicht sein, dass 100 Einsteller nur zwei bis drei Stunden pro Tag zur Verfügung haben, den Stall zu betreten. Dann habe ich genau das, was der Gesetzgeber verhindern will - nämlich eine Ansammlung von Personen auf möglicherweise zu engem Raum. Besser wäre es, die Besuchszeiten auf den ganzen Tag zu verteilen und an die Vernunft des Einzelnen zu appellieren, die derzeit geltenden Hygienemaßnahmen einzuhalten, unbedingt den Kontakt zum Stallpersonal zu meiden und sich nicht länger als zur Versorgung des Pferdes nötig im Stall aufzuhalten."
Weitere Fragen von CAVALLO-Lesern:
"Bei uns am Stall wurde zum 17.3. der komplette Zugang zum Pferd verwehrt, da sich die Stallleitung nicht dem Risiko einer potentiellen Infektion aussetzen möchten. Nach Anfrage bei den Ämtern ist es nicht rechtlich zu begründen. Es handelt sich auch um die einzige Anlage im gesamten Umkreis, alle anderen Ställe blieben geöffnet. Da die einzige Bewegungsmöglichkeit eine Führanlage (5€ für 1h Schritt) ist, habe ich mein Pferd mit sofortiger Wirkung umgestellt und fristlos gekündigt. Nun wurde meine Kündigung nicht anerkannt. Daher meine Frage: Habe ich in diesem Fall die Möglichkeit einer Sonderkündigung oder soll ich hier dann die Boxenmiete einfach zahlen? Vielen Dank im Voraus."
Birgit Blank: Grundsätzlich kann der Stallbetreiber bestimmen, wer zu seinem Betrieb Zugang hat. Es wurde wegen der Corona-Pandemie die Schließung aller Sportstätten angeordnet. Für Pferdebetriebe gelten Ausnahmebestimmungen. Wenn der Betrieb der Auffassung ist, er kann der Anordnung nur durch Schließung des Stalles Folge leisten, so muss er zumindest die artgerechte Pferdehaltung gewährleisten.
Wenn man das als Pferdebesitzer nicht hinnehmen möchte, sein Pferd nicht mehr selbst versorgen zu können, so steht es einem frei, den Einstellvertrag zu kündigen und den Stall zu wechseln. Ist die artgerechte Haltung des Pferdes durch den Betrieb gefährdet, so kann man auch über eine außerordentliche Kündigung nachdenken. Diese setzt jedoch voraus, dass man den Stallbetreiber unter Fristsetzung auffordert, die vertragswidrigen Umstände zu beseitigen oder zu unterlassen. Nach Ablauf der Frist (die je nach Umstand auch knappgehalten werden kann) besteht die Möglichkeit der außerordentlichen, fristlosen Kündigung und lässt unter Umständen die Zahlungspflicht bis zum regulären Vertragsende erlöschen.
Vertragswidrige Umstände müssen sofort angezeigt werden. Wer wochenlang zusieht, dass schimmeliges Heu verfüttert wird oder die Pferde nur eine Stunde Schritt bewegt werden, kann keine außerordentliche Kündigung vorschieben, wenn man schließlich einen neuen Stall gefunden hat und gerne sofort und ohne doppelte Kosten gehen möchte.
Ein Streit wegen Boxenpacht für einen Monat ist in der Regel nicht die Mühe und den Ärger wert. Hier ist es für beide Seiten sinnvoll, Abstriche zu machen und Reisende ziehen zu lassen. Möglicher Kompromiss wäre, den offenen Monat als "Leerbox" abzurechnen und ersparte Aufwendungen für Futter abzuziehen.
"Wenn der Stall Betreiber bei einer landesweiten Ausgangsperre (aber ohne Einschränkungen für Pferdebesitzer) dennoch der Meinung ist, er will keine Einsteller in dieser Zeit auf seiner Anlage haben. Ist das zulässig?"
