Trainings-Skandal um US-Dressurreiter Cesar Parra

Reaktionen von FEI, FN und Deutschen Verbänden
Skandal um Dressurreiter Cesar Parra

Zuletzt aktualisiert am 19.02.2024
Cesar Parra beim FEI Grand Prix in New Jersey 2014.
Foto: Icon Sports Wire / GettyImages

Als "beunruhigend und abscheulich" hat die FEI Bilder und Videos bezeichnet, die seit 1. Februar im Zusammenhang mit dem in Kolumbien geborenen US-Dressurreiter Cesar Parra im Internet kursieren. Die Aufnahmen sollen von ehemaligen Mitarbeitern Parras stammen. Auf einigen Aufnahmen ist Parra selbst zu sehen, als Reiter im Sattel und am Boden als Trainer. Auf einem Video ist zu sehen, wie Parra ein Pferd vom Sattel aus mit der Gerte auf Genick und Hals schlägt, andere Aufnahmen zeigen, wie er in Kopf und Hals extrem eng eingestellte Pferde in Reithalle und Longierzirkel mit der Peitsche schlägt. Die Tiere versuchen teils Gegenwehr und schlagen aus. Auch Gangmanipulation mit Stricken und Gummibändern an den Pferdebeinen ist zu sehen. Weitere Videos zeigen extrem eng ausgebundene Pferde an der Longe, diese sollen ebenfalls aus Cesar Parras Training stammen – ebenso wie Bilder von Sporen- und Gertenstriemen und wunden Maulwinkeln.

FN erstattet Anzeige gegen zwei Beteiligte aus Deutschland

Die FEI kündigte Untersuchungen des Materials an und suspendierte Parra währenddessen vorläufig. Auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung FN untersuchte das Videomaterial zunächst. Nun gab der Verband in einer Mitteilung vom 8. Februar bekannt, in einem Video zwei Personen aus Deutschland identifiziert und Anzeige gegen beide erstattet zu haben. "Bei solchem Verhalten reichen unsere rechtlichen Möglichkeiten als Sportverband nicht aus. Hier geht es um strafrechtliche Relevanz, daher wenden wir uns an die staatlichen Behörden, die weitaus größere Ermittlungs- und Sanktionsmöglichkeiten haben", sagt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach.

Weiter heißt es in der Mitteilung: "Darüber hinaus hat die FN für die beiden Personen die Ausstellung einer Jahresturnierlizenz bis auf weiteres blockiert und ihnen Hausverbot erteilt, geltend für die Geschäftsstelle, den Bundesstützpunkt und damit alle Eigenveranstaltungen wie beispielsweise die HKM-Bundeschampionate. Die FN hat außerdem ein Ausschlussverfahren eingeleitet, um ihnen die Persönliche Mitgliedschaft zu entziehen. Da die beteiligten Personen in ihrem Betrieb auch Pferdewirte ausbilden, hat die FN den Vorfall bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gemeldet und dort beantragt sowohl dem Betrieb als auch den Personen diesen Ausbilder-Status zu entziehen. Damit sind die Möglichkeiten als nationaler Sportverband ausgeschöpft."

Stellungnahme Dressurstall Sandbrink GmbH

Am 14. Februar gaben die Beteiligten aus Deutschland, Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber, eine Erklärung zu den Geschehnissen im besagten Video ab. Die Vorwürfe wiegen schwer. In der Stellungnahme heißt es: "Um die Geschehnisse rund um den Vorgang am 12. Juli 2022 richtig einordnen zu können, haben wir nachstehend ausführlich ausgeführt, was sich tatsächlich ereignet hat. Wir haben versucht aus unserer Erinnerung heraus akribisch aufzuschreiben, was wir wie erlebt haben." Nach Aussagen der Beteiligten, habe das Pferd immer wieder Probleme unter der Reiterin gezeigt. "Das Pferd stand ruhig und sie saß auf. Unmittelbar danach eskalierte die Situation. Das Pferd stieg hoch und drohte sich zu überschlagen. Dadurch bestand sofort, auch in Anbetracht der Größe des Pferdes (ca. 180 cm), Lebensgefahr für die Reiterin und mich."