Birgit Blank: Wenn es keine staatlichen oder betrieblich notwendigen nachvollziehbaren Gründe gibt, den Stall zu sperren, so habe ich natürlich im Rahmen des jeweils bestehenden Vertrags die Möglichkeit und auch das Recht, die Reitanlage zu nutzen. Nur weil der Stallbetreiber keine Leute am Hof haben möchte, kann er seinen Vertragspartnern nicht den Zugang verwehren.
Lisa Adler-Malm: Bei der Ausgangssperre ist es, wie bereits in obigem Artikel geschrieben: Die der Versorgung der Pferde und sonstigen Lebewesen muss weiterhin gewährleistet werden. Da der Stallbetreiber dies in der Praxis nicht ohne Hilfe der Besitzer stemmen kann, ist er auf die Mithilfe angewiesen. Das Tierschutzgesetz, wonach das Tier angemessen zu ernähren, zu bewegen, unterzubringen und zu pflegen ist, wird durch eine Ausgangssperre nicht außer Kraft gesetzt. Wenn dies durch den Stallbetreiber nicht möglich ist, muss dem Pferdehalter bzw. der beauftragten Person Zutritt gewährt werden.
"Wenn im Falle einer Stall-Schließung nur noch der Betreiber die Anlage betreten darf: Wenn ich durch einen Arzt und einen entsprechenden Labortest nachweisen kann, dass ich weder infiziert noch Überträger bin, dürfte ich dann wieder den Stall normal betreten und mich Individuell und tierschutzgerecht um mein Pferd kümmern?"
Birgit Blank: Auch hier kommt es darauf an, warum der Betrieb geschlossen wird. Der Nachweis eines Negativ-Tests hilft meiner Meinung nicht weiter, solange sich die Lage insgesamt nicht wieder beruhigt hat. Selbst wenn ich negativ getestet wurde, habe ich damit ja keinen Freibrief. Solange ich mich in der Öffentlichkeit bewege oder soziale Kontakte habe, ist Ansteckung weiterhin möglich.
Lisa Adler-Malm: Fakt ist, dass Personen, die unter Quarantäne stehen, einschlägige Symptome haben oder mit dem Virus infiziert sind, der Zutritt zum Stallgelände verboten werden kann und auch sollte. Solange diese Fälle nicht eingetreten sind, gilt das oben Gesagte. Auch wenn man aktuell nicht infiziert ist, sollte man den Stall nicht "normal" betreten, sondern auf die Hygienevorschriften achten und sich daranhalten. Eine Ansteckung ist auch weiterhin möglich.
Kontakt:
Lisa Adler-Malm
www.adlerrecht.de
Birgit Blank
www.ra-blank.de
Weitere Leserfragen
"Ich komme aus Bayern und mein Pferd ist momentan in Ausbildung in Mecklenburg-Vorpommern. Habe ich als Besitzer jeder Zeit das Recht mein Pferd zurück zu holen und was gilt, wenn eine Ausgangssperre in Kraft tritt?"
Birgit Blank: Aktuell ist es nicht verboten, Pferde zu transportieren. Anders kann es aussehen, wenn eine Ausgangssperre angeordnet wird: Dann wird Transport nur eingeschränkt möglich sein, also zum Tierarzt, zum Zwecke der Bewegung etc. Wenn nicht sichergestellt ist, dass das Pferd in dem Ausbildungsbetrieb ausreichend und den Tierschutzvorgaben entsprechend versorgt wird, wird man einen Transport wohl begründen können. Wobei auch hier täglich neue Regelungen aufgestellt werden und somit für die kommende Zeit keine gesicherte Antwort gegeben werden kann.
Lisa Adler-Malm: Unter normalen Umständen wäre es natürlich möglich, das Pferd in den eigenen Stall zurück zu holen. Aktuell dürfte es auch noch möglich sein, das Pferd zu holen – solange eine Ausgangssperre noch nicht verhängt wurde. In einem solchen Fall halte ich dies allerdings für schwierig, wenn keine triftigen Gründe dafür vorliegen. In der Regel wird das Pferd im Ausbildungsstall tierschutzkonform gehalten, bewegt und gefüttert, so dass der Tierhalter aktuell nicht zu den für die Verpflegung und Versorgung unbedingt notwendigen Personen zählen dürfte. Anders sieht dies aus, wenn die artgerechte Haltung durch den Ausbildungsstall nicht gewährleistet werden kann. Es kommt allerdings auch darauf an, wie eine mögliche Ausgangssperre definiert wird. Erst dann können klarere Aussagen getroffen werden.
"Ich wohne in der Schweiz und habe mein Pferd zwei Kilometer von meinem Wohnort im Elsass Frankreich in Pension. Darf ich nun rüber, um es zu bewegen oder muss ich es wochenlang stehen lassen?"
Birgit Blank: Deutsche, die hier aus Risikogebieten, wie z.B. aus der Schweiz einreisen, müssen sich derzeit freiwillig für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben, d.h. man sollte zum Schutz der anderen während dieses Zeitraumes ohnehin nicht in den Stall fahren, um das Pferd zu versorgen. Ob diese Regelung EU-weit und somit auch für das Elsass gilt, kann ich nicht rechtssicher beantworten. Ebenso kann nur vermutet werden, dass auch in Frankreich Regelungen zum Tierschutz und artgerechter Versorgung der Pferde bestehen. Demnach wäre also der Stallbetreiber verpflichtet, sich um das Pferd zu kümmern. Der Transport von Pferden zählt aktuell zum Waren- und Gütertransport, welcher noch nicht eingeschränkt ist. Es wäre also möglich, das Pferd in die Schweiz zu verbringen. Wenn dies aus Kosten- oder einfuhrrechtlichen Gründen nicht möglich oder gewünscht ist, muss man sich Wohl oder Übel damit abfinden, einen Stallkollegen um Hilfe zu bitten oder aber hoffen, dass der Stallbetreiber sich seiner Pflichten bewusst ist.
Lisa Adler-Malm: Dies ist mit deutschen Recht schwierig zu beantworten. Hier kommt es darauf an, ob und aus welchen Gründen die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich noch passiert werden kann. In einem solchen Fall ist es sicher ratsam, einen Back-Up-Plan, wie die Kollegin Blank es schon angesprochen hat, zu haben, so dass die Bewegung und Verpflegung durch Personen, die Zutritt zum Stallgelände haben, gewährleistet werden können.
"Wir sind drei Pferdedamen mit fünf Pferden... Eines davon lebt noch in einer Tierschutzorganisation in Neuburg und müsste abgeholt werden. Wir drei stehen mit unseren vier Pferden in zwei Ställen. Angefangen mit meinem Stall: Mir wurden bei meinem Einzug Anfang Januar andere Dinge versprochen, die so nun nicht eingehalten wurden. Mein hitziger sechs Jahre alter Wallach steht nun 20 Stunden in der Box und kann sich dort im Kreis drehen. Leider kommt er täglich maximal zwei Stunden auf den Reitplatz als "Auslauf" und eben die Zeit ca eine Stunde, die ich da bin und mit ihm arbeite. Fakt ist, ich habe zum 30.3.2020 gekündigt und auch schon einen neuen Stallplatz.
Die anderen beiden werden zum 1. April rausgeschmissen. Deren drei Pferde kommen leider gar nicht mehr raus und haben eine viel zu kleine Box. Das Ganze war mal besser. Doch seit sie rausgeworfen wurden, ist der Stallbetreiberin alles egal... Die drei Pferde kommen gerade noch raus aus den Boxen, wenn die Besitzer da sind und sie bewegen, ansonsten stehen sie sich platt in der Box... Ein Wallach ist bereits 26... Er stirbt uns gerade tatsächlich weg. Hatte bereits vor einiger Zeit eine Belastungsrehe... Vor einigen Wochen kam eine Kolik dazu. Im Prinzip geht es all unseren Pferden nicht mehr gut... Wenn wir jetzt dran denken, dass uns eventuell in Bayern die Ausgangssperre drohen könnte, bekommen wir Angst am 28.3.2020 nicht mehr umziehen zu dürfen... Wie sieht es mit Stallwechsel aus? Darf in einem solchen dringenden Fall der Stall gewechselt werden? Unser Tierschutzpferd, wollten wir an diesem Tag abholen (1 h Fahrt). Der neue Stall ist von unserem alten Stall ca. 15 Minuten entfernt. Greift da das Tierschutzgesetz? Immerhin ist das zumindest am Stall nebenan keine artgerechte Haltung mehr. Bitte um schnelle Antwort!"