Stefan Sandbrink schildert weiter: "Während des ganzen Vorgangs habe ich mich komplett, mental und visuell, auf das Pferd und die Reiterin fokussiert und aufgrund der Gefährlichkeit der Situation das Verhalten der dritten Person nur ganz schemenhaft wahrgenommen. Jetzt, nach zwei Jahren, zu Hause sicher im Sessel sitzend und die gesamte Situation im Video betrachtend, kann ich nachvollziehen, wie die gesamte Szene wirken muss." Weiter heißt es in seinem Statement: "Ich betone ausdrücklich, dass ich niemals in meinem Leben so geritten und Pferde so ausgebildet habe, wie dies in den über Dr. Parra und seine Reiter veröffentlichten Videofilmen dargestellt ist. Vielmehr betreibe ich eine Reitschule, sodass ich täglich öffentlich reite. Ich bin noch nie auffällig geworden, war nie Gegenstand von irgendwelchen Beschwerden oder Verfahren. Ich verabscheue die Methoden von Dr. Parra zutiefst."

Auch Dr. Kerstin Klieber äußert sich zu den Video-Inhalten: "Ich war auf der Ballustrade in einer Unterhaltung mit zwei weiteren Personen vertieft, als ich plötzlich das Getümmel mitbekommen habe. Ich war total erschrocken und voller Angst um Stefan, meinen Lebensgefährten, der, nur in Freizeitkleidung und mit Sommerslippern an den Füßen in der Halle stehend, versucht hat, eine Gefahrensituation zu entschärfen. Ich hatte Angst um Leib und Leben von Stefan Sandbrink und der Reiterin. Eine Situation, in der das Pferd zweimal stieg und sich zu überschlagen drohte." Außerdem betont Klieber: "Nichts davon, was JETZT in vielen Videos und Bildern zu sehen ist, was von Dr. Parra und seinen Handlungen zu sehen ist, war uns vorher bekannt."

Die vollständige Stellungnahme von Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber sehen Sie hier:

ZfdP leitet Ausschlussverfahren ein

Der Zuchtverband für deutsche Pferde e.V. (ZfdP) hatte bereits zuvor ein Ausschlussverfahren gegen die Dressurstall Sandbrink GmbH eingeleitet. Dies gab der Vorstandsvorsitzende André Hascher in einer Pressemitteilung vom 6. Februar bekannt. Die Videos von Cesar Parra bezeichnete er als erschütternd. Eines der Videos zeige auch, wie Parra von Stefan Sandbrink unterstützt wird, während Dr. Kerstin Klieber, Geschäftspartnerin von Stefan Sandbrink, mit wohlwollenden Worten von außen unterstütze. Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber stehen hinter der Dressurstall Sandbrink GmbH, die Mitglied des Zuchtverbandes für deutsche Pferde e.V. ist.

Der Zuchtverband für deutsche Pferde e.V. stehe für liberale Werte, insbesondere für art- und tiergerechtes Verhalten und verstehe sich als Teil einer am Tierwohl orientierten Leitkultur, heißt es in der Mitteilung. Das auf den Videoaufnahmen zu sehende Verhalten verstoße gegen die Verbandssatzung. "Aus diesem Grunde habe ich, André Hascher, in meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender und Mitglied des Zuchtverbandes für deutsche Pferde e.V. – unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Tierquälerei – den Antrag auf Ausschluss der Dressurstall Sandbrink GmbH aus unserem Zuchtverband an den Vorstand unseres Zuchtverbandes gerichtet." Der Antrag sei nach eingehender Beratung innerhalb des Vorstandes einstimmig befürwortet worden. "Damit ist nun das satzungsgemäße Verfahren in Gang gesetzt, um die Dressurstall Sandbrink GmbH sämtlicher Mitgliedsrechte zu entheben und diese in Zukunft damit auch von unseren Veranstaltungen auszuschließen. Es werden die laut Satzung anzuhörenden Gremien gehört und dem betroffenen Mitglied Gelegenheit gegeben, sich zur Sache zu äußern."

Hannoveraner Verband und Oldenburger Pferdezuchtverband erteilen Sanktionen gegen Dressurstall Sandbrink GmbH

Der Hannoveraner Verband und der Oldenburger Pferdezuchtverband haben nach einer Anhörung von Herrn Stefan Sandbrink und Frau Dr. Kerstin Klieber und dem Eingang einer schriftlichen Stellungnahme eine gemeinsame Entscheidung getroffen. Die Stellungnahme gegenüber den Pferdezuchtverbänden sowie die im Internet veröffentlichte Eigenerklärung könne aus Sicht der Verbandsvertreter nicht zu einer Entlastung des offensichtlichen Vorgehens führen. In der Pressemitteilung vom 14.02. geben teilen die beiden Verbände ihre Entscheidung mit:

"Herr Stefan Sandbrink ist kein Mitglied im Oldenburger und Hannoveraner Pferdezuchtverband. Mindestens bis zum 31.12.2027 erhält er Hausverbot auf den beiden Verbandsanlagen sowie ein Teilnahmeverbot als Vor- / Aussteller auf Verbandsveranstaltungen. Für denselben Zeitraum gilt, dass für ihn kein Antrag auf Mitgliedschaft in den beiden Pferdezuchtverbänden möglich ist. Frau Dr. Kerstin Klieber führt je nach Pferdezuchtverband unterschiedliche Mitgliedschaften als natürliche Person bzw. als Geschäftsführerin der Dressurstall Sandbrink GmbH. Für beide Mitgliedschaften gilt ein sofortiger Ausschluss. Ein neuer Antrag auf Mitgliedschaft kann frühestens ab dem 1.1.2027 gestellt werden. Für denselben Zeitraum erhalten sie ein Hausverbot auf den beiden Verbandsanlagen sowie ein Teilnahmeverbot als Vor- / Ausstellerin auf Verbandsveranstaltungen."

Auch für Dr. Cesar Parra selbst wird folgender Entschluss gefasst: "Er erhält dauerhaftes Hausverbot auf den beiden Verbandsanlagen sowie ein Teilnahmeverbot als Vor- / Aussteller auf Verbandsveranstaltungen. Ein Antrag auf Mitgliedschaft in den beiden Pferdezuchtverbänden ist für ihn nicht möglich."

Zuvor gaben die beiden Verbände bereits in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt, dass sie Ausbildungsmethoden dieser Art nicht tolerieren und betonten in aller Deutlichkeit, dass sie hinter der deutschen Reitlehre, den ethischen Grundsätzen zum Umgang mit dem Pferd sowie hinter den eigenen und allgemeinen Compliance-Richtlinien stünden. Aus diesen Gründen wurde bereits am 8. Februar gemeinsam beschlossen, ein internes Verfahren aufgrund tierschutzwidrigem Verhaltens einzuleiten.

Westfälisches Pferdestammbuch plant Ausschluss für Sandbrink GmbH

Auch das Westfälische Pferdestammbuch plant Schritte gegen die Beteiligten aus Deutschland. In einer Pressemitteilung vom 7. Februar gab der Zuchtverband bekannt: "Die in den Aufnahmen gezeigten Praktiken stehen im klaren Widerspruch zu den ethischen Grundsätzen und den Prinzipien, für die das Westfälische Pferdestammbuch eintritt. Es ist uns daher ein Anliegen, öffentlich zu betonen, dass derartige Vorgehensweisen keinerlei Akzeptanz in unserem Verband finden. Unter Beachtung der Satzung und weiteren internen Vorgaben, haben wir bereits erste Schritte eingeleitet, um auf den Vorfall zu reagieren. Die Tagesordnung für die nächste Vorstandssitzung wurde so aktualisiert, dass ein satzungsgemäßer Ausschluss der Dressurstall Sandbrink GmbH, in Person von Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber, zeitnah eingeleitet werden kann."

Petition für eine lebenslange Sperre

Am 12. Februar startete zudem eine weltweite Petition für eine lebenslange Sperre Cesar Parras. Bereits 2010 wurden die Trainingsmethoden des Dressurreiters kritisiert, nachdem sich ein Pferd im Training überschlug und dies öffentlich wurde. Damals wurden alle Vorwürfe gegen Parra fallen gelassen, Konsequenzen folgten nicht. Diesmal wird der öffentliche Druck stärker und die Kritik und Empörung lauter. Die bereits vielfach geteilte Petition richtet sich an die USDF (United States Dressage Federation), die USEF (United States Equestrian Federation) und die FEI (Fédération Équestre Internationale) – eine Aufforderung der weltweiten Pferde-Community an die international einflussreichen Verbände, endlich einen Schlussstrich unter Cesar Parras Machenschaften zu ziehen.

Parra startet für die USA

Cesar Parra ist gebürtiger Kolumbianer und nahm für Kolumbien unter anderem an den Olympischen Spielen 2004 teil. Seit 2009 ist er amerikanischer Staatsbürger und ritt unter anderem 2011 für das Goldmedaillenteam der USA bei den Panamerikanischen Spielen in Mexiko.