Birgit Blank: Wenn am derzeitigen Hof eine tierschutzgerechte Versorgung der Pferde nicht gewährleistet ist, sollte ein Transport auch im Falle der Ausgangssperre möglich sein. Im Zweifel wird hier das zuständige Veterinäramt Auskunft erteilen. Die Ausgangssperre bezieht sich im Übrigen vorwiegend auf den Personenverkehr und soll zu viele soziale Kontakte auf einmal vermeiden.
Lisa Adler-Malm: Selbstverständlich kann ein Stallwechsel grundsätzlich jederzeit und somit auch vor Ablauf der Vertragszeit erfolgen, sofern der neue Stall entsprechende Kapazitäten hat. Die Verpflichtung zur Zahlung der Stallmiete besteht grundsätzlich weiterhin, allerdings kann die Höhe bei Schlechtleistung gegebenenfalls gemindert werden. Auch hier kommt es für die Frage, ob im Falle einer Ausgangssperre die Pferde in den neuen Stall verbracht werden dürfen, darauf an, wie die Ausgangssperre definiert wird. Sollten die Bedingungen in dem aktuellen Stall tatsächlich tierwohlgefährdend sein, wäre ein vorzeitiger Umzug – auch unabhängig von einer drohenden Ausgangssperre – ratsam.
"In unserem Stall wird momentan diskutiert, ob man sich ein paar Sprünge in die Halle stellen darf, da das Tier ja nur notwendig bewegt werden soll. Ich bin aber Springreiter und habe nun die Frage, ob das dazu zählt oder ob der Stall geschlossen werden kann, wenn eine Kontrolle kommt und ich springe?"
Birgit Blank: Pferde dürfen bewegt werden. Es spricht meiner Einschätzung nach also nichts dagegen, die Bewegung oder das Training sinnvoll zu gestalten, wenn es der Betrieb nach Ausstattung und Größe anbietet. Die derzeitigen Beschränkungen zum Schutz vor einer Ansteckung, also Mindestabstand zwischen einzelnen Personen, Anzahl der gleichzeitig anwesenden Personen etc. sind zu beachten.
Lisa Adler-Malm: Sofern beim Reiten in der Halle die nötigen Sicherheitsabstände eingehalten werden, kann meines Erachtens die Arbeit an der Stange nicht verboten werden.
"Die Länder haben die Grenzen dicht gemacht. Was mache ich zusätzlich zu den angegebenen Maßnahmen, um sozusagen bei einer Grenzkontrolle von einem Bundesland zum anderen keine Probleme zu bekommen. Vorhanden sind: Personalausweis, Kopie vom Pferdepass, handgeschriebener Zettel vom Stallbetreiber, dass mein Pferd dort untergebracht ist, Eigenerklärung, Eigenerklärung von weiteren Pferdebesitzern, dass ich für die Versorgung zu ständig bin.
Bisher scheint das einigen Polizisten zu reichen. Andere drohen mit Bußgeld, bei Wiederholung. So, die Informationen unter Stallkollegen. Gibt es hierzu eine offizielle Regelung? In meinem Fall betrifft es Schleswig-Holstein als Wohnort und Mecklenburg-Vorpommern als Land des Pensionsstalls."
Birgit Blank: Es gibt meines Wissens aktuell keine Grenzkontrollen von Bundesland zu Bundesland innerhalb Deutschlands. Wer in Schleswig-Holstein wohnt und das Pferd in Mecklenburg stehen hat, darf sich zum Zwecke der Bewegung des Pferdes auch dorthin begeben.
Lisa Adler-Malm: Die Grenzen der Bundesländer sind bisher nicht geschlossen worden. Auch gilt nicht in jedem Bundesland eine Ausgangssperre. Die Fahrt von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern dürfte somit nicht untersagt werden.
"Ich habe mein 25-jähriges Islandpferd in einem Offenstall in meiner Nähe stehen. Da ich jetzt nach einer Woche Urlaub auf Madeira am Donnerstag mit der (vorher desinfizierten) Condor-Maschine zurückgekommen bin, möchte ich mich gern wieder selbst um das Pferd kümmern. Ich muss dazu sagen, dass ich weder irgendwelche Symptome habe noch Kontakt zu infizierten Patienten (Madeira war bis letzte Woche coronafrei)."
Birgit Blank: Wer aus einem Risikogebiet zurück nach Deutschland eingereist ist, sollte sich zum Schutz der Allgemeinheit für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben.
Lisa Adler-Malm: Auch wenn es in Madeira zunächst nicht zu offiziellen Corona-Infektionen gekommen ist, sollte man sich für 2 Wochen in die häusliche Quarantäne begeben um seine Mitmenschen zu schützen. Hier sollte für eine adäquate Vertretung zum Wohle des Pferdes gesorgt werden.
"Meine Stute ist Chroniker mit EMS, Hufrehe (nicht akut), EOTRH und Heustaubhusten. Sie wurde während meiner Abwesenheit mit Zusatzfutter versorgt, aber nicht mit Bewegung. Um einer Verschlimmerung des Hustens vorzubeugen, möchte ich gern morgens, wenn noch niemand am Stall ist, das Pferd kurz holen und im Gelände bewegen sowie danach wieder zurückstellen. Sämtliche Pflegetätigkeiten würde ich auf der ruhigen Straße erledigen, um im Stall nicht zu viel anzufassen. Die Stallbetreiberin untersagt mir jedoch den Zugang völlig, sogar das Futter bringen will sie nicht zulassen. Ist das so rechtlich überhaupt haltbar?"
Birgit Blank: Eine Woche "Boxenhaft" war schon vor Corona nicht in Ordnung. Bei strikter Einhaltung der Hygienevorschriften und Umgang wie beschrieben, sollte Zugang zum Pferd möglich sein. Wenn die Stallbetreiber keinen Zugang ermöglichen, ist darauf hinzuweisen, dass diese für die artgerechte Bewegung, Gabe von Medikamenten etc. Sorge zu trage haben.
"Aufgrund der neuen Beschlüsse sagt nun ein Polizist, der ein Pferd am selben kleinen Pensionsstall wie wir stehen hat, dass, wenn ich mit meiner 14-jährigen Tochter am Stall bin (sie muss das Pferd bewegen, ich kann das leider nicht), niemand anderes da sein dürfte, weil derjenige dann ja auf zwei haushaltsfremde Personen treffen würde und das steht ja nun unter Strafe. Hat er recht? Auch, wenn wir uns an den Mindestabstand und auch sehr strikt an die bisherigen Empfehlungen der FN halten?"
Birgit Blank: Die Zwei-Personen-Regel will Gruppenbildung unterbinden. Wenn der Mindestabstand von 1,5m oder besser noch 2m zu anderen Zwei-Personen Gruppen gewahrt werden kann, dürfen sich auch mehrere Personen sowohl im öffentlichen Raum (Park oder Supermarkt) bzw. im Reitstall aufhalten.
Lisa Adler-Malm: Die von den Ländern beschlossene Regelung besagt, dass der Aufenthalt im öffentlichen Raum nur mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person, alleine oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet ist. Hier sollen Zusammenkünfte vermieden werden. Wenn der geforderte Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird, dürfen sich mehrere Personen in der Öffentlichkeit. Dies gilt auch für den Reitstall.
"Meine Stute steht allein und ich bin gerade auf der Suche nach einem zweiten Pferd für sie. Wir wohnen in Bayern an der Grenze zu Baden Württemberg. Ich kann doch jetzt meine Stute nicht so lange alleinstehen lassen. Darf ich zum Probereiten nach Baden-Württemberg?
Birgit Blank: Das kommt sicher auf den Einzelfall an. Güter und Warenverkehr sind bislang nicht verboten. Ebenso wenig der Handel mit Pferden.
Lisa Adler-Malm: Hier wird die nach meinen aktuellen Informationen noch geltende Ausgangssperre in Bayern auch eine Rolle spielen dürfen, wonach das Haus oder die Wohnung nur zu bestimmten Zwecken verlassen werden darf. Meines Erachtens fällt Probereiten nicht darunter. Darüber hinaus ist auch fraglich, ob beim Probereiten und der Vorstellung des Pferdes der Mindestabstand eingehalten werden kann.
"Wir sind Pferdebesitzer aus Österreich und haben unsere Pferde in Deutschland im Stall. Auf beiden Seiten wird gesetzlich gesagt, dass wir zur Notversorgung zu den Pferden dürfen. In Deutschland ist die Einreise für uns möglich und polizeilich bestätigt. Mit der neuen Verordnung 104 (Österreich) wird jedoch gesagt, dass wenn wir vor der Einreise nach Österreich in eine 14-tägige Quarantäne müssen, oder ein ärztliches Attest brauchen und das alle vier Tage. Wie sollen wir denn unsere Pferde versorgen? Pendler dürfen nach wie vor weiter hin und her fahren. Selbst wenn ein Pferd einen Tierarzt benötigt, Hufpflege oder was auch immer, haben wir zurzeit keine Möglichkeit unserer Pflicht als Tierhalter nachzukommen. Außerdem, wie soll der Stallbesitzer, der mehr österreichische Einsteller als deutsche hat, für die Tiere die Notversorgung gewährleisten? Zumal im Einstellvertrag festgelegt ist, dass jeder Besitzer sich selbst um das Pferd zu kümmern hat. Es wird lediglich die Infrastruktur gestellt. Wir haben hier schon ein Ansuchen um eine Ausnahmeregelung gestellt, abgewiesen wurde. Außerdem wollen Reitsport-Verbände auf beiden Seiten sich unseres Themas nicht annehmen, Wie Sie sehen, spitzt sich die Lage zu und wir dürfen unsere Pflichtversorgung nicht mehr nachkommen."
Birgit Blank: Was den Grenzübertritt betrifft, wäre der Rat eines österreichischen Kollegen gefragt. Was den Stallbesitzer und dessen Verpflichtung zur tierschutzgerechten Sorge der Pferde betrifft, müsste man wissen, was die Parteien tatsächlich vertraglich vereinbart haben. Wurde nur ein Stall mit Wiese zur Selbstversorgung zur Verfügung gestellt, dann müssten sich die österreichischen Einsteller zusammentun und entweder vielleicht paarweise in Gruppen aufgeteilt die Pferde jeweils für andere mitversorgen oder aber den Vertrag kündigen und die Pferde zurück nach Österreich stellen, wenn das langfristig nicht möglich ist. Wurde jedoch im Einstellvertrag vereinbart, dass der Stallbetreiber die Pferde füttert, Stall ausmistet, Pferde auf die Weide bringt etc., dann muss er auch für die tierschutzgerechte Versorgung, sei es medizinische Versorgung, Hufschmied oder auch Bewegung der Pferde Sorge tragen, falls die Grenzen für die österreichischen Pferdebesitzer nicht mehr passierbar sind.
Lisa Adler-Malm: Es gelten für Österreich andere Einreisebeschränkungen als für Deutschland. Die Regelungen für die Einreise von Deutschland nach Österreich können daher aus deutscher Sicht nicht rechtssicher beurteilt werden. Wir befinden uns in einer Situation, die so noch nie eingetreten ist und insofern stehen auch wir Rechtsanwälte*innen vor Fragen, die nicht pauschal beantwortet werden können. Gegebenenfalls kann die von der FN zur Verfügung gestellte Eigenerklärung für Selbstversorger beim Passieren der Grenze vorgehalten werden. Das Wohlergehen des Tieres muss natürlich stets gewährleistet werden, notfalls vom Stallbetreiber und durch von ihm zur Pflege hinzuzuziehende Personen. Wenn möglich, sollte eine Regelung zur Pflege und Versorgung mit Einstellern getroffen werden, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Sollte eine adäquate Versorgung nicht möglich sein, kann erwogen werden, das Pferd nach Österreich zu holen.
"Unsere Stallbetreiberin hat am 20.3.2020 beschlossenen, dass nur noch der Mistdienst auf den Hof darf. Reiten sowie Pflegen meiner beiden Pferde fällt somit flach. Ich zahle 100 Euro im Monat extra für die Reithalle, muss ich das nun voll für den ganzen Monat bezahlen? Zudem ist meine 22 Jahre alte Stute Cushing-Patient mit chronischer Hufrehe. Sie braucht also dementsprechend Medikamente und besondere Pflege. Wer kommt denn nun, wenn ich die Anlage zur Verpflegung nicht betreten darf für eventuelle Tierarztkosten auf? Das Attest meines Tierarztes, dass ich täglich den Zustand sowie die Beifütterung (Pferd ist viel zu dünn) und Medikamente überwachen muss, wurde nicht anerkannt."
Birgit Blank: Diese Fragen, wer was bis wann zu zahlen hat, häufen sich. Eine Rückforderung der nicht genutzten Hallentage ab dem 20. eines Monats steht in keinerlei Verhältnis zum Aufwand und Ärger, den solche Diskussionen nach sich ziehen. Nur weil man derzeit nicht mehr Reiten darf, kann die Halle ja nicht auch anderweitig für die Pferde und somit wohl auch das der Leserin genutzt werden (Führen, Laufenlassen etc.). Ein Medikamentenplan muss demjenigen zur Verfügung gestellt werden, der sich um das Pferd am Hof kümmert. Wenn Stallbetreiber ihren Betrieb schließen, müssen sie für notwendigen Bewegung, medizinische Versorgung, Hufschmied etc. sorgen. Geht hier was schief, so haftet dann u.U. auch der Stallbetreiber aus dem Einstellvertrag wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten. Allein aus diesem Grund würde ich als Stallbetreiber so lange wie möglich davon absehen, dem Pferdebesitzer Zugang zum Betrieb und Versorgung des Pferdes zu verwehren.
Lisa Adler-Malm: Die Verpflegung und Versorgung und Bewegung des Pferdes müssen sichergestellt sein. Eine Betretung des Stallbetriebes durch die dafür notwendigen Personen (in der Regel ist das der Halter oder die Reitbeteiligung) kann meines Erachtens nicht rechtlich wirksam ausgeschlossen werden. Ist die Nutzung der Halle nicht möglich und liegt der Grund dafür in der Anweisung der Stallbetreiberin, so entfällt in der Regel auch die Verpflichtung zur Zahlung der Hallennutzungs-Gebühr. Auf die Notwendigkeit eines Tierarztbesuches sollte man es schon aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht ankommen lassen.
"Wir haben unser Pferd in einem Privatstall untergebracht. Die Besitzer haben selbst zwei Pferde; mit unserem sechs weitere von Einstellern. Die Pferde sind am Wochenende auf die Tag- und Nacht-Weide kommen. Die Besitzer haben uns dann überraschend sieben DIN-A4-Seiten mit "Arbeitsanweisungen" für den Stall überreicht. Wir sollen in "Arbeitstrupps" von 2 bzw. 3 Personen das ganze Stallgebäude jetzt reinigen/renovieren/reparieren, insgesamt mit 10 Personen. Wir haben vorsichtig angebracht, dass wir solche Arbeiten im Moment wahrscheinlich nicht durchführen dürfen. Darauf hat das Besitzerehepaar (Bankmitarbeiter) sehr wütend reagiert. Gestern haben wir dann alle eine sehr "eindringliche" Nachricht der Besitzer über WhatsApp bekommen. Sie hätten sich beim Gesundheitsamt, Ministerium, Polizei und Landkreis erkundigt: Der Stall wäre ein landwirtschaftlicher Betrieb (nur die 8 Pferde und Pferdeweiden, Stall) und somit könnten die Arbeiten durchgeführt werden. Bis wir uns "fügen" haben wir kein "Reitrecht" mehr. Wir werden lieber nicht arbeiten – auch wegen der vielen Nachbarn, die uns dabei sehen können. Eben mal neuen Stall ist nicht so einfach; Kündigungsfrist zum Ende des nächsten Monats. Die Ministerien und Landkreise kann man im Moment nur durch hinterlegen der eigenen Telefonnummer erreichen. Wir suchen aber die Möglichkeit zu den Corona- Regeln in diesem Fall irgendetwas Schriftliches zu finden."
Lisa Adler-Malm: "Da ich davon ausgehe, dass ein Einstellervertrag besteht: Grundsätzlich sind die Arbeiten am Hof gerade nicht durch die Einsteller durchzuführen. Auch kann ein Reitverbot nicht ohne Weiteres seitens der Stallbesitzer verhängt werden. Auch wenn es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt, stehen die Einsteller gerade nicht in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis zu den Stallbesitzern, so dass bei "Arbeitsverweigerung" keine Konsequenzen drohen, die rechtlich standhalten. Sollten die Stallbetreiber weiter an ihrer Auffassung festhalten, wäre es eine Option, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen."
Die CAVALLO-Redaktion bedankt sich an dieser Stelle ausdrücklich für das Engagement der Rechtsanwältinnen Birgit Blank und Lisa-Adler-Malm für ihren unermüdlichen Einsatz rund um die zahlreichen Leserfragen, die uns täglich erreichen!
Rechtliche Beurteilung ist momentan schwierig
Birigt Blank: Die rechtliche Beurteilung all dieser Fragen ist nicht einfach, da derzeit viele Regelungen quasi "aus der Hüfte geschossen" aufgestellt werden. Teilweise handelt es sich um Vorgaben oder um Empfehlungen, die (noch) gar keine rechtliche Grundlage im Gesetz haben. So ist zum Beispiel umstritten, ob man überhaupt eine "Ausgangssperre" verhängen darf. Ebenso kommt die Vorgabe der FN, dass kein Reitunterricht mehr erteilt werden darf, einem Berufsverbot für Reitlehrer gleich. Hierzu ist die FN aber gar nicht befugt. Die Empfehlungen betreffen alle und jeder muss für sich und seinen Betrieb entscheiden, durch welche internen Regelungen die Verbreitung des Virus und der Einhalt der Empfehlungen am besten umgesetzt werden können. Hier muss der Egoismus des einzelnen Pferdebesitzers den Interessen Aller womöglich weichen…
CAVALLO-Podcast: Wie gehen CAVALLO-Redakteure mit der Corona-Krise um?
Die Corona-Krise hat auch die Reiter und die gesamte Pferdewelt fest im Griff – von abgesagten Messen, Turnieren, Reitunterricht, Reisen bis hin zu vielen Fragen von Pferdebesitzern zur Versorgung ihrer Pferde. Die CAVALLO-Redakteure sind als Pferdebesitzer und Reiter natürlich ebenfalls betroffen und auch die Arbeit in der Redaktion wird von der Pandemie beherrscht. Wie gehen wir persönlich und als Journalisten damit um? Dies erfahren Sie in einem sehr persönlichen Gespräch zwischen CAVALLO-Redakteurin Ute Stabingies und Chefredakteurin Linda Krüger in diesem Podcast. In den Shownotes finden Sie den Link zu unserer Corona-Sonderseite mit vielen wichtigen Infos rund um Reiten und Corona